Markdorf – Vom Trans-Europa-Express-Zug lässt sich Jens Seeberger nicht stören. Er blickt nicht einmal auf, als die creme- und bordeauxfarbenen Erste-Klasse-Wagen dicht vor ihm vorbeirauschen. Selbst der Panoramawagen mit seiner gläsernen Kanzel lässt Seeberger kalt. Das Gleiche gilt für die Gruppe neben den Gleisen weidende Kühe – aus Kunststoff und ebenso im Maßstab 1 zu 87 wie die Gebäude, Autos und Gleisanlage, in deren Mittelaussparung Seeberger steht. Er ist ganz in seine Reparaturarbeit vertieft. Mit dem Schraubenzieher in der Rechten beugt er sich über eine auf dem Rücken liegende Dampflok. Ein vielachsiges Exemplar mit Schlepptender. Der Defekt sei bald behoben, erklärt Seeberger, Mitglied der Markdorfer Modelleisenbahnfreunde, die an diesem Wochenende in der Stadthalle zu den 35. Modellbahntagen eingeladen haben.

Mitglied Jens Seeberger repariert mitten in der Landschaft.
Mitglied Jens Seeberger repariert mitten in der Landschaft. | Bild: Jörg Büsche

„Es läuft“, erklärt Mathias Fetscher. Der Vorsitzende der Markdorfer Modelleisenbahner bezieht sich damit aber weder auf den TEE, der über die auf der Stadthallenbühne aufgebaute Anlage huscht, noch auf den ganz in grün gehaltenen SBB-Zug im Rücken von Jens Seeberger, der vom legendären Krokodil gezogen wird. Mathias Fetscher spricht von den Besucherzahlen. „Dass allein gestern zum Spezialmarkt für Anbieter und Käufer rund 500 Besucher gekommen sind, hat uns selbst überrascht.“ Hätten im Vorjahr doch am gesamten Modellbahntage-Wochenende insgesamt nur 800 Besucher in die Stadthalle gefunden. Der Modelleisenbahntage-Sonntag könnte die Samstagszahlen noch weit übertreffen. Denn Rosemarie Schempp, die morgens um 10 Uhr an der Kasse die Eintrittskarten verkauft hat, berichtet von einer langen Schlange Wartender.

„Ich find‘ es toll, wie viel Mühe sich die Markdorfer Modelleisenbahnfreunde geben, um schon kleine Kinder für ihr Hobby zu ...
„Ich find‘ es toll, wie viel Mühe sich die Markdorfer Modelleisenbahnfreunde geben, um schon kleine Kinder für ihr Hobby zu begeistern.“Michael Holstein, Besucher | Bild: Jörg Büsche
„Das ist hier wie eine Rückkehr in die eigene Kindheit. Mich erinnern die Eisenbahnlandschaften an das Hobby meines Vaters.“Ilona ...
„Das ist hier wie eine Rückkehr in die eigene Kindheit. Mich erinnern die Eisenbahnlandschaften an das Hobby meines Vaters.“Ilona Bracht-Beyer, Besucherin | Bild: Jörg Büsche

Nachwuchsarbeit zahlt sich aus

„Wie macht ihr das?“, zitiert Kurt Lück den erstaunten Modellbahnfreund aus einem Nachbarverein. Den hätten die vielen jungen Leute bei den Modellbahntagen verwundert. Die Jugendlichen im Vereinsshirt der Markdorfer Modelleisenbahner wie auch die relativ zahlreichen jungen Menschen im Publikum. Das Geheimnis sei die vierstufige Jugendarbeit, verrät Kurt Lück. Erst werden während der alljährlichen Herbstausstellung die Kinder an den Basteltischen im Obergeschoss der Stadthalle auf den Geschmack gebracht. Dann nehmen die Modelleisenbahnfreunde am Ferienprogramm teil. Dort laden sie ebenso zum Basteln ein wie in ihrem Nachmittagsangebot für die Viertklässler. Wo die Kinder auf einem 19 mal 16 Zentimeter großen Brettchen ein eigenes Stückchen Eisenbahnlandschaft rechts und links einer Schiene entwickeln dürfen. Eine ganz andere Riege sei schließlich die Jugendgruppe, in der es in die Feinheiten des Modelleisenbahnbaus geht. „Das ist eine ziemlich betreuungsintensive Angelegenheit“, erklärt Mathias Fetscher. „Auf zwei Jugendlicher kommt ein Betreuer.“ Was etwas völlig anderes sei als beim Fußball, wo ein Trainer auf elf oder mehr Spieler komme.

Sammler Oliver Hostenkamp bietet vor allem Blech-Eisenbahnen an.
Sammler Oliver Hostenkamp bietet vor allem Blech-Eisenbahnen an. | Bild: Jörg Büsche

Ungespieltes sei klar bevorzugt, hat Oliver Hostenkamp am Samstag erklärt. Vom Friedrichshafener Bahnhofsgebäude aus Blech, dass der Modelleisenbahnsammler aus Lindau in die Kamera hält, kann man indes nicht behaupten, dass es ungespielt, nicht in Benutzung war. Gleiches gilt für die Märklin-Gleise aus Blech und so manche Lok, die Hostenkamp an seinem Verkaufsstand aufgebaut hat. „Ich verkaufe, was ich fünf- oder sechsmal habe.“ Den Erlös investiere er in neue Modelleisenbahn-Altertümchen. Am liebsten in noch originalverpackte Raritäten, die – mit einigem Glück – immer noch zu entdecken seien. Raritäten wie den Märklin-Pullman-Personenwagen, der kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs produziert, Sammlerherzen höher schlagen lässt.

Ob sich unter den Schätzen, die Klaus Köhler und Dietmar Bitzenhofer beim Spezialmarktsamstag angeboten haben, ebenfalls so heißbegehrte Raritäten entdecken lassen? Wer weiß! Doch im Grund lohnt schon das bloße Betrachten und Eintauchen in die eigene Erinnerung, von der zum Beispiel Ilona Bracht-Beyer berichtet. Sie führe der Besuch der Modellbahntage gewissermaßen zurück in die Eisenbahnlandschaft ihres Vaters, der sogar in hohem Alter immer noch mit Lupe und Pinzette daran gearbeitet habe.