Für die Kommunen endete der Flüchtlingsgipfel am 10. Mai salopp gesagt wie das berühmte Hornberger Schießen: Viel Getöse im Vorfeld, das Ergebnis danach mau. Zwar sollen die Gemeinden zwischen Flensburg und Friedrichshafen insgesamt nochmals eine Milliarde Euro mehr bekommen, doch zielgerichtete Hilfen und rasche Gelder sind nicht in Aussicht. Und auch was eine Gemeinde von der zusätzlichen Milliarde tatsächlich zu sehen bekommen wird, steht noch in den Sternen.
Ernüchterung in den Rathäusern
Im Markdorfer Rathaus hatte man sich bereits vor dem 10. Mai keinen großen Illusionen hingegeben. „Von dem Gipfel verspreche ich mir nicht viel, denn es wird offenbar nicht erkannt, unter welch großem Druck die Kommunen sind“, hatte Bürgermeister Georg Riedmann im Gespräch mit dem SÜDKURIER gesagt. Vier Wochen darauf hört es sich nicht anders an. „Eine konkrete Aussage über die Auswirkungen auf den kommunalen Haushalt ist derzeit noch nicht absehbar. Sie dürften aber eher minimal bzw. kaum spürbar sein“, sagt Riedmann heute.

Dabei wäre die Stadt dringend auf die politisch schon seit langem versprochenen Gelder aus Berlin und Stuttgart angewiesen. Denn bislang schießt die Stadt aus dem eigenen Haushalt „jährlich einen schwankenden Betrag zwischen 120.000 und 170.000 Euro“ für die Flüchtlingshilfe zu, sagt Kämmerer Michael Lissner. Der größte Teil der Summe fließt in die personelle Betreuung durch Sozialarbeit und in die Verwaltung. „Fördermittel, am besten in Form von pauschalen Leistungen über den Finanzausgleich, wären wichtig und eine echte Unterstützung der anfallenden Anstrengungen“, ergänzt Lissner.

Und auch von anderer Seite droht finanzielles Ungemach: Bislang konnten die Unterkunftskosten noch durch die Erstattungen gedeckt werden. Doch das, so befürchtet man in der Kämmerei, könnte sich wegen der steigenden Energiekosten bald schon ändern. Ohnehin wird sich die Frage der Unterbringung zuspitzen. Denn aktuell steigt die Zahl der Geflüchteten, die in Markdorf ankommen, wieder an. Während aus der Ukraine immer weniger Menschen ankommen, nimmt die Zahl der Geflüchteten aus anderen Staaten hingegen zu – dies ist jedoch kein Markdorfer Phänomen, sondern allgemeiner Trend.
Aktuell, mit Stand Ende März, leben knapp 250 Geflüchtete in Anschlussunterbringungen oder Privatwohnungen in Markdorf, etwas mehr als ein Drittel sind ukrainische Kriegsflüchtlinge: Die städtische Statistik vermeldet 89 Geflüchtete aus der Ukraine plus 158 Geflüchtete aus anderen Staaten. Im vergangenen Jahr lebten in der Spitze allerdings noch rund 300 Geflüchtete in kommunaler Obhut in Markdorf. Hinzu kommen weitere rund 70 Geflüchtete in den Unterkünften des Landkreises.

Die Frage des Wohnraums
Seit Putins Armee die Ukraine überfallen hat, mietet die Stadt buchstäblich jeden Wohnraum an, den sie bekommt. Dass gerade in Markdorf viele Bürger Ukrainer privat bei sich aufgenommen hatten, entlastete die Lage für das Rathaus. Doch Wohnraum ist knapp, die Möglichkeiten für die Stadt sind begrenzt. Sollte der Unterbringungsbedarf weiter erheblich zunehmen, werde man mit solchen dezentralen Lösungen kaum mehr genügend Wohnraum schaffen können, so Hauptamtsleiterin Regina Holzhofer: „Hier stellt sich dann die Frage, ob, ähnlich wie in anderen Gemeinden, dann auch die Anschlussunterbringung in größeren Einheiten erfolgen muss“, sagt sie.
Was solche größeren Einheiten in Markdorf sein könnten, bleibt offen. Ein Blick in Nachbarstädte zeigt die Optionen auf: Stadthallen, Turnhallen, leerstehende Gewerbegebäude. In der Kämmerei bereitet man sich auf derlei Szenarien vor. Eventuell könne es auch nötig werden, im Haushalt Gelder für den Neubau von Anschlussunterbringungen einzustellen, sagt Lissner. Die müssten dann natürlich auch zeitnah gebaut werden. Auf eine rasche Hilfe der Politik hegt man in den Rathäusern jedenfalls wenig Hoffnung. Man habe den Eindruck, so teilt die Stadtverwaltung mit, dass „der dringende Appell aus der kommunalen Familie scheinbar noch immer nicht richtig angekommen ist“.