100 Geflüchtete in einem ehemaligen Fabrikgebäude in Meersburg: Das ist Nachbarn des Objekts in der Dr.-Zimmermann-Straße zu viel. Sie sammeln derzeit Unterschriften gegen die geplante Umnutzung des Gebäudes. Sofern die erforderlichen sieben Prozent der wahlberechtigten Meersburger unterschreiben, soll das Bürgerbegehren an Bürgermeister Robert Scherer übergeben werden. Dann könnte ein Bürgerentscheid folgen.
Initiatoren befürchten sozialen Brennpunkt
Die Initiatoren der Aktion begründen ihre Forderung mit einem drohenden sozialen Brennpunkt in dem dicht besiedelten Wohngebiet. Befürchtet werden Lärmbelästigungen für das angrenzende Gebäude mit Seniorenwohnungen für betreutes Wohnen. Zudem sorgen sich die betreffenden Nachbarn um die Sicherheit der Kinder, die auf dem Schulweg an der geplanten Unterkunft vorbeikommen. Eventuelle negative Auswirkungen für nahe Wohnmobilstellplätze oder Ferienwohnungen und damit auf den Tourismus allgemein werden ebenfalls aufgeführt.
„Wir sind nicht fremdenfeindlich“
Uwe Widmaier ist einer der beiden Unterzeichnenden und in der Stadt unterwegs, um Unterschriften zu sammeln. „Wir distanzieren uns von Rechts“, betont er ebenso wie seine Ehefrau im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Schon als Schüler hätten sie bei Dritte-Welt-Projekten für Hilfe zur Selbsthilfe mitgearbeitet und erst vor zwei Jahren hätten sie einer Frau aus Afrika geholfen, eine Wohnung und Arbeit zu finden. „Wir sind nicht fremdenfeindlich“, sagt Uwe Widmaier.
Kritik an Informationspolitik der Stadt
Der Rentner ärgert sich über die Informationspolitik der Stadt, welche die Bürger weder informiert noch eine Möglichkeit zum Meinungsaustausch geboten habe. Und er sei der Meinung, dass keine alternativen Lösungen oder Standorte für eine Unterbringung von Geflüchteten geprüft worden seien, kritisiert Uwe Widmaier. Es gebe in anderen Gemeinden gute Beispiele für die Unterbringung in Wohncontainern, die im Stadtgebiet verteilt aufgeteilt werden könnten. Es werde immer nur lapidar argumentiert, dass sonst Hallen belegt werden müssen, ärgert sich Widmaier. „Wir erwarten konstruktive Alternativvorschläge und Miteinbeziehung der Bürger“, fasst er die Forderung der Initiatoren der Unterschriftenaktion zusammen.
Kritisch sehe er die große Zahl von Geflüchteten an diesem „Flaschenhals“ des Gebiets. Zudem gebe es kein Gelände rund um das Fabrikgebäude, wo die Bewohner sich aufhalten könnten. „Wenn sie aus der Haustür rauskommen, stehen sie auf der Straße“, sagt Widmaier. Sorgen mache er sich außerdem darum, wie die Menschen, die aufgrund ihres Aufenthaltsstatus‘ keiner Arbeit nachgehen dürfen, betreut werden sollen. „Eine Person gut zu begleiten, ist schon viel Arbeit“, weiß er aus eigener Erfahrung.

Von einer in der Stadt kursierenden WhatsApp-Mitteilung, laut der „...ein Mann (...) Unterschriften gegen die geplante Asylunterkunft sammelt (...) in die überwiegend Afrikaner einziehen sollen“, distanziert sich Uwe Widmaier klar. „Diese stammt nicht von mir und mir ist nicht bekannt, dass sie von jemandem aus unserer Gruppe ist“, erklärt der Rentner.
Initiative rechnet mit dem Einzug junger Männer
Niemand wisse, wer in dem Fabrikgebäude untergebracht werden soll. Allerdings stammten die Geflüchteten aktuell in der Regel aus Afrika, Syrien sowie Afghanistan und 70 Prozent davon seien junge Männer, sagt Uwe Widmaier. Die Initiative gehe davon aus, dass keine ukrainischen Familien in dem Gebäude untergebracht würden. Denn deren Asylstatus sei nicht ungeklärt und laut einer Mitteilung im Gemeindeblatt von Meersburg sollten nur Menschen mit ungeklärtem Status in die Unterkunft ziehen. „Das Fabrikgebäude ist auch nicht unbedingt geeignet für die Unterbringung von Familien“, meint Widmaier mit Blick auf fehlende Freiflächen ohne Spielplatz.
300 Unterschriften für Bürgerbegehren nötig
Uwe Widmaier gibt einen Zwischenstand zur Aktion: Bis Ende Januar seien über 200 Unterschriften gesammelt worden. Um die erforderlichen sieben Prozent der Wahlberechtigten zu erreichen, seien rund 300 Unterschriften nötig. Die Abgabefrist für die Unterschriften endet drei Monate nach Bekanntgabe des Gemeinderatsbeschlusses. Die Umnutzung wurde am 14. November beschlossen.
Das sagt der Bürgermeister zur Initiative
Bürgermeister Robert Scherer erklärt auf Anfrage, er habe bis dato keine Kenntnis von der Unterschriftensammlung zum Bürgerbegehren gehabt. Scherers erste Reaktion ist: „Klar, das darf jeder machen, das ist ein demokratisches Grundrecht.“ Er verstehe die Ängste und Sorgen der Bürger vollkommen und habe deswegen auf eine frühe Information gedrängt.
Stadt hat keinen Einfluss auf Anmietung
Das Landratsamt und der Landkreis als Träger der Unterkunft würden sonst „auf normalem Weg so frühzeitig keine Meldung rausgeben“, erklärt Robert Scherer die Mitteilung im Amtsblatt. „Das Landratsamt zieht eine Informationsveranstaltung zu dem Zeitpunkt vor, zu dem die ersten konkreten Informationen vorliegen.“ Die Kreisbehörde habe die Aufgabe, Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete zu stellen, die Kommune habe keinen Einfluss auf diese Anmietungen. Es handle sich bei der Anmietung des Fabrikgebäudes um einen privaten Mietvertrag zwischen dem Eigentümer des Objekts und dem Landratsamt, erklärt Robert Scherer.
Landratsamt legt Belegung fest
Der Bürgermeister weist darauf hin, dass die Zahl von 100 Geflüchteten die maximal mögliche Belegung sei, er rechne jedoch mit weniger Menschen. Keiner wisse, woher die Geflüchteten stammen und wann sie einziehen werden. Scherer erklärt: „Wir können Wünsche und Anregungen abgeben.“ Aber am Ende wäge das Landratsamt ab, für welche Menschen das Objekt geeignet sei.
Scherer verweist auf positive Beispiele in der Region, wie Hagnau, wo prozentual gesehen ebenfalls eine hohe Zahl von Geflüchteten mitten im Ort lebt. „Von da hört man nichts Negatives“, meint der Meersburger Bürgermeister. Der Bund verpflichte alle Länder, Geflüchtete unterzubringen: „Wenn das Land unter Druck gerät, dann werden Hallen belegt. Das ist wirklich so und keine Ausrede.“