Ein dreifaches „Zirkus Abeba!“ schallt durch die Turnhalle der Grundschule Beuren. Statt Deutsch und Mathe stehen eine ganze Woche lang Zirkusproben auf dem Stundenplan – und zwar für alle Klassen. Die gesamte Schulgemeinschaft hat sich daher um die Manegenplane versammelt, wo die Zirkuspädagoginnen Bente Metz und Emma Patrignani die Kinder, ihre Lehrerinnen und die unterstützenden Eltern auf den Tag einstimmen. „Am Ende des Tages entscheidet ihr euch für euer Lieblingskunststück“, kündigt Patrignani an. Ihre Kollegin motiviert: „Nicht verzagen, wenn es auch beim hundertsten Mal nicht klappt – beim 101. Mal wird es funktionieren.“

Hier fliegen Diabolos und Keulen
So teilen sich die Kinder in Gruppen auf: Je nach Interesse widmen sie sich der Artistik, der Zauberei oder der Jonglage, laufen über Scherben und Nagelbretter, erproben sich als Clowns, turnen an Leitern oder schwingen am Trapez. Die beiden Zirkuspädagoginnen wechseln dabei von Klassenzimmer zu Klassenzimmer, erkundigen sich nach dem Lernfortschritt, präsentieren neue Kunststücke und stellen mit den Schülern eine Choreografie zusammen. Bente Metz lässt sich gerade zeigen, wie die Jongliergruppe mit den Tellern, Bällen, Keulen und Ringen zurechtkommt. „Wir fangen mit dem Diabolo an und ich zeige euch noch ein paar schwierigere Tricks“, kündigt sie an.

Auch bei den jungen Fakiren wird fleißig geprobt: Ein Mädchen liegt rücklings auf den Rücken zweier Jungen, ein dritter schützt ihr Gesicht, während ein vierter mit einem Hammer einen Ziegelstein auf dem Bauch des Mädchens zertrümmert. Emma Patrignani bleibt nichts mehr zu tun, als die beiden Ziegelstücke aufzufangen. Thomas Liebscher unterstützt die Gruppe die komplette Woche. „Es macht Spaß, aber mittags merkt man, wie fordernd das ist“, sagt der Vater. Heute stünden verschiedene Figuren auf dem Programm, die man auf dem Nagelbrett und Scherben machen könne – „sogar Handstand“, meint er anerkennend.
Bei den Clowns hilft der Pustverstärker

Schulleiterin Sonja Fahlenbock betreut die Clowngruppe. „Bei den Clowns ist etwas die Luft raus“, offenbart sie halb ernst, halb scherzend nach einem langen Probenvormittag. Da kommen zwei der jungen Spaßmacher und pumpen ein Mädchen auf, das schlapp am Boden liegt.
Auch der Besuch der Trapezgruppe, die sich zwischen ihren Proben als Publikum anbietet, sorgt für neuen Wind. Die Rektorin erklärt unterdessen, wie es zu der Zusammenarbeit mit dem Zirkus Abeba kam: „Wir machen alle vier Jahre ein großes, jahrgangsübergreifendes Theaterprojekt.“ Einmal in seiner Grundschulzeit solle jedes Kind die Möglichkeit haben, an einer gemeinsamen Schulaufführung mitzuwirken.
Förderverein und Spender machen Projekt möglich
Wie Sonja Fahlenbock sagt, ermöglicht es gerade der theaterpädagogische Ansatz den Kindern, sich im Sinne einer ganzheitlichen Bildung auszuprobieren und dabei Stärken zu entdecken, die sonst nicht so offensichtlich zutage treten. „Wir wollen, dass sich die Kinder mal anders erleben und wir Lehrer uns zurücknehmen“, begründet die Rektorin die Entscheidung, sich Unterstützung von außen zu holen. Eine andere Grundschule habe den Zirkus Abeba empfohlen und mithilfe des Fördervereins und vieler Spender habe man die Kosten von rund 5600 Euro aufgebracht. „Aus dem Schuletat könnten wir das sonst nicht stemmen“, sagt sie.
Schüler wachsen als Team zusammen
In der Turnhalle probt eine Gruppe akrobatische Kunststücke mit Leitern. Nach einem Durchlauf der kompletten Choreografie ruft Sibylle Kaul bewegt: „Ich bin so stolz!“ Die Lehrerin begleitet die Gruppe die ganze Woche und hat die sportliche und pädagogische Entwicklung mitverfolgt. Auch Viertklässlerin Hanne freut sich über die Fortschritte: „Am Anfang war es noch schwieriger in der Gruppe, aber jetzt ist es richtig gut.“ Emma Patrignani sieht im Zusammenwachsen als Team ein wichtiges Projektziel: „Jeder ist unterschiedlich und das ist auch wichtig. Hier kommt das im Positiven zum Vorschein und es trägt dazu bei, dass das Gesamtbild spannend ist.“
Bente Metz hebt die Persönlichkeitsentwicklung hervor: „Wir versuchen, allen Kindern zu zeigen, dass sie erreichen können, was sie wollen.“ Seit 2010 ist sie mit dem Zirkus Abeba zwölf bis 18 Wochen im Sommerhalbjahr unterwegs. Das Team setze sich aus verschiedenen selbstständigen Zirkuspädagogen zusammen. „Hier läuft es wundervoll, wir genießen die Woche sehr“, lautet ihre Bilanz nach einigen Tagen. „Am Anfang können sich das die Menschen nicht vorstellen, aber es zeichnet sich bereits ab, dass es eine tolle Vorführung wird.“