Markdorf, insbesondere die Innenstadt, steht am Scheideweg. Das sagt Dietmar Bitzenhofer. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Gemeinderat beobachtet, „dass das Umland aufholt – während die Attraktivität Markdorfs schwindet“.
War noch vor wenigen Jahren der Einzelhandel Frequenzbringer Nummer eins, so sei das heute durchaus zu hinterfragen. Mittlerweile brauche der Handel selber Frequenz, er brauche Attraktoren, die die Leute in die Stadt ziehen. „Und da frage ich mich, was haben wir zu bieten?“, sagt Bitzenhofer und schaltet eine rhetorische Pause ein. „Haben wir Kultur? Etwa ein Museum? Haben wir Gastronomie?“

Mit Kultur meint er aber keine Nischenkultur, die bloß Minderheiten anspricht, sondern Angebote, die sich an ein breiteres Publikum wenden. „Kleinstkunst“ am Dienstag- und Samstagvormittag sei gut gemeint, aber wenig zielführend, findet der Freie Wähler.
Wo sind Markdorfs touristische Attraktionen?
Natürlich gibt es Gaststätten, Restaurants und Cafés in Markdorf, räumt er auf Nachfrage hin ein. „Aber schauen Sie sich doch jetzt mal um, jetzt in der Ferienzeit!“, sagt Bitzenhofer. „Zum Teil ist für Wochen geschlossen, mal erst abends geöffnet, oder an zwei Tagen Ruhetag.“
Er habe allergrößtes Verständnis „für die persönlichen Bedürfnisse der Betreiber“. Für die Stadt sei diese Situation jedoch gar nicht gut. „Weil der Restaurantbesuch als zusätzlicher Anreiz beim Einkaufsbummel geschwächt wird, sowohl für Urlauber als auch für Einheimische.“ Ebenso fragt sich Bitzenhofer: „Was kann Markdorf den Touristen bieten?“ Allzu viele touristische Attraktionen besitze die Gehrenbergstadt nicht. „Ich mag Markdorf und lebe und arbeite gerne hier“, bekennt Dietmar Bitzenhofer. Doch wolle er realistisch bleiben.
Leuchtturm Gesundheitszentrum – und sonst?
Auf die Frage, wie denn die Vitalität, die Zugkraft der Innenstadt gestärkt werden könnte, muss er länger überlegen. Ein Beispiel gibt es in der Vergangenheit. Schon vor vielen Jahren sei der Coup gelungen, ein Gesundheitszentrum in der Innenstadt zu positionieren. „Mit diesem Angebot haben wir die Nutzungs- und Angebotsvielfalt erheblich erweitert.“

Bitzenhofer räumt ein, dass das Beleben der Innenstadt kein einfaches Vorhaben ist. Es reiche aber gewiss nicht, die Innenstadt „autofrei“ zu gestalten, einen Stadtbus zu etablieren. „Die Hälfte meiner Kundschaft kommt aus dem Umland, mit nur schwach ausgebautem öffentlichen Personennahverkehrsangebot“, sagt der Geschäftsmann. Und die Diskussion um Parkgebühren betrachtet er als nicht zielführend – im Gegenteil.
Es braucht Konsens
Was es braucht, sei ein Konzept mit dem Ziel, die Innenstadt als Erlebnisort, als Raum der Begegnung zu inszenieren. Erarbeitet im Konsens und im Einvernehmen und in Kooperation von Immobilienbesitzern, Geschäftsinhabern, Gastronomen, Freiberuflern, Kultur- und Freizeitanbietern, Bewohnern und der Verwaltung. Und selbstverständlich brauche es jemanden, der die Fäden zusammenführt, jemanden, der gut vernetzt ist, in der Stadt und nach draußen.
Ganz wichtig dabei sei, „die Dinge auch mal anders zu denken“, fordert Bitzenhofer. Warum nicht auch die Jugend ins Boot holen? Statt in die Außenbereiche abzudrängen, statt immer nur an Lärm und Unruhe zu denken, möge man den Jugendlichen doch mal öffentliche Flächen in der Innenstadt anbieten. Damit sie dort klettern oder spielen können. „Selbstverständlich unter Einhalt von Regeln“, betont Bitzenhofer.

Es sei auch nicht sträflich, nachzuschauen, was andere Städte zur Innenstadtbelebung unternehmen. Nur müsse das bald geschehen. Die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns und dem Trend zum Online-Handel lasse nicht viel Zeit. „Von bloßem Abkupfern halte ich aber nicht viel.“
Gleichwohl müsse niemand das Rad neu erfinden, warnt er vor dem Abdriften der Diskussion ins Klein-Klein. „Ob eine Stadtmöblierung braun oder bunt, aus Holz oder Stahl, ob sie hier so, dort anders oder überall gleich aussehen soll, das gilt es zum Schluss und nicht am Anfang zu klären. Wichtig ist, dass es Besucher gibt, die darauf sitzen!“
Die vier „Überraschungseier“
Positiv helfen könnten bei der Entwicklung der Innenstadt die vier Unwägbarkeiten oder „Überraschungseier“ der nächsten zwei, drei Jahre, wie er es nennt. Hierbei nennt er den „Adler“, das Rathaus, das Bischofschloss und die Südumfahrung. Denn diese vier Projekte würden mit großen Unwägbarkeiten konfrontieren. Was beim „Überraschungsei“ Adler erbrütet wird, wird ein Investorenwettbewerb zeigen. Vorerst freut er sich, „dass zumindest im Adler ein Gastronomiebetrieb erstmal gesetzt ist“.
Viel guten Willen seitens der Stadt sieht der Freie-Wähler-Politiker auch beim Thema Bischofschloss wirken. Er setzt auf die Pläne der mit dem historischen Gebäude befassten Arbeitsgemeinschaft. Andererseits kann sich Dietmar Bitzenhofer gut in die Lage eines potenziellen Investors versetzen.
„Wenn ich da 20 Millionen investieren würde“, so stellt er klar, „dann würde ich mir möglichst wenig von anderen hereinreden lassen.“ Ob sich überhaupt ein Investor findet? „Schauen wir mal, es gibt genügend Leute mit Geld“, schmunzelt er. Und im Übrigen meint er: „Wenn es nicht passt, müssen wir ja nicht verkaufen.“
Südumfahrung ist kein Hemmnis für Pflichtaufgaben
Überraschungsei Numero drei ist für ihn die B 33. Sie sei noch nicht fertig. Und es werde genügend Energie darauf verwendet, das Projekt „schlecht zu reden“. Dabei steht aus Bitzenhofers Sicht fest: „Markdorf braucht die Umgehung.“ Viel mehr mag er auch gar nicht mehr zu dem Thema sagen. Außer, dass Markdorf sich ohne die Umfahrung seiner Entwicklungsmöglichkeiten beraube.

Bei einem Fahrzeugaufkommen von 20 000 bis 22 000 Fahrzeugen am Tag „sehe ich ohne Südumfahrung schwarz für eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung“. Sein Rat: Ein einziges Mal auf die Zahlen zu schauen. „Wenn die Südumfahrung die Stadt zehn Millionen kostet, ist das gut angelegtes Geld.“
Er rechnet vor: „Beim Zinssatz von derzeit unter 0,5 Prozent ist bei einer jährlichen Tilgung von 300 000 Euro die Straße in 35 bis 40 Jahren abbezahlt und das sollte uns unsere Stadtentwicklung wert sein.“ Und sollten diese Tilgungsraten künftigen Pflichtaufgaben im Wege stehen, dann würde die Stadt „etwas falsch machen“.

Es fehlen die Konzepte, auch beim Rathaus
Schließlich, und wohl nicht zu guter Letzt: Das Rathaus. „Es ist, wie es ist“, bedauert Bitzenhofer, „aber es war anders vorgesehen“. Nun bleibt die Verwaltung im 60er-Jahre Bau, statt ins Bischofschloss umzuziehen. Wie sich die Kosten entwickeln, gelte es noch abzuwarten. Am Ende aber, soviel sei jetzt schon sicher, fehlen der Verwaltung noch runde 400 Quadratmeter an Arbeitsfläche. Dort – wie insgesamt für die Stadtentwicklung – fehle ein schlüssiges Konzept. Ein einzelner Mosaikstein mache noch kein Gesamtbild.

„Noch wissen wir nicht, wo zum Beispiel das Archiv oder das Bauamt hinkommen.“ Von einem Parkhaus südlich des Rathauses und einem Frequenzbringer dort „können wir vorerst nur träumen“. Passé scheint auch der autofreie Marktplatz. Immerhin, so kommt mit einem Anflug von Zufriedenheit, immerhin scheine die scharfe Trennung von Ost- und Weststadt gemildert, durch den geplanten shared space, die Aufwertung des Fußgängerverkehrs im Bereich Latscheplatz.
Viel Zeit mit Herumdoktern vertan
Doch noch einmal zu den Investoren: „Allein für zwei der vier Überraschungseier braucht es Investoren“, ist sich Bitzenhofer sicher. Ohne Investoren komme die Stadt kaum zurecht. Als Erfolgsmodell führt er den Bahnhof an. „Den hätte die Stadt längst nicht so gut hingekriegt.“

Und dementsprechend gelte es auch, über die Zukunft des betreuten Wohnens und des Pflegeheims nachzudenken. „Mit ihren 34 Betten ist die Anlage einfach zu klein“ – weil man dort viel zu lange „herumgedoktort“ habe. Apropos Senioren: Noch ein Thema, das zerredet worden sei. Der „Demografiebeauftragte“ sei nicht das, was sich die Freien Wähler ursprünglich gewünscht hätten, „aber wenigstens ein Beginn“, erklärt Dietmar Bitzenhofer.