Frustration und ein lähmendes Gefühl von schierer Machtlosigkeit war alles, was die gut eineinhalb Stunden Diskussion während der ersten Ortschaftsratssitzung nach drei Monaten zu einer geplanten Mehrfamilienwohnanlage, mitten im Ortskern des Markdorfer Ortsteils, bei den Ittendorfer Ortschaftsräten hinterließen. Doch worum geht es? Ein Vorhabenträger plant, auf einem Gelände in der Kirchstraße die bestehenden Hofgebäude abzureißen und an deren Stelle drei Gebäude – zweigeschossig plus Satteldach – mit insgesamt 16 Wohneinheiten, einer Tiefgarage mit 20 Stellplätzen sowie vier oberirdischen Stellplätze und einem Spielplatz zu errichten.
Grundsätzliche Kritik an der Beteiligung
Es sei eine deutliche Verdichtung des Wohnraums zu erwarten, die einen erheblichen Einfluss auf den Ortskern haben werde, fasste Ortsvorsteher Bernhard Grafmüller (Umweltgruppe) die Situation zusammen. Die große Anzahl an Ittendorfern, die trotz Corona-Pandemie und der damit verbundenen Schutzmaßnahmen an der Sitzung im Bürgerhaus teilnahm, verdeutlichten die besorgte Stimmungslage im Ort. Im Kern ging es dabei um zwei Punkte, an denen sich die Ortschaftsräte aller drei Fraktionen unisono stießen: Zum einen die zu erwartende Parkplatzsituation, da davon auszugehen sei, dass die 24 vorgesehenen Parkplätze nicht ausreichen werden und zudem bei der Planung Besucherparkplätze völlig außer Acht gelassen wurden. Hier sehe man großes Konfliktpotenzial in der schmalen Kirchstraße. Der zweite Punkt ist von grundsätzlicher Natur: Wie können die Bürger bei der Gestaltung ihres Ortsbilds mitentscheiden oder sind sie dazu verurteilt, ohnmächtig das über sich ergehen zu lassen, was in Markdorf der Technische Ausschuss und das Baurechtsamt aufgrund der Gesetzeslage beschließen? Ursula Hutter-Koenen (CDU) meinte entsprechend: „Wir sollten das Dorf gestalten können, nicht die Bauträger.“

Verwaltung hat den Antrag befürwortet
Grund für die Frustration ist in diesem Fall das Baugesetz, das zwar Gebäudehöhen, Geschossanzahl, Parkplätze, Dachform und -neigung und den Prozentsatz der zu bebauenden Fläche regelt, jedoch keinen Einfluss auf die Anzahl der Wohneinheiten nehmen kann. Denn für den Ortskern gibt es keinen Bebauungsplan, der das regeln könnte. Daher kommt hier Paragraf 34 Baugesetzbuch zum Tragen und der sieht vor, dass sich, einfach ausgedrückt, eine Bebauung an der Umgebungsbebauung orientieren muss. Und da dies der Vorhabenträger recht penibel getan hat und zudem auf die üblichen maximalen Ausreizungen des gesetzlich zulässigen verzichtete, war die Sache vonseiten des prüfenden Baurechtsamts sehr eindeutig und entsprechend hatte die Verwaltung den Antrag zu befürworten.

Mehrheit fordert eine Veränderungssperre
Um ein klares politisches Zeichen zu setzen, empfahlen die Ortschaftsräte mit ihrem Beschluss einstimmig dem Technischen Ausschuss, den Antrag abzulehnen und überdies wurde auf Antrag von Thomas Braun (FW), bei zwei Gegenstimmen, beschlossen, den Technischen Ausschuss aufzufordern, eine Veränderungssperre für das Grundstück zu beschließen, damit in den kommenden zwei Jahren ein Bebauungsplan für den Ortskern beschlossen werden könne. Braun betonte dazu: „Wir wollen nichts verhindern, wir wollen zur Optimierung beitragen.“ Raffaela Tress vom Stadtbauamt machte den Räten indes deutlich, dass ein künftiger Bebauungsplan dieses Bauvorhaben in seiner Form nicht verhindern, sondern es nur verzögern werde. „Die formalen Bedingungen des Paragraf 34 werden sich so auch in einem Bebauungsplan wieder finden.“

Stimmen aus dem Technischen Ausschuss zum Bauvorhaben
Der Technische Ausschuss des Gemeinderates ist in jüngster Sitzung am Dienstagabend mehrheitlich der Haltung des Ortschaftsrates Ittendorf gefolgt und hat das Bauvorhaben abgelehnt. Obwohl die Stadtverwaltung Zustimmung empfohlen hat, da die rechtlichen Vorgaben nach Paragraf 34 Baugesetzbuch eingehalten seien.
Da die Zeit drängt – es sind Fristen einzuhalten – soll in der Gemeinderatssitzung am 22. Juni über die nächsten Schritte informiert werden. Zu klären ist, ob eine Veränderungssperre Aussicht auf Erfolg hat, um einen Bebauungsplan zu erarbeiten.
In der ausgiebigen Diskussion wurden Argumente Für und Wider das Bauvorhaben dargelegt. Ittendorfs Ortsvorsteher Bernhard Grafmüller berichtete, dass der Ortschaftsrat den Bauantrag ablehnte, da der dörfliche Charakter gefährdet sei. Die Kubatur, die Dimensionen des Vorhabens seien zu mächtig, die geplante Bebauung zu dicht. Es werde Probleme in Sachen Verkehr und Stellplätze geben. Christiane Oßwald (UWG) erklärte, sie habe sich die Situation vor Ort angesehen. „Das Vorhaben fügt sich meiner Meinung nach überhaupt nicht ein.“ Jörg Bailer (UWG) sagte, „der dörfliche Charakter ist ganz klar gefährdet, wir wollen eine Bebauung, die dem Dorfcharakter entspricht“. Der Ortschaftsrat sei zu keiner Zeit eingebunden worden. Bürgermeister Georg Riedmann entgegnete, diese Erwartungshaltung müsse er leider zurückweisen: „Ein Bauherr muss die Gremien nicht vorher einbinden.“ Uwe Achilles (SPD) befand, es sei nicht leicht, sich eine Meinung zu bilden, da in der Präsentation nicht gezeigt werde, wie hoch und groß die Gebäude in der Umgebung sind. Angesichts der Rechtslage seien wohl lediglich noch Änderungen in Nuancen machbar. Kerstin Mock (CDU) sprach sich dafür aus, erneut den Bauherrn zu kontaktieren, in der Hoffnung, die Dimensionen des Vorhabens doch noch verringern zu können. Man müsse sich generell für alle Stadtteile Gedanken über die Dorfentwicklung machen.
In der Diskussion wurde darauf verwiesen, dass es juristisch problematisch werden kann, Stichwort Verhinderungsbeschluss. Der Bürgermeister erklärte, es werde bei Ablehnung ein Aufforderungsschreiben des Baurechtsamtes zur Zustimmung geben. Und sinngemäß sagte er, dass das Baurechtsamt ersatzweise das Einvernehmen für das Bauvorhaben erteilen kann. (gan)