Noch immer bewegt die gewalttätige Auseinandersetzung, bei der am Sonntagabend auf dem Aldi-Parkplatz vier Männer verletzt wurden, die Menschen in Markdorf: In den sozialen Medien häufen sich die Einträge, in denen Bürger über Ängste berichten, über beeinträchtigte Sicherheitsgefühle und über ihre Sorgen, selbst Opfer von Gewalt zu werden. Stets alle Türen und Fenster schließen, empfiehlt eine Userin, ein anderer fordert die Politik auf, das Waffengesetz zu verschärfen und das Mitführen von Messern generell als Straftat zu ahnden.
Polizeistatistik zeigt keinen Anlass für erhöhte Besorgnis
Emotionen und Gefühle sind das eine, Fakten das andere: Gibt die Kriminalitätsstatistik für Markdorf tatsächlich Anlass für diese Ängste? Auf den ersten Blick eher nicht. 2019 vermeldete das Polizeipräsidium Ravensburg noch 719 Straftaten für Markdorf, im Folgejahr 690 und 2021 nur noch 477. Im Vorjahr 2022, das ist die jüngste Statistik, die vorliegt, stiegen die Straftaten – abzüglich der 300 Einzelfälle, die mit vermutlich falschen Corona-Impfungen zusammenhängen – wieder auf 600 an. Der Fünfjahresschnitt liegt laut Polizei bei 648 Straftaten jährlich. Diese Zahlen geben also zunächst einmal keine Begründung für das Gefühl einer zunehmenden Gefahrenlage her.
Beim Polizeipräsidium sind die Ermittlungen zu dem Gewaltdelikt vom Sonntag noch in vollem Gange. Neue Erkenntnisse könne man noch nicht liefern, heißt es auf Anfrage. Im polizeilichen Sicherheitsbericht von 2022 sei Markdorf jedenfalls „nicht auffällig“, so eine Polizeisprecherin. Auch bei der Polizei registriert man die wachsenden Sorgen in der Bevölkerung. Dabei spielt nicht nur die aktuelle Messerstecherei eine Rolle, sondern auch der öffentliche Mord an einer Angestellten in einem Laden in der Innenstadt im Januar. Dies, so sieht man es bei der Polizei, seien aber beides Gewalttaten innerhalb von Gruppen oder Familien gewesen. Außenstehende, so die Polizeisprecherin, seien beide Male nicht betroffen gewesen.

Polizei nennt Nationalitäten noch nicht
Die bisherige Ermittlungslage legt nahe, dass es sich bei der Gewalttat am Sonntagabend um einen Streit zwischen Flüchtlingen gehandelt hat. Bestätigt wird dies von der Polizei bislang noch nicht. Die Unterkunft des Landkreises liegt in unmittelbarer Nachbarschaft des Aldi-Parkplatzes. Auch die Nationalitäten der Beteiligten nennt man noch nicht. Dies werde in der Regel erst dann getan, wenn eine Täterschaft zweifelsfrei feststehe und Tatverdächtige auch in Haft kämen, so die Sprecherin.
Nicht nur dem Polizeipräsidium, auch dem Landratsamt hat der SÜDKURIER eine Reihe von Fragen gestellt. Der Landkreis ist Träger der Erstunterkunft in der Rudolf-Diesel-Straße. Am Montag hatte die Polizei in einer gemeinsamen Stellungnahme mit der Staatsanwaltschaft darauf hingewiesen, dass die beiden Männergruppen bereits vor einer Woche in Streit geraten seien. Wenn es sich um Bewohner der Unterkunft gehandelt hatte, sollte das also im Landratsamt bekannt gewesen sein. Schließlich beschäftigt die Behörde dort Sozialarbeiter.

Landratsamt-Sprecher: Keine Hinweise auf akut drohende Gewalttat
Aktuell, so Landratsamt-Sprecher Robert Schwarz, werte man das Wachbuch des Sicherheitsdienstes aus. Die Ergebnisse stelle man den Ermittlungsbehörden zur Verfügung. „Aus jetziger Sicht gab es keine Hinweise auf eine akut drohende Gewalttat, die ein vorbeugendes Eingreifen durch unser Personal hätte auslösen können oder sollen“, schreibt Schwarz.

Grundsätzlich seien Unterkünfte „keine Erziehungsanstalten“. Die Bewohner würden auch nicht rund um die Uhr sozialpädagogisch begleitet, sondern „weitgehend selbstbestimmt“ dort leben. Spannungen und Konflikte kämen in den beengten Verhältnissen und der für die Menschen besonderen Lebenssituation jedoch immer wieder vor. Die Mitarbeiter in den Unterkünften würden regelmäßig „emotional angespannte Situationen in vernünftige Bahnen lenken“, betont Schwarz. Doch Konflikte zu moderieren, die hinter verschlossenen Türen oder außerhalb der Unterkünfte stattfänden, sei für sie nicht möglich.
Streitende kamen aus unterschiedlichen Unterkünften
Das Landratsamt versuche bei der Belegung der Unterkünfte kulturelle, religiöse oder nationale Unverträglichkeiten zu vermeiden, sagt Schwarz. In Einzelfällen und bei verfügbaren Optionen verlege man durchaus auch Personen. Je größer die Notsituation der Landkreise und Kommunen bei der Unterbringung jedoch werde, umso schwieriger leistbar seien aber solche Verlegungen.
Beim aktuellen Fall in Markdorf sei ein Konflikt aus Gründen der Herkunft aber nicht absehbar gewesen. Die auf dem Aldi-Parkplatz in Streit geratenen Gruppen hätten in unterschiedlichen Unterkünften gewohnt.