Bürgermeister Ralf Meßmer ist nicht zu beneiden: Er sitzt zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite ist er als Rathaus-Chef seinen Bürgern und ihrem Schutz verpflichtet. Auf der anderen Seite muss er als Leiter der Gemeindeverwaltung die Vorgaben übergeordneter Behörden befolgen und umsetzen.
Die Kritik der Teuringer am Landratsamt ist, zumindest in Teilen, nicht unberechtigt. Ihnen ist nur schwer vermittelbar, dass weder sie noch die Gemeinde die Gräben und Flussbette nicht von Schwemmgut befreien dürfen. Meßmer hat sich am Montag klar positioniert – auf der Seite seiner Bürger, aber mit dem Verweis, dass die Gemeinde sich an Vorgaben zu halten hat. Diese klaren öffentlichen Worte darf man ihm durchaus anrechnen: Die Teuringer wissen nun, dass der Rathaus-Chef ihre Sorgen teilt.
Behörden müssen Sorgen der Menschen anerkennen
Doch ob das hilft, ist eine andere Frage. Meßmer wird sich in den kommenden Wochen in vielen Einzelfällen entlang der Flutschneise vom 26. Juni mit den Naturschützern im Landratsamt abstimmen müssen – und er wird stichhaltige Argumente brauchen. Dennoch sitzt das Landratsamt am längeren Hebel, am Ende fallen die Entscheidungen in Friedrichshafen und eben nicht in Oberteuringen. In der aufgeheizten Debatte darf man aber auch nicht vergessen: Der Landschafts- und Naturschutz ist ein hohes und wichtiges Gut. In dem einen oder anderen Fall werden die Fachleute im Landratsamt durchaus triftige Gründe haben, den Naturschutz über einen Starkregenschutz zu stellen. Auch das muss gesagt werden.
Im Landratsamt muss man aber auch die Sorgen der Menschen vor Ort anerkennen und nicht sturheil nach Paragrafen entscheiden: Im Naturschutz muss nicht das Maximum umgesetzt werden, wenn Bürger Risiken ausgesetzt sind. Da müssen sich die Verantwortlichen flexibler zeigen als bisher.
Abseits davon: Wer sich nur die Naturschutzbehörde als Zielscheibe vorknöpft, macht es sich zu einfach. Auch deren Mitarbeiter entscheiden nicht aus Gutdünken und oft auch nicht aus freien Stücken. Denn auch sie haben Vorgaben, nach denen sie sich richten müssen und mit dem Regierungspräsidium (RP) ebenfalls eine übergeordnete Behörde, die ihnen die Marschroute und oft auch Entscheidungen vorschreibt. Und das RP wiederum folgt ebenfalls nur den Vorgaben von oben.
Raus aus dem Bürokratiedschungel
Es bringt also nichts, einfach nur auf die nächsthöhere Behörde zu zeigen. Es liegt an der Politik in Stuttgart, inzwischen überholte, zu bürokratische oder auch widersinnige Regelungen auf den Prüfstand zu stellen. Die Landesregierung muss sich dieses Themas annehmen. Starkregenereignisse werden weiter zunehmen. Dafür sorgt die Klimaerwärmung. Verheerende Überflutungen an vielen Orten im Land waren bereits in diesem Jahr ein Beleg dafür.
Die wichtigste Aufgabe: Starkregenplanungen müssen aus dem Bürokratiedschungel befreit werden. Fünf oder mehr Jahre bis zur Umsetzung sind nicht mehr akzeptabel – und auch fahrlässig gegenüber den Bürgern. Dabei müssen sich alle Seiten bewegen, auch die Naturschützer: Wenn ein Graben oder ein Flussbett dicht ist und bei Starkregen ein Risiko darstellt, muss geräumt werden dürfen, punktum. Menschenschutz muss hier Vorrang haben.
Bis es soweit ist, müssen alle Akteure gemeinsam Lösungen finden. Dafür hätte es auch in Oberteuringen schon die Möglichkeit gegeben. Leider war aber niemand aus dem Landratsamt eingeladen. Das hat man im Rathaus versäumt. Denn dass das Landratsamt an diesem Abend der Prellbock sein würde, war vorher schon abzusehen.