„Sie dürfen mich ruhig duzen“, sagt Muhammad Younus Alipour wenige Sekunden nach der Begrüßung. Er jedoch würde lieber beim Sie bleiben. „Das macht es mir einfacher“, erklärt der 26-jährige Afghane. Denn in der zweiten Person Mehrzahl sei das Beugen der Verben weniger kompliziert als in der zweiten Person Einzahl. Fremdsein beginnt schon mit der Sprache. Und das ist der Grund, weshalb Muhammad Younus Alipour so eifrig Deutsch lernt. Doch wer mit ihm spricht, dem fällt schwer zu glauben, dass der 26-Jährige erst seit einem Jahr in Deutschland lebt. So gut beherrscht der studierte Bauingenieur inzwischen die deutsche Sprache. „Damit ich hier arbeiten kann, muss ich erst Deutsch lernen.“ Was er denn auch intensiv tut. Er besucht Sprachkurse, erfolgreich, mit Zertifikat. Zusätzlich vertieft er das Gelernte in seiner Freizeit.
Schwierige Wohnungssuche
Das Ankunftsdatum hat Muhammad Younus Alipour im Kopf. Und auf den Tag genau kann er sagen, wie lang er schon in Deutschland ist. Wann die Flucht seiner Familie zu Ende war, wie lange die Alipours in der Salemer Flüchtlingsunterkunft untergebracht waren – und seit wann er und seine sechs Geschwister sich gemeinsam mit den Eltern eine Wohnung in Markdorf teilen. „Es ist ein bisschen eng dort“, erklärt Alipour. Eine eigene Wohnung für sich und eine seiner Schwestern sucht er schon länger. Ein schwieriges Unterfangen in Markdorf. Aufgeben komme aber nicht in Frage.
Solche Beharrlichkeit zeigt Muhammad Younus Alipour auch bei der Arbeitssuche. Das komplizierte Anerkennungsverfahren für sein Hochschulexamen an der Universität Kabul hat der Bauingenieur erfolgreich durchlaufen. Nun bereitet er ganz systematisch seine Berufskarriere vor. Die Zusage für ein Praktikum in einer Baufirma habe er schon.
„Ich telefoniere jeden Tag mit meiner Mutter in Afghanistan.“ Hier in Deutschland lebe sein Vater mit seiner Zweitfrau. Männern räumt der Islam die Mehrehe ein. Muhammad Younus Alipour hat auch noch weitere Geschwister in Afghanistan. Doch weil die bereits erwachsen sind und auch eigene Familien haben, durften die nicht mit, als sein Vater und dessen engere Familie nach Deutschland einreisen durfte. „Mein Vater hat in Afghanistan für Nicht-Regierungsorganisationen gearbeitet.“ Er zählte deshalb zum Ortskräfte-Kontingent der Bundesregierung. „Wir hatten Glück“, erklärt Muhammad Younus Alipour.
Von Deutschland ist er begeistert. „Hier gefällt mir einfach alles“, sagt er. Und in Markdorf fühle er sich richtig zu Hause. In der Fahrrad-Reparaturwerkstatt des Mehrgenerationenhauses bringt er sich als Ehrenamtlicher ein. „Das macht Spaß, und ich lerne dort außerdem noch mehr Deutsch.“