Anziehen, schminken und frisieren. Nach einer Dreiviertelstunde kann es losgehen. Doch jedes Mal, wenn Regina Lorenz als Dr. Roberta Concerta die Tür eines Patientenzimmers auf der Kinderstation und der Palliativstation als Hortensie Schneider von den Damen in Rosa des St.-Elisabethen-Klinikums in Ravensburg öffnet, weiß sie nicht, was sie erwartet.

Hier ist keine Schulmedizin gefragt
Mit ihrer dunkelroten Nase, den hellroten Bäckchen und dem bunten Clownskostüm ist sie keine gewöhnliche Ärztin. Sie macht Visite auf ihre eigene Art und setzt nicht auf Schulmedizin. Das bedeutet: lachen schenken, Erinnerungen wecken, Kraft schöpfen, durchatmen und unbeschwert den Moment genießen.

Regina Lorenz ist hauptberuflich Musiktherapeutin und schlüpft seit 13 Jahren mehrmals jeden Monat in die Rolle der Dr. Roberta Concerta, um kranken Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und lustige Augenblicke in schwierigen Lebenssituationen zu schenken.
„Wir bieten Atempausen für die Menschen an. Es ist eine andere Möglichkeit, als Klinikclown Verbindung zu den Menschen aufzunehmen. Es ist bereichernd zu sehen, wie wir Vermittler sind. Wir erinnern an schöne Zeiten“, sagt Lorenz. Sie fühle sich zu 95 Prozent beschenkt.
Durch Zufall zum Klinikclown
Zu der Arbeit als einer von fünf der „Lachmuskel Klinikclowns“ in Ravensburg kam sie eher zufällig. Durch eine Freundin, deren Mann der beste Freund ihres Mannes sei, ist sie mit Clowns in Berührung gekommen. Diese hatte Verbindung zum „Big Apple Circus“, einem Zirkus mitten in New York.
So hat sie schließlich auch die Ravensburger Clownschule kennengelernt, Spaß am Spielen entwickelt und beschlossen, eine Ausbildung in Frankfurt zu machen, die berufsbegleitend eineinhalb Jahre dauerte. Denn: „Nicht jeder Clown ist ein Klinikclown. Es ist nicht mit einem Zirkusclown zu vergleichen. Die Situation ist besonders, da die Menschen krank sind und sich erstmal nicht freuen, dass sie im Krankenhaus sind“, betont Lorenz.

Statt Befunden gibt es die Humorvisite
Vor der Humorvisite, wie sie es nennen, machen sie mit dem Pflegepersonal eine Übergabe, um zu wissen, in welcher Verfassung sich die Patienten befinden, was sie bewegt und was gerade wichtig für sie ist. Vor allem auf der psychosomatischen Station sei dies wichtig zu wissen, wenn die Kinder beispielsweise an Essstörungen oder Depressionen leiden oder sich in schwierigen Familienverhältnissen befinden.
Frau Hortensie und die Damen in Rosa
Neben der Kinderklinik und der Intensivstation ist Regina Lorenz nicht nur als Dr. Roberta Concerta unterwegs, sondern auch als Frau Hortensie Schneider von den „Damen in Rosa“ auf der Palliativstation. Besonders die Arbeit auf dieser Station liegt ihr sehr am Herzen.
Die Kontakte seien tiefer als auf der Kinderstation. „Auf der Kinderstation kann es auch mal lauter und wilder zugehen. Auf der Palliativstation ist es leise und die Arbeit ist sehr poetisch.“ Erst seit zwei Wochen kann sie wegen des Coronavirus mit ihren Kolleginnen dort wieder Besuche machen. In der Zwischenzeit hat sie die Menschen mit Videos aufgeheitert:
Tanzen auf der Palliativstation
Da jetzt der direkte Kontakt wieder möglich ist, hat sie kürzlich mit einem Ehepaar auf der Station getanzt. „Das war herzberührend“, sagt Lorenz. Wenn sie darüber spricht, leuchten ihre Augen.
Doch nicht jeder der Patienten und Angehörigen bringt im ersten Moment diesen Ort, der mit Schmerz und gedämpfter Stimmung in Verbindung gebracht wird, mit aufheiternden Clowns in Verbindung. Daher kommt es laut Lorenz schon mal vor, dass der ein oder andere Patient komisch schaue.
„Aber der Clown sieht nur den Menschen, nicht dass er krank ist“, erklärt Lorenz. Manchmal lehnen Menschen auf der Palliativstation auch einen Besuch ab. „Das ist vollkommen in Ordnung. Es ist in dieser Lebensphase eine Form von Selbstbestimmung“, erläutert Lorenz. Dann lässt sie kleine Kraftherzen für die Hosentasche da.
Wichtiges Prinzip: Mitfühlen statt mitleiden
Ein wichtiges Prinzip lautet daher: „Wir können mitfühlen, aber nicht mitleiden.“ Aus diesem Grund müsse man emotional belastbar sein. Ebenso wichtig: Empathie, Spontanität, humorvoll, Freude am Kontakt mit Menschen und Neugierde, listet Lorenz auf.
Ein gutes Gespür für Situationen sei ebenfalls wichtig. Bei Müttern mit einem Frühchen auf der Intensivstation müsse man spüren, ob die Frau in dem Moment Zuwendung möchte oder nicht.
Bemalte Masken in Coronazeiten
Auch für die Klinikclowns hat sich durch das Coronavirus der Besuch im Krankenhaus etwas verändert. Zum einen die Maskenpflicht. Doch für die Kinder sei ein Clown mit einem Mund-Nasen-Schutz nicht mehr befremdlich.
Dafür sorgt auch die Bemalung der Masken. Um die fehlende Mimik auszugleichen, arbeitet sie mehr mit den Augen und setzt verstärkt Gestik ein. Ihre Querflöte kann sie gerade wegen der Corona-Bestimmungen nicht mit zu den Patienten nehmen. Dafür wird umso mehr gesungen.

Rote Nase erfüllt einen Zweck
Der Maske kann sie sogar etwas Positives abgewinnen. „Da wir die rote Nase jetzt über der Maske tragen, kommt sie sogar noch mehr zur Geltung“, sagt Lorenz und lächelt.
Die rote Nase erfüllt aber nicht nur einen optischen Zweck. „Ich bin als Clown in einer Rolle. Die rote Nase ist wie ein Schutz. Mit dem Ablegen der Nase lege ich auch den Besuch im Krankenhaus ab“, erklärt Lorenz. So verlässt sie nach jedem Besuch das Krankenhaus nicht als Dr. Roberta Concerta, sondern als Regina Lorenz.