Neuigkeiten können viel verändern. Das zeigte die „I mein‘ halt“-Runde am Donnerstagabend im Zunfthaus Obertor. Als Umweltgruppe-Stadtrat Peter Blezinger, einer der sechs sich den Bürgerfragen stellenden Kandidaten für die Gemeinderatswahl am 9. Juni, das riesige Loch im Markdorfer Haushalt ansprach, von dem Stadtkämmerer Michael Lissner am Vorabend dem Gemeinderat berichtet hatte. Auf 2,5 Millionen addiert sich das fürs laufende Jahr zu erwartende Minus an Gewerbesteuereinnahmen, mit dem die städtische Finanzverwaltung seit Neuestem kalkulieren muss.
Im städtischen Haushalt klafft plötzlich ein riesiges Loch
Die genaueren Ursachen für diese Lücke erklärte dann Dietmar Bitzenhofer, der für die Freien Wähler sprach. Zum einen müsse die Stadt einem Markdorfer Unternehmen 600.000 Euro zurückzuzahlen. Diesen Betrag habe das Finanzamt im Jahr 2012 zu viel eingefordert, so das Ergebnis eines langen Rechtsstreits. „Und wir dürfen das nun verzinsen, obwohl die Schuld ja wohl beim Finanzamt liegt“, erklärte Bitzenhofer. Hinzu kommen dann noch weitere 1,9 Millionen, die der Stadt im laufenden Jahr fehlen, weil das Finanzamt einem anderen Markdorfer Unternehmen, einer Konzerntochter, seine Gewerbesteuervorauszahlung auf Null herabgesetzt habe.

Mit dieser Nachricht mussten die „Ideen, die Vorschläge und die Visionen“, die sich Moderator Ernst Arnegger von seinen Podiumsgästen, den Vertretern von Umweltgruppe, CDU, Freien Wählern, SPD, FDP und Grünen gewünscht hatte, auf ein Minimum, auf eine Mangelverwaltung zusammenschnurren. Als Hochschulrektor, so erklärte CDU-Kandidat Herbert Dreher, Professor für Maschinenbau an der Dualen Hochschule Ravensburg (DHBW), habe er „einige Erfahrung mit Haushaltsstopps“. Eben dieses Wissen, aber auch seine Management-Kompetenz als langjähriger Geschäftsbereichsleiter eines Automobilzulieferkonzerns, möchte Dreher in die Stadtpolitik einbringen.

Alles kommt auf den Prüfstand
Es war dann Patricia Andriessens, Hausärztin und Ehefrau des Grünen-Kandidaten Christoph Andriessens, die von allen sechs Kandidaten am Podium wissen wollte, „wie sie damit umgehen, wenn kein Geld in der Stadtkasse ist“. Auch hier berichtete Bitzenhofer aus dem Gemeinderat. Man sei sich dort einig, dass mit dem Bau einer dritten Grundschule in Markdorf derzeit noch nicht begonnen werden könne. „Alle Ausgaben kommen auf den Prüfstand“, erklärte Uwe Achilles.
Der SPD-Stadtrat betonte, dass Kindergärten und Grundschulen zu den städtischen Pflichtaufgaben gehören. „Und wir als SPD setzen uns für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit ein.“ Im Übrigen, so Achilles‘ Blick auf die aktuelle Finanzlage, „sind wir noch nicht am Ende“. In den vergangenen Jahren habe die Stadt rund 60 Millionen Euro für Kindergärten, Schulen und Infrastruktur investiert – ohne dafür Kredite aufnehmen zu müssen. Und bereits 2025 und 2026 sei wegen höherer Zuweisungen des Landes aufgrund der Gewerbesteuereinbrüche mit einem gewissen Ausgleich für die diesjährigen Verluste zu rechnen.

Wie die Jugend an Markdorf binden?
Den Blick auf Jugend lenkte Susanne Schwaderer, CDU-Kandidatin im Publikum. Welchen Gestaltungsspielraum man sehe, um Jugendliche stärker an die Stadt zu binden, damit sie nach der Schule nicht wegzögen, fragte sie: „Auch dort könnte der Gemeinderat doch Weichen stellen.“ Ihr antwortete Lena Haas, 21-jährige FDP-Kandidatin im Publikum. „Viele von uns gehen ja weg von Markdorf, um zu studieren, aber viele kommen dann auch wieder, weil sie unfassbar gerne in Markdorf wohnen.“ Zum Beispiel, wenn sie eine Familie gründen würden. Zunächst einmal aber, nach der Schule, sei „die Konkurrenz der großen Städte einfach zu groß“.

Wohnen, das bezahlbar ist
Die Wohnungsfrage hatte zuvor Klaus Feldmaier aus dem Publikum angesprochen. Als Reaktion auf den von Grünen-Kandidat Jonas Alber geäußerten Vorschlag, mehr Gewicht auf sozial verträglichen Wohnbau zu legen. Feldmaier verwies auf die allgemeine Bauzurückhaltung der Wohnungsgesellschaften aufgrund schwindender Renditeaussichten.
Dem hielt Bitzenhofer das Modell funktionierender Wohnbaugesellschaften in kommunaler Hand, aber auch die Möglichkeit, Investoren in gewissem Rahmen an Sozialklauseln zu binden, entgegen. UWG-Kandidat Frieder Staerke schlug Tauschkonzepte vor, damit der vorhandene Wohnraum besser genutzt werde. So etwa im Falle älterer Bürger, die alleine in großen Häusern lebten, die besser geeignet für junge Familien seien. Ein Vorschlag, der „bei der liberalen Mitte Markdorfs“, keinen Anklang finde, weil er die Menschen bevormunde, so Rolf Haas. Uwe Achilles verwies auf das Baugebiet Klosteröschle, wo die Stadt auf soziale Ausgewogenheit achten wolle.
Ihre Erwartung, bei der Gesprächsrunde einen persönlichen Eindruck von den Kandidaten zu bekommen, habe sich erfüllt, sagte Besucherin Irmgard Teske nach der Veranstaltung. Und Dieter Boucek aus dem Publikum freute sich, „doch einige zusätzliche Informationen mit nach Hause nehmen zu können“.
Sofort informiert über die Kommunalwahl: Mit der SÜDKURIER Online-App verpassen Sie keine Berichte zur Kommunalwahl. Außerdem informieren wir Sie per Push-Nachricht auf Ihrem Smartphone über die Wahlergebnisse Ihrer Gemeinde. Um Push-Nachrichten zu empfangen, melden Sie sich einfach in der App an, wählen Ihren Heimatort und aktivieren in Ihren Profileinstellungen das Empfangen von Push-Nachrichten für Ihren Heimatort. Jetzt herunterladen!