Frustration macht sich bei den Markdorfer Unternehmern breit, nachdem Bund und Länder den Lockdown verlängert haben. Vonseiten der Politik wird zwar immer wieder betont, dass es reichlich staatliche Hilfen gebe, doch wie sieht das in der Realität aus? Bürokratische Hürden bei den Anträgen und eine unklare Informationslage beim Umgang der Hilfen machen es vielen Unternehmern nicht leicht.

Tanzfabrik Bodensee: Die Rücklagen sind aufgebraucht

Die Hinweise zur Einhaltung der Abstands- und Hygienerichtlinien haben der Tanzfabrik Bodensee nichts genutzt. Der Betrieb wurde vorerst ...
Die Hinweise zur Einhaltung der Abstands- und Hygienerichtlinien haben der Tanzfabrik Bodensee nichts genutzt. Der Betrieb wurde vorerst eingestellt. | Bild: Jan Manuel Heß

Steffen Hartwig, Inhaber der Tanzfabrik Bodensee in Markdorf, ist von der derzeitigen Situation sehr frustriert: „Oft hieß es in den Medien, betroffenen Unternehmen wird unbürokratisch mit 75 Prozent geholfen. Versprochen wurden unbürokratische Hilfen für von der Schließung betroffene Einrichtungen.“

Die Realität sehe allerdings anders aus, so Hartwig. „Nur auf die Fixkosten werden Hilfen angeboten von bis zu 90 Prozent. Mehr als zehn Prozent muss man also immer noch selbst tragen, zu zahlen von null Einnahmen.“ Und nachdem die Rücklagen aufgebraucht sind, wisse er nicht, wie man sich einen Unternehmerlohn zahlen könne. „Was bleibt einem, Harz IV-Kandidat werden? Das ist Insolvenz in Raten“, empört sich Hartwig.

Steffen Hartwig, Inhaber der Tanzfabrik Bodensee, rechnet in 2021 mit einer Insolvenzwelle und Geschäftsaufgaben, die auch Markdorf hart ...
Steffen Hartwig, Inhaber der Tanzfabrik Bodensee, rechnet in 2021 mit einer Insolvenzwelle und Geschäftsaufgaben, die auch Markdorf hart treffen werden. | Bild: Tanzfabrik Bodensee
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Steffen Hartwig rechnet mit einer Insolvenzwelle in 2021

Bereits im Frühjahr und im Dezember habe Steffen Hartwig Kontakt mit seinem Verpächter aufgenommen, man wollte wissen, ob dieser der Tanzschule in irgendeiner Form entgegenkommen könnte, bislang konnte man sich nicht einigen. Die wirtschaftlich wirklich harten Zeiten stehen nach Hartwigs Ansicht noch bevor.

„Das schlimmste Jahr, das habe ich bereits Mitte 2020 gesagt, wird das Jahr 2021. Eine Insolvenzwelle und Geschäftsaufgaben wird auch Markdorf hart treffen.“
Steffen Hartwig, Inhaber Tanzfabrik Bodensee

Dabei hat Steffen Hartwig noch das Glück, dass er neben seiner Funktion als Inhaber der Tanzfabrik Bodensee einem weiteren Beruf nachgeht, der das wirtschaftliche Überleben der Familie absichert. „Es gibt nicht wenige Inhaber von Tanzschulen, deren Überleben nur eine Frage der Zeit ist. Mir stellt sich aktuell nur eine Frage, wie lange wir unwirtschaftlich überleben wollen und wann man einfach aufhören sollte“, findet Hartwig klare Worte.

Wirt Michael von Schmidsfeld: Keine Einnahmen, kein Verdienst

Die Mojo-Bar in Markdorf ist wie alle anderen Gastronomiebetriebe ohne Speisenangebot komplett geschlossen und generiert somit null Umsatz. Wirtschaftlich läuft es bei Betreiber Michael von Schmidsfeld derzeit null auf null raus, wie er berichtet. „Ich fahre zwar keine Verluste ein, aber verdienen tue ich halt auch nichts. Das macht zurzeit einzig meine Frau, dafür bin ich ihr dankbar.“

Mojo-Wirt Michael von Schmidsfeld hat einen Kleinkredit aufgenommen, um seine Fixkosten decken zu können.
Mojo-Wirt Michael von Schmidsfeld hat einen Kleinkredit aufgenommen, um seine Fixkosten decken zu können. | Bild: Grupp, Helmar

Um seine Fixkosten decken zu können, musste er einen Kleinkredit aufnehmen, da die bewilligten Hilfen bis zum jetzigen Zeitpunkt nur teilweise in Form von Abschlagszahlungen ausgezahlt wurden. „Gegenüber dem ersten Lockdown sind die Formalitäten schlechter geworden. Ich kann von Glück sagen, dass ich einen so guten Steuerberater habe, ohne ihn wäre ich völlig aufgeschmissen gewesen“, so von Schmidsfeld.

Der Eingangsbereich der Mojo-Bar bleibt weiterhin verwaist.
Der Eingangsbereich der Mojo-Bar bleibt weiterhin verwaist. | Bild: Jan Manuel Heß
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Gastronom rechnet nicht mit einer Verbesserung der Situation vor Ostern

Die Stadt Markdorf komme Michael von Schmidsfeld als Verpächter zwar entgegen, was den Zahlungszeitpunkt der Pacht angehe, doch nutzt das dem Gastronom nichts. Die staatlichen Hilfen beziehen sich auf die monatlichen Fixkosten, zu denen die Pacht gehört. „Ich kann die Pacht nicht aufschieben, weil sich dann die Hilfen entsprechend reduzieren.“ Mit einer Besserung der Situation rechnet er nicht vor Ostern.

„Bis dahin mache ich mir nichts vor.“
Michael von Schmidsfeld, Wirt

Und wenn es soweit sein sollte und ein Betrieb wieder möglich sein sollte, wartet die nächste wirtschaftliche Hürde. „Ich werde eine Menge Getränke wegschmeißen müssen, da sie abgelaufen oder abgestanden sind. Diese wieder neu einzukaufen, bringt erstmal erneut Kosten mit sich“, so von Schmidsfeld.

Einzelhändler Nico Schneider: Keine Planung über den März hinaus

Das geschlossene Männermode-Geschäft von Nico Schneider im Proma Einkaufszentrum.
Das geschlossene Männermode-Geschäft von Nico Schneider im Proma Einkaufszentrum. | Bild: Jan Manuel Heß

Nico Schneider, Inhaber eines Herrenmodegeschäfts, erhält als Einzelhändler keine umfänglichen Hilfen wie etwa die Gastronomie, sondern lediglich einen Kostenzuschuss. Und diesen auch nur, wenn der Monatsumsatz eine gewisse Höhe nicht erreicht hat. „Für die Überbrückungshilfen I und II waren unsere Umsätze zu gut, für Dezember muss ich jetzt den Zuschuss beantragen. Mal schauen, was für mich dabei herauskommt“, so Nico Schneider. Nach derzeitigem Stand vermag er nicht weiter als bis März planen, was aber seiner Ansicht nach nicht Sinn der Sache sein könne.

„Ich will unter Einhaltung der Abstands- und Hygienerichtlinien mein Geschäft wieder öffnen dürfen.“
Nico Schneider, Einzelhändler

Was seine Branche betrifft, sind seine Aussichten sehr pessimistisch. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis Ende Januar 2021 für Unternehmen, bei denen die Auszahlung, der seit dem 1. November 2020 vorgesehenen staatlichen Hilfeleistungen noch aussteht, verzerre laut Schneider die aktuelle Lage. Sobald diese Aussetzung ende, werde es unschöne Überraschungen geben, prognostiziert Schneider.

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