Mit viel Spaß und sich selbst auch Mal auf die Schippe nehmend, erfüllten die Burgfräulein Eva-Maria Goretzki und Maren Weißhaar ihre vom Hexengericht am Rosenmontag auferlegte Strafe: eine kostenlose Stadtführung mit Bewirtung. „Hier erfahrt ihr Dinge, die selbst ein eingefleischter Meersburger schon immer wusste“, scherzte Goretzki zu Beginn. Angesicht des kalten Windes und der niedrigen Temperaturen meinte sie entschuldigend: „Das Hexengericht verfügte eine Führung im November.“ Die rund 50 Zuschauer nahmen es gelassen, gab es doch zum Auftakt gleich heißen Glühwein. Abwechselnd erzählten die Verurteilten Fakten zur Geschichte der Burg, des Wahrzeichens der Stadt, der bekanntesten Bewohnerin Annette von Droste-Hülshoff und an der darunter gelegenen Mühle wissenswerte Zahlen über die sechs früher in der Stadt vorhandenen Mühlen und das im Durchschnitt 7,5 Meter messende Mühlrad.

Die Steigstraße ein Stück hoch, ging es in die Winzergasse. Hier gab es bis in die 60er Jahren noch Ställe im Erdgeschoss, heute ist der Platz ein beliebtes Postkartenmotiv, erklärte Goretzki. Auf dem Schnabelgiere-Brunnen saß mit Zylinder und Frack Zeitzeuge „Berti Brandes“ alias Niklas Bergmoser und berichtete über die Entstehung des Brunnens. Gut gelaunt zog der Tross weiter Richtung Marktplatz. „So viel Kultur, ich wusste gar nicht, dass es so viele Mühlen in Meersburg gab“, raunte ein Teilnehmer dem anderen zu.

Auf dem Marktplatz angekommen, schallte der Gruppe gruseliges Gurren entgegen. Schnell war die Quelle ausgemacht: Aus dem obersten Fenster des Obertors schaute eine Teufelsmaske und verhöhnte die Zuschauer. Beim Gang durch das Obertor qualmte farbiger Rauch aus dem Treppenaufgang und ein zweiter Maskierter erschreckte die Besucher, unter anderem mit einem Totenkopf aus Plastik. Die Burgfräulein erzählten von der Bedeutung des Tors im Mittelalter, als Eingang des Handelswegs in die Stadt. Dort mussten die Kaufleute ihre Zölle entrichten und zu den Zeiten, als dort noch ein richtiger Graben war, wurde die Zugbrücke nachts hochgezogen. Eine der vielen Arbeiten der Torwächter, die dort teilweise auch wohnten. Ob sie so schaurig waren, wie die zwei Maskierten, sei nicht überliefert, scherzte Weißhaar.

Zurück auf dem Marktplatz erklärten die beiden Stadtführerinnen, dass das heutige Hexengericht am Rosenmontag nicht zu Unrecht dort tagte, auch vor 500 Jahren sei dort der Pranger gestanden. „Den damaligen Übeltätern ist es aber schlechter gegangen als uns heute“, meinte Goretzki. Mit Blick auf die Pflastersteine erklärten sie, dass hier die erste richtige Straße Meersburgs gebaut wurde. Der vorletzte Stopp wurde am Rathaus eingelegt. Hinweise auf den mehr als 600 Jahre alten Rathausbogen folgten ebenso wie Erklärungen zur wechselhaften Geschichte des Schussenrieder Hofs. Einst Poststation, dann Krankenhaus und Altenheim bis zur jetzigen Jugendherberge, „hat er jede Station des Lebens gesehen“, sinnierte Goretzki.

Endstation war die Zunftstube. Dort wartete das Bewirtungsteam mit Speis und Trank. Zuvor beleuchteten die närrischen Stadtführerinnen noch deren Geschichte. Einst diente es als Gefängnis oder als Schulungsraum des DRK, bis es am 11.11.1992 für 33 Jahre von der Stadt an die Zunft vermietet wurde. Die Zeit ist bald um, „doch wir nehmen an, wir können mit Robi reden“, flachste Goretzki bezugnehmend auf den Fasnetsauftritt von Bürgermeister Robert Scherer als „Instarobi“. Der stellvertretende Hexenvorstand dankte für die Einlösung der Strafe und mit einem dreifachen „Ho Narro“ verabschiedete sich das Publikum von den Stadtführerinnen.