Vanessa Mai kennt es, erfolgreich zu sein, kennt aber auch die Tiefen der Branchen. Wir haben im Vorfeld ihres Gastspiels am 14. Juni in Markdorf mit der 33-Jährigen über das Konzert, den Bodensee, ihre Musik und ihre schwierigste und schmerzhafteste Zeit ihrer Karriere gesprochen.
Frau Mai, Sie kommen am 14. Juni zum Markdorf Open Air. Wie gut kennen Sie die Region?
Ich bin immer sehr gerne dort, vor allem weil es südlicher von Backnang ist – und das ist für mich dann immer ein bisschen wie Urlaub. Landschaftlich ist es vor allem sehr schön.
Und was erwartet die Besucher?
Vor allem viele Überraschungen (lacht). Ich komme mit meiner ganzen Band und es wird natürlich die bekannten Lieder geben, aber eben auch einiges Neues. Es wird definitiv vielseitig.
Sie sprechen Ihre Heimat Backnang an. Sie sind ja unglaublich heimatverbunden, dort geboren und aufgewachsen und leben bis heute dort. Hat es Sie als Künstlerin nie nach Stuttgart, Hamburg oder Berlin gezogen?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin und bleibe ein Dorfkind. Ich habe dort meine Familie, meine Freunde, habe dort meinen Mann kennengelernt. Für uns ist es immer wie heimkommen, wenn wir dort sind.
Am Tag des Konzertes beginnt ja die Fußball-EM. Sind Sie fußballbegeistert?
Natürlich. Vor allem, wenn es um eine EM oder WM geht.
Werden Sie dann beim Public Viewing nach Ihrem Konzert das Spiel mit Ihren Fans anschauen?
Das wäre natürlich der Hammer. Ich weiß aber nicht, ob das zeitlich passt, weil ich am nächsten Tag bereits in Fulda schon wieder auf der Bühne stehen werde.
Stimmt es, dass Sie mit sechs Jahren zum ersten Mal auf der Bühne standen und mit einem Tamburin ihren Vater begleitet haben?
Das stimmt. Und das nicht nur einmal. Teilweise war ich sogar unter der Woche mit dabei. Während andere gespielt haben, bin ich schon auf der Bühne gestanden.
War das mit der Bühne Liebe auf den ersten Schritt?
Ja, schon! Es ist zwar ein kitschiger Spruch, aber bei mir stimmt es definitiv, dass mir das in die Wiege gelegt wurde. Für mich gab es nie eine andere Welt, es kam nichts anderes in Frage, auch wenn ich eine Ausbildung als Mediengestalterin gemacht habe.

Auf dem Weg zur Sängerin haben Sie alles gegeben. Stimmt es, dass Sie wirklich auch Briefe an den lieben Gott geschrieben, dass Sie Sängerin werden wollten?
Auf jeden Fall (lacht) – und das sogar immer wieder. Ich habe jeden Tag mindestens einen Brief geschrieben, bis ich 15 oder 16 war.
Dann sind Sie heute sicherlich gläubig, da er Sie ganz offensichtlich erhört hat?
Ja, ich glaube tatsächlich und bete auch jeden Abend. Allerdings ist es mehr die Dankbarkeit, die ich zum Ausdruck bringe. Ich bin extrem dankbar für das, was ich heute habe und wie ich leben darf.
Als Idole geben Sie immer wieder Christina Aguilera und Britney Spears an, von denen Sie auch Poster im Kinderzimmer hängen hatten. Was haben Sie von diesen beiden gelernt?
Christina war schon immer eine extrem selbstbewusste Frau – auch körperlich. Sie hat immer das gemacht und angezogen, was sie wollte. Dieses Selbstbewusstsein habe ich sicherlich auch von ihr, auch was das Körperliche angeht. Bei Britney war es mehr der Tanz- und Showbereich, der mich fasziniert hat. Ich habe als Kind unglaublich viele Konzerte angeschaut und nachgetanzt.
Sie haben ab 2015 einen regelrechten Senkrechtstart hingelegt. Und dann kam 2018 der Unfall bei einer Probe vor dem Konzert in Rostock auf der Regenbogen-Tour, bei dem Sie sich den Rücken schwer verletzt haben. Kann man den als Wendepunkt in Ihrer Karriere bezeichnen?
In meiner Karriere Gott sei dank nicht, aber in meiner Wahrnehmung auf jeden Fall. Ich war davor sicherlich unbedarft und bin über meine körperlichen Grenzen gegangen. Heute weiß ich, dass es nicht selbstverständlich ist, auf zwei Beinen laufen zu können. Es war eine harte Zeit, die ich heute aber keinesfalls negativ sehe, im Gegenteil sogar!
Wie halten Sie sich fit?
Aktuell, wenn ich auf Tour bin, dann mache ich schon etwas für die Ausdauer, aber es gibt auch Zeiten, da mache ich monatelang nichts. Durch unseren Hund habe ich natürlich automatisch mehr Bewegung, aber so richtig regelmäßig trainiere ich eigentlich nicht. Das gilt übrigens auch fürs Essen. Ich lasse mir die Pizza und die Lasagne nicht verbieten (lacht)
Sie haben zu Ihren Fans eine ganz besondere Beziehung. Sie bringen manchmal sogar an Weihnachten höchstpersönlich Geschenke vorbei. Wie wichtig sind Ihnen solche Aktionen und die Beziehung zu den Anhängern?
Die sind ganz wichtig. Schließlich sind sie es, warum ich das Ganze machen kann und darf. Die Fans geben Dir auf der Bühne so viel, sie tragen Dich, fühlen mit, motivieren dich und bauen dich auch auf, wenn es mal nicht so läuft. Für mich ist es der größte Respekt und Wertschätzung der Fans, wenn sie auf meine Konzerte kommen und mir applaudieren. Mehr geht eigentlich kaum. Da kann man dann auch ein bisschen zurückgeben.
Mit 30 Jahren haben Sie mit „I do it Mai way“ 2022 Ihr erstes Buch veröffentlicht, in dem Sie von Ihren Erlebnissen Ihrer bisherigen Karriere schreiben. Warum schon so früh?
Weil ich einfach viel zu erzählen hatte (lacht). Ernsthaft, es hat sich einfach angeboten. Ich wollte einfach erzählen, was alles passiert ist – und ich habe nichts ausgelassen. Es war echt etwas Schönes zu schreiben und seine Vergangenheit aufzuarbeiten und einzuordnen. Das kann ich jedem nur empfehlen – es muss ja nicht gleich ein Buch sein.
In Ihrem Buch schreiben Sie unter anderem über die Machenschaften hinter den Kulissen im Schlager-Business. Ein Satz hat mich dabei echt beeindruckt: „Ich war bereit, alles zu verlieren, um das zu bekommen, was ich heute habe: Freiheit“. Was steckt hinter dem Satz?
Unabhängigkeit. Das ist übrigens mein und unser größter Erfolg. Wir können jeden Tag das machen, was wir wollen. Wir können das machen, ohne jemanden fragen und funktionieren zu müssen oder Regeln zu beachten. Als ich mich dazu entschieden hatte, hätte einfach alles passieren können – auch dass ich von der Bildfläche verschwinde.
2016 waren Sie in der Jury von „Deutschland sucht den Superstar“. Hierzu sagten Sie: „Ich bin als junges Mädchen zu DSDS rein und als Künstlerin raus.“ Wie meinen Sie das?
Es waren zwar nur fünf oder sechs Monate, aber ich war 20 Jahre, ein Underdog und es war der Start als Vanessa Mai. Ich bin ins kalte Wasser gesprungen und habe schwimmen gelernt. Es war nicht einfach, ich saß während der Zeit auch heulend auf der Toilette, aber in der Zeit neben Showgrößen wie Dieter Bohlen habe ich mich in kürzester Zeit persönlich und künstlerisch extrem entwickelt.
Vanessa Mai ist bis heute ein Tausendsassa. Neben dem Singen waren Sie schon in der DSDS-Jury, wurden Zweite bei „Let‘s Dance“, haben das Duell „Schlag den Star“ gewonnen und und und. Was oder in welchem Format würden Sie noch gerne mitmachen?
Das ist eine gute Frage. Ich halte es aber so, wie ich es bislang auch gehalten habe: Es kommt, wie es kommt. Ich mache mir dazu sehr wenig Gedanken und meistens das, auf was ich gerade Lust habe. Wenn das dann irgendein TV-Format sein wird, dann ist es das.
Wie ist es eigentlich, vom eigenen Ehemann gemanagt zu werden?
Für mich ist es absolut super. Wir ergänzen uns perfekt und sind ein super Team. Es ist allerdings nicht für jeden etwas. Wir leben jedenfalls unseren Traum.
Die Fragen stellte: Reiner Jäckle