Oliver Schober hat es sich bequem gemacht. Wie das junge Pärchen in seinem Rücken hat er sich in einem der Liegestühle im Park am Fuße der Markdorfer St.-Nikolaus-Kirche niedergelassen. Vor dem Friedrichshafener steht eine Flasche mit Rosé-Weinschorle. „60 Prozent Rosé und 40 Prozent Wasser“, erklärt Schober. Das Mischgetränk habe er in einer der Hütten entdeckt, in der Obstanbauern und Brenner aus der Region, aber auch der Winzerverein Hagnau zum Probieren anbieten, was sie produzieren.

Überwiegend handelt es sich dabei um Hochprozentiges – um Spirituosen. Nicht umsonst heißt das Festival, das die Stadt am Freitag und Samstag organisierte, „Markdorf Spirits“. Denn insbesondere die Brände, egal ob aus Obst oder Weintrester gebrannt, außerdem noch die diversen Gins, Whiskeys und Liköre stehen im Zentrum des zweitägigen Spirituosenfests im Herzen von Markdorf.

Oliver Schober genießt sein Rosé-Schorle.
Oliver Schober genießt sein Rosé-Schorle. | Bild: Jörg Büsche

Er sei nicht so der Freund der hochprozentigen Getränke, sagt Oliver Schober. Und dennoch wolle er, wenn er denn seine Rosé-Schorle ausgetrunken hat, auch mal einen Gin probieren. Dass das hier beim Festival so einfach geht, gefalle ihm. „Ohne Hemmschwelle“, erklärt der Friedrichshafener im Liegestuhl, „völlig unverbindlich – ohne jeden Kaufzwang.“

Brennen rund um den See tief verwurzelt

Paolo Spagnolo, Sommelier aus dem Schweizer Arbon und Leiter des Mosterei- und Brennereimuseums, ist begeistert vom Festival.
Paolo Spagnolo, Sommelier aus dem Schweizer Arbon und Leiter des Mosterei- und Brennereimuseums, ist begeistert vom Festival. | Bild: Jörg Büsche

Dafür mit wunderbarer Beratung, betont Paolo Spagnolo. Der Sommelier aus dem Schweizer Arbon, dort Leiter des Schweizer Mosterei- und Brennereimuseums, zeigt sich gänzlich begeistert vom neuen Spirits-Festival. „Weinfeste und Bierfeste gibt es viele“, erklärt Spagnolo, „eigene Events für Spirituosen finden sich dagegen kaum.“ Das liege, so räumt der Sommelier ein, in gewissem Maße auch am besonderen Charakter hochprozentiger Getränke. Natürlich spiele der hohe Alkoholgehalt eine Rolle. Weit mehr ins Gewicht falle hingegen, dass Weinfeste, dass Bierfeste in vielen Regionen eine lange Tradition besitzen – weil sie dort kulturell verankert sind.

Vom kühlen Wetter lassen sich die Festival-Besucher nicht beeindrucken.
Vom kühlen Wetter lassen sich die Festival-Besucher nicht beeindrucken. | Bild: Jörg Büsche

Tief verwurzelt sei das Brennen jedoch auch rund um den Bodensee mit seinem so wichtigen Obstanbau. Dass man sich darauf nun in Markdorf beziehen will mit dem Spirits-Festival, findet Paolo Spagnolo eine „super Idee“. Vor allem vor dem Hintergrund, dass gerade die junge Winzer- und Brenner-Generation ihr Handwerk mit vielen neuen Ideen und großer Experimentierlust angeht, sodass bei ihren Produkten ganz unerwartete Geschmackseindrücke begegnen.

Auch skeptische Stimmen zum Festival für Hochprozentiges

Jene Skepsis, ja Zurückhaltung gegenüber Hochprozentigem, überhaupt gegenüber Alkohol, sprach auch Bürgermeister Georg Riedmann beim Empfang zum Auftakt des neuen Festivals an. Hier nahm auch Lea Klatt teil, die Destillatkönigin des Nordwürttembergischen Klein- und Obstbrennerverbands.

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In Zeiten, da etwa die Hälfte der Menschen zwischen 18 und 24 Jahren konsequent keinen Alkohol mehr trinkt und die Weltgesundheitsorganisation erklärt habt, dass jeglicher Alkoholkonsum bedenklich sei, es also keine unbedenklich zu genießende Menge gibt, hat sich der Bürgermeister auch bei der jüngsten Gemeinderatssitzung kritische Nachfragen zum Spirits-Festival anhören müssen.

Elisa, Jan, Amelie und Judith aus Biberach halten sich an nichtalkoholische Getränke. Ihnen gefällt die Atmosphäre des Festivals.
Elisa, Jan, Amelie und Judith aus Biberach halten sich an nichtalkoholische Getränke. Ihnen gefällt die Atmosphäre des Festivals. | Bild: Jörg Büsche

Im Rat wie beim Empfang argumentierte Riedmann mit dem Genussfaktor, mit der fest verankerten Tradition des Brennens in der Bodenseeregion – „fast in jeder Familie, die Obstanbau betreibt, findet sich auch eine Brennereianlage“. Und auf einen weiteren Aspekt wies der Bürgermeister hin. „Wir haben hier mitten in unserer Stadt einen der ganz großen Anlagenbauer.“ Tatsächlich liefert die Firma Arnold Holstein an Abnehmer in der ganzen Welt.

Festival für Kenner ebenso wie für Neulinge

Ob jener Whisky aus Australien, den Markus Springer gerade probiert, ebenfalls in einer Arnold-Holstein-Anlage destilliert wurde? Denkbar wäre es. Sicher ist aber, dass der vom Uhldingen-Mühlhofener Edel-Spirituosen-Anbieter vom anderen Ende der Welt mitgebrachte Whisky Markus Springer sehr gut schmeckt. Der Markdorfer betrachtet sich durchaus als Whisky-Kenner und freut sich an der frischen Note des australischen Destillats.

Monika Steffelin hat ihr Getränkeangebot rechtzeitig um Heißgetränke erweitert.
Monika Steffelin hat ihr Getränkeangebot rechtzeitig um Heißgetränke erweitert. | Bild: Jörg Büsche

Er wie auch die vier jungen Besucher aus Biberach, die übers Internet auf das Spirits-Event aufmerksam geworden sind, bedauern die Veranstalter wegen der spätherbstlichen Temperaturen. Wie sagt doch Georg Mack vom Markdorfer Lemon Beat Club an seinem Festival-Stand? „Kalt und trocken geht – kalt und nass, das ist schlecht.“

Monika Steffelin schwenkt von Sommercocktails auf Glühgin um

Monika Steffelin vom Ittendorfer Obsthof Steffelin zog die Konsequenzen. Von Sommercocktails schwenkte sie um auf ihren Glühgin und andere Heißgetränke. Roland Neubert, neben Jens Neumann, Michael Holstein und Barbara Bücken vom Stadtmarketing Hauptorganisator des Festivals, hat bei seinen Gesprächen herausgehört: „Trotz des Regens sind die Händler doch zufrieden.“ Und die allermeisten werden im nächsten Jahr auch wiederkommen.

Barbara Bücken und Roland Neubert sagen dem Festival eine gute Zukunft voraus.
Barbara Bücken und Roland Neubert sagen dem Festival eine gute Zukunft voraus. | Bild: Jörg Büsche