Die Nacht auf Sonntag, 22. Mai hat Freia Scheerer noch in deutlicher Erinnerung. „Da ist was passiert“, erzählt die Markdorferin, „was es vorher noch nie gegeben hat.“ Da habe ihr Mann sie vom Einsatz aus angerufen. Dass ihr Mann, Martin Scheerer, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Markdorf, zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett geholt wird, damit er so schnell wie möglich zum Feuerwehrhaus eilt, um gemeinsam mit seinen Kameraden zu einer Brandstelle auszurücken, das komme öfter vor.

In letzter Zeit sogar noch öfter, weil sich die Alarme spürbar häufen – insbesondere die mutwillig ausgelösten. Dass aber Martin Scheerer seine Frau dann nach einiger Zeit anruft, das sei eine gänzlich neue Erfahrung, berichtet Freia Scheerer. „Ich sollte in der Nachbarschaft herumgehen, die Leute aus den Betten holen“, erinnert sie sich an die Brandnacht vom 22. Mai.
Und Martin Scheerer erläutert, warum er seine Frau ausnahmsweise während des Einsatzes angerufen hat. „Das war eine Lage, die sich sehr dynamisch entwickelt hat.“ Zunächst sei da der Großbrand im Lilienweg gewesen. Dort stand ein landwirtschaftliches Ökonomiegebäude in Flammen. Doch noch während die herbeigerufenen Feuerwehrleute gegen das Feuer angingen, sahen sie, wie wenige hundert Meter entfernt im Wald beim Möggenweiler Wasserhochbehälter der sogenannte Bauwagen des Waldkindkindergartens abbrannte.
„Keiner wusste, was noch kommt“
Und damit noch nicht genug: Wenig später kam ein dritter Alarm. In der Möggenweiler Straße wurde Feuer in einer Scheune gemeldet. Eine derartige Häufung ließ auf Brandstiftung schließen. Was sich später bewahrheitet hat. In jener Brandnacht ist schließlich noch ein weiterer, ein vierter Alarm ausgelöst worden – im Markdorfer Bildungszentrum. Der habe sich im Nachhinein indes als Fehlalarm erwiesen. „Keiner wusste, was noch kommt“, erinnert sich Martin Scheerer. Zum Handy gegriffen habe er, „weil wir ziemlich abgelegen wohnen“. In Anbetracht der gänzlich unübersichtlichen Situation hielt er es für ratsam, seine Frau zu warnen. Sie möge die Augen besser offen halten.

Solche Ausnahmesituationen seien selten. Das jedenfalls ist der Eindruck, der sich aus dem Gespräch mit Freia Scheerer und Vanessa Brutsch ergibt, der Frau von Mathias Brutsch, dem Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Markdorf. „Näheres erfahre ich dann von meiner Tochter“, erzählt Vanessa Brutsch. Nachdem der Alarm „heruntergegangen“ ist, schaue die 15-Jährige auf den Piepser, liest, wohin ihr Vater gerufen wurde, ob es sich um einen Unfall, einen technischen Einsatz oder einen Brand, also einen Brandeinsatz handelt.

Und die Tochter sehe – im Falle einer Feueralarmierung – auf dem Piepser, in welcher Stufe der Brand eingeordnet wird. Ist es ein kleinerer Einsatz, ein mittlerer oder gar ein Großbrand. So wie der im Lilienweg oder wie der vor einem Jahr in der Oberen Gallusstraße.
Es gibt Routinen – aber nicht für jede Situation
Beide Frauen berichten von einer gewissen Routine. In der Regel finden sie wieder in den Schlaf, nachdem ihre Männer zum Einsatz geeilt sind. „Nach 20 Jahren“, so erzählt Vanessa Brutsch, „gewöhnt man sich daran.“ Das kommt schmunzelnd. Dann wird sie ernster. „Dass mein Partner bei der Feuerwehr ist, das wusste ich ja von Anfang an.“ Das wissen alle Partner. Wichtig sei ein anderes Wissen: „Die Kameraden passen gut auf, geben acht aufeinander“, sagt Vanessa Brutsch, „und das beruhigt ungemein.“

Es gibt aber Ausnahmen. Bei den sogenannten Flächenlagen, bei Einsätzen, die von Extremwettern verursacht werden. Dann rücken die Mannschaften in eher kleinen Gruppen aus. Dann arbeiten sie in mehrere Einheiten aufgeteilt ab, was ein Orkan, was Starkregen, was Erdrutsche an Schäden verursacht haben – und das nicht erst, wenn das Unwetter vorbei ist, sondern schon während die Böen noch toben. Das sind die Situationen, bei denen Vanessa mitbangt – und keineswegs sie allein.
Das Gespräch ist wichtig
Wie die Aktiven mit schweren Einsätzen – etwa Verkehrsunfällen mit Todesopfern umgehen? „Ganz wichtig“, so betont Mathias Brutsch, „ist das Gespräch mit den Kameraden“. Überhaupt spiele der Austausch nach dem Einsatz eine sehr wichtige Rolle. Gesprochen wird aber auch in den Familien. „Wenn ihn das beschäftigt“, so erzählt Freia Scheerer, dann komme ihr Mann immer einmal wieder auf ein Geschehen am Unfallort oder an der Brandstätte zurück.

Tipps von Kriseninterventionshelfern
Es kommt also nicht von ungefähr, wenn Vanessa Brutsch und Birgit Kneule, die Frau des Markdorfer Gesamtkommandanten Daniel Kneule, auf die Idee gekommen sind, zwei Kriseninterventionshelfer einzuladen. Die Fachleute für die psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte, aber auch für Opfer sollen erläutern, wie die Angehörigen der Feuerwehrleute ihre Männer, ihre Frauen nach belastenden Einsätzen unterstützen können.