Im Grunde könnte mit dem Bau der umstrittenen Südumfahrung, die die Markdorfer B-33-Ortsdurchfahrt vom Transitverkehr befreien soll, bereits begonnen werden: Das Vorhaben ist planfestgestellt, also rechtlich baureif, und alle Instanzen der sich über Jahre hinziehenden Einsprüche sind durchgefochten. Sollte der Baubeschluss wie vorgesehen gegen Ende des Jahres gefällt werden, würde eine 18-jährige, von hitzigen Debatten begleitete Entstehungsgeschichte enden: Im April 2003 hatte sich eine Mehrheit der abstimmenden Markdorfer in einem Bürgerentscheid für die Südumfahrung ausgesprochen.
Auf diesen Bürgerentscheid berufen sich die Befürworter auch heute noch. Die Gegner hingegen halten entgegen, dass seither die Kostenprognosen von damals 2,7 Millionen Euro auf heute rund 17 Millionen angestiegen seien, die Prognose der verkehrlichen Entlastung deutlich nach unten geschraubt wurde und die Umfahrung ohne andere ursprünglich geplante Parallelprojekte im Planungsfall 7, wie die Ortsumfahrung Bermatingen, ein Torso bleiben würde.

Anhand dieser Argumentationsketten ergriffen Grüne und SPD auch am Dienstagabend Partei für ein Mitspracherecht der Stadt Markdorf beim letzten Akt, dem Baubeschluss. Der Vertrag zwischen der Stadt Markdorf und dem Landkreis vom Sommer 2013 sieht ein solches Mitspracherecht hingegen nicht vor. Als K7743 neu ist die Südumfahrung ein Kreisstraßenbauprojekt und bei Kreisstraßenprojekten sind die Kommunen grundsätzlich in der Entscheidung außen vor. Dass es am Dienstag noch nicht um den tatsächlichen Baubeschluss ging, unterstrich Landrat Lothar Wölfle nochmals in seiner Einführung. Dass die Stadt Markdorf bei diesem Beschluss nochmals berücksichtigt werde, habe man beim Kreis aber nie in Frage gestellt, betonte Wölfle. Dies sei auch ein „Gebot des fairen Miteinanders“. Mehr als ein Anhörungsrecht könne dies aber nicht sein. Das Angebot des Landkreises: Sollte die Stadt Markdorf eine Stellungnahme abgeben wollen, würde der Kreistag diese beim Baubeschluss „würdigen“.
Grüne: Stadt Markdorf als „Mitbauherrin“ muss zustimmen
Grüne und SPD hingegen sahen die Voraussetzungen für eine Mitsprache der Stadt Markdorf klar gegeben. Als „Mitbauherrin“, die die Hälfte der nicht förderfähigen Kosten trage, müsse die Stadt Markdorf dem Bau zustimmen, argumentierte Sabine Becker für die Grünen. Die Kostenschätzung für Kreis und Stadt von je 1,74 Millionen Euro in 2003 habe sich „gravierend geändert“. „Auch für uns als Kreistag stellt sich die Frage, wie hoch die Kosten tatsächlich ausfallen werden“, so Becker.
Rechne man bis 2025 nochmals weitere 6 Millionen Euro an Kostensteigerungen zur aktuellen Gesamtkostenprognose von 17 Millionen Euro hinzu, „dann sind auch 13 Millionen für Stadt und Kreis keine negative Utopie mehr“, sagte Becker. Zugleich sei die Verkehrsprognose inzwischen auf nur noch maximal die Hälfte der ursprünglichen Entlastungswirkung für die B-33-Ortsdurchfahrt reduziert, von rund 10.000 Fahrzeugen pro Tag auf nun rund 4000 Fahrzeuge. Zuletzt, so Becker, sei für ihre Fraktion auch die Wirksamkeit des Vertrages von 2013 fragwürdig, nachdem der Markdorfer Gemeinderat seinerzeit dabei übergangen worden sei.
SPD: Es geht um partnerschaftliches Miteinander
SPD-Fraktionschef Norbert Zeller nahm nochmals den Bürgerentscheid von 2003 in den Blick: Alle Markdorfer, die heute unter 36 Jahre alt seien, konnten über den Bau der Südumfahrung nicht mitbestimmen, so Zeller. Ebenso verwies er auf die ursprünglich vorgesehene Netzfunktion der Südumfahrung. Die gäbe es nicht mehr, nach der Absage für eine Umgehung von Kluftern zur B 31 im Osten und der auf Eis gelegten Ortsumfahrung Bermatingen als seinerzeit geplanten Anschluss im Westen. Damit habe eine Südumfahrung aber keine verkehrliche Auswirkung mehr, die deutlich über Markdorf hinausgehe.
Neben all diesen Aspekten gehe es aber um den Markdorfer Wunsch nach gleichberechtigter Beteiligung. Dabei, so Zeller, gehe es nicht darum, „gnädiger Weise das Recht einer Stellungnahme einzuräumen“, sondern um echte Gleichberechtigung. „Es geht um ein partnerschaftliches Miteinander in der kommunalen Familie auf Augenhöhe“, betonte Zeller. Er persönlich würde dafür sogar einen neuen Bürgerentscheid favorisieren, doch über das Wie der Mitbestimmung müsse in Markdorf entschieden werden.

Würden die Bürgermeister im Kreistag „brav die Hälfte der Kosten übernehmen, egal wie viel es kostet“ und im Gegenzug auf Mitentscheidung verzichten,? Das fragte der SPD-Sprecher in die Runde.
CDU: Grüne Strategie des Verschiebens und Verhinderns
Die Markdorfer Bürger im Blick hatte auch CDU-Kreisrat und Salems Bürgermeister Manfred Härle, allerdings unter entgegengesetzten Vorzeichen. Die Gegner des Vorhabens würden nichts unversucht lassen, es „auf der Zielgerade noch zu Fall zu bringen“, kritisierte Härle scharf. Dabei habe sich an der Notwendigkeit der Südumfahrung in den Augen der CDU nichts geändert. Seit knapp zwei Jahrzehnten warte man in Markdorf auf die Umsetzung des Bürgerentscheids, die Stadt ersticke in Verkehr, das Projekt sei bis in die letzte Instanz geprüft, rund 1000 Einwendungen seien abgearbeitet und in die Planung eingeflossen. Die Bürger hätten nun zurecht den Anspruch, dass die Umfahrung gebaut werde. Stattdessen würden die Grünen mit einer „Strategie des Verschiebens, Verteuerns und Verhinderns“ seit Jahren versuchen, demokratische Mehrheitsentscheidungen auszuhebeln.
Nun folge der nächste Vorstoß, dem Kreistag seine Zuständigkeit abzusprechen. Den Ansatz hingegen, die Position der Stadt noch einmal einzuholen und beim Beschluss zu berücksichtigen, wolle die CDU gerne aufgreifen und mittragen. Den Antrag werde die CDU daher geschlossen ablehnen, so Härle. Geschlossen heißt in diesem Fall: Auch Markdorfs Bürgermeister Georg Riedmann, der Fraktionschef der CDU im Kreistag, stimmte am Dienstagabend gegen ein Mitspracherecht für seine Stadt.
Freie Wähler: Gegner haben Kosten selbst in die Höhe getrieben
Für die Freien Wähler, sagte Fraktionschef Henrik Wengert, stelle sich der Antrag von Grünen und SPD, der Stadt Markdorf eine Mitsprache einräumen zu wollen, als ein vordergründiges Vehikel dar, um den Bau der Südumfahrung doch noch zu verhindern. Dies entspräche auch der bisherigen Politik beider Fraktionen. Überall in Deutschland würden sich verkehrsgeplagte Bürger freuen, wenn sie eine Umfahrung bekämen, außer in Markdorf. So sei zumindest der Eindruck, wenn es nach den Grünen im Kreistag ginge, die fortwährend darauf verwiesen, dass die Mehrheit der Markdorfer mittlerweile gegen die Umfahrung sei. „Eine kühne Behauptung, die alles andere als belastbar ist“, so Wengert.

Für die Freien Wähler sei der Bürgerentscheid von 2003 nach wie vor maßgeblich. Schon 2000 habe die Stadt Markdorf beim Kreis die Umfahrung beantragt. Der Kreis habe zugestimmt und sei zum Träger des Vorhabens geworden. Daran habe sich nichts geändert: Bei der Umfahrung handele es sich um eine Kreisstraße und eben nicht um eine kommunale Straße. Auch das Kostenargument ziehe für die Freien Wähler nicht, so Wengert. Erstens hätten die Umfahrungsgegner die Verfahren in die Länge gezogen und so einen Teil der Kostensteigerungen selbst verursacht. Zweitens sei für seine Fraktion der Bau des Vorhabens auch unter den aktuellen Kosten nach wie vor geboten. Selbstverständlich sei es für die Freien Wähler hingegen, dass man die Stadt Markdorf nochmals um eine Stellungnahme bitte.
Für die AfD-Fraktion kritisierte deren Sprecher Christoph Högel die „schonungslose Verhinderungs- und Verzögerungspolitik“ der Antragsteller. Die entlastende Wirkung einer Südumfahrung stehe außer Frage und das Vorhaben sei wegen seiner überörtlichen Auswirkungen eine Kreisstraße.