Wenn sich Autos, Lastwagen und Busse auf der B31 stauen, suchen sich viele Verkehrsteilnehmer allzu gern alternative Routen. Eine davon ist der Gemeindeverbindungsweg zwischen Hagnau und Meersburg. Besonders populär war der Weg, der eine Fahrradstraße ist, als die B33 in den Sommermonaten voll gesperrt war. Über Wochen führten die Umleitungen über die schwer belastete B31. Parallel wurde es auf der Fahrradstraße zu Stoßzeiten eng zwischen Radfahrern und Fahrzeugen. Die Widmung zur Fahrradstraße gilt seit Ende April 2024. Im Herbst wurde anstatt nur eines Teils wieder die komplette Straße für Kraftfahrzeuge freigegeben. Klar ist aber: Räder haben weiter absoluten Vorrang.
Die Fahrradstraße ist ein Projekt des Bodenseekreises und der Anliegergemeinden. Lars Gäbler, Pressereferent im Landratsamt, teilte auf Nachfrage im Oktober mit: „Zum Ende der geplanten Erprobungsphase wird es ein Treffen mit der Polizei und den Gemeinden Hagnau, Meersburg sowie Stetten geben, um alle Rückmeldungen zu sammeln und die Ergebnisse der Verkehrszählungen auszuwerten. Basierend auf dieser Faktenlage wird dann eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen getroffen.“ Angesetzt war die Testphase zunächst bis Ende des vergangenen Jahres. Landratsamt und Rathäuser hielten sich dem SÜDKURIER gegenüber mit einer ersten Bilanz zurück und schilderten stattdessen Eindrücke.
Verkehrsteilnehmer müssen sich an Straße gewöhnen
Hagnaus Bürgermeister Volker Frede erklärte etwa: „Wie häufig bei solchen Maßnahmen braucht es eine gewisse Zeit, bis sich der Verkehr daran gewöhnt hat. Insbesondere die maximale Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h wird von vielen Autofahrern missachtet und korrekt fahrende Pkw werden nicht selten von hinten bedrängt.“ Er vermutete: „Manche wissen vielleicht auch gar nicht, dass auf Fahrradstraßen diese Höchstgeschwindigkeit gilt. Dies wird sich nur durch mehr Fahrradverkehr, mehr Information und mehr Kontrollen ändern.“
Für den Bürgermeister ist die Fahrradstraße kein „Wundermittel“, sondern die Möglichkeit, eine herrschende Situation zu entschärfen. Der Fahrradverkehr auf dem Gemeindeverbindungsweg hat seinen Angaben nach zugenommen und „die Strecke bietet eine Alternative zum Bodenseeradweg am See, der ja an vielen Tagen überlastet ist“. Für wichtig erachtet Frede auch die Rückmeldung der Landwirte, „ob sie während des Versuchs weniger oder vielleicht sogar mehr gefährliche Situationen beim Ein- und Ausfahren in ihre Anlagen hatten“.
Stettens Bürgermeister Daniel Heß sprach von seiner Sichtweise und der seiner Bürger: „Wir stellen fest, dass der Fahrradverkehr auf dieser Straße merklich zugenommen hat. Der Ausweichverkehr (Stauumfahrung B31 Richtung Hagnau) hat unwesentlich abgenommen. Viele Autofahrer benutzen grundsätzlich diese Umfahrung, ohne zu wissen, ob überhaupt Stau vor Hagnau ist. Leider wird auf der Fahrradstraße nach wie vor zu schnell gefahren. Autofahrer missachten oft die geltenden Regeln.“ Wie sein Hagnauer Amtskollege berichtete er von Autofahrern, die sich an die vorgegebene Höchstgeschwindigkeit hielten und dann vom nachfolgenden Verkehr genötigt würden. Heß selbst machte diese Erfahrung. Familienmitglieder und Bürger berichteten ihm ebenfalls davon.
In einer öffentlichen Ratssitzung Ende Oktober beanstandete er zudem den Ausweichverkehr über Stettener Ortsstraßen. Dem sollte durch die Freigabe des Wegs auf seiner vollen Länge für KfZ Abhilfe geschaffen werden. Aus dem Landratsamt war bereits eine verkehrsrechtliche Anordnung ergangen.
Am wenigsten vom Ausweichverkehr betroffen ist die Meersburger Gemarkung. Bürgermeister Robert Scherer teilte mit: „Daher ist eine fundierte Einschätzung durch die Gemeinden Hagnau und Stetten am ehesten vorhanden.“ Aus seinem persönlichen Erleben berichtete der Bürgermeister: „Ich bin die Verbindungsstraße dieses Jahr (2024) bewusst mehrmals mit dem Fahrrad gefahren und habe verständnisvolle Pkw-Lenker und eilende Personen erleben dürfen. Aber auch natürlich Fahrradfahrer. Eine repräsentative Einschätzung ist dies sicherlich aufgrund der geringen Nutzung von mir nicht.“ Scherer wollte seitens der Stadt Meersburg ebenfalls das Fazit mit allen Beteiligten abwarten.
250 Geschwindigkeitsüberschreitungen pro Tag
Erste Anhaltspunkte zur Wirksamkeit der Fahrradstraße können neben Verkehrszählungen Geschwindigkeitsmessungen sein. Pressereferent Lars Gäbler schrieb: „Die ersten Geschwindigkeitsmessungen wurden in der beginnenden Ferienzeit ab Mitte Juli mit dementsprechend hohen Verkehrsaufkommen auf dieser Strecke durchgeführt.“ Im Durchschnitt seien hier circa 250 Geschwindigkeitsüberschreitungen pro Tag festgestellt worden, „wobei der überwiegende Teil 6 bis 10 km/h oder 11 bis 15 km/h zu schnell gefahren ist. Nach aktuellem Stand sind für ein ganzheitliches Bild auch in der Nebensaison Messungen geplant“.
Ob die Fahrradstraße weitere Beschilderung bräuchte? Gäbler erklärte: „Grundsätzlich ist die aktuelle Beschilderung für eine Fahrradstraße mit circa 50 Verkehrsschildern schon sehr umfangreich und auch entsprechend den Vorgaben der StVO. Zumal Fahrradstraßen mit den entsprechenden Verkehrsregeln auch im Bodenseekreis nicht neu sind und das Verkehrszeichen einer Fahrradstraße seit 30 Jahren in der StVO verankert ist.“
Gäbler verwies wie Bürgermeister Frede auf den Gewöhnungseffekt. Und: „Auch die gemessenen Überschreitungen nahe der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sind ein Indiz dafür, dass die entsprechenden Verkehrsregeln trotzdem bekannt sind. Eine mögliche Tempo-30-Markierung auf der Fahrbahn zu Beginn, in der Mitte und am Ende der Fahrradstraße liegt im Ermessen der jeweiligen Gemeinde.“