Katja Rakel war gerade auf dem Heimweg, als sie Zeugin einer handgreiflichen Auseinandersetzung vor dem Edeka in der Schlossseeallee in Salem wurde – und sogar dazwischenging. Für ihre Zivilcourage wurde die 57-Jährige von Polizeipräsident Uwe Stürmer und Landrat Luca Prayon geehrt.
„Es ging alles ganz schnell“, erinnert sich Rakel an den Vorfall an einem Abend im Januar 2023. Eine 20-jährige Frau riss eine 17-Jährige an den Haaren zu Boden und trat ihr dann mit dem Fuß ins Gesicht. Obwohl Katja Rakel seit einer Operation kein Bauchfell mehr hat und in dieser Region sehr empfindlich ist, zögerte sie keine Sekunde.
„Mein Pfefferspray hatte ich fest in der Hand“
„Ich bin direkt auf die beiden zugelaufen. Mein Pfefferspray hatte ich fest in der Hand. Dadurch habe ich mich sicher gefühlt“, erzählt die Frau. Gleichzeitig habe sie laut und streng gerufen: „Aufhören! Ich rufe die Polizei!“ Das und ihre Präsenz reichten aus, um die Angreiferin in die Flucht zu schlagen. Diese Reaktion sei im Vorfeld jedoch nicht kalkulierbar gewesen.
„Mein Wille war es, der Täterin einen Schrecken einzujagen“, sagt die Salemerin. Bei der 17-Jährigen angekommen, konnte sich Katja Rakel dann vergewissern, dass die Verletzungen nicht allzu schlimm waren. „Zum Glück war es nicht so schlimm. Es hätte so viel mehr passieren können.“ Trotzdem rief Rakel direkt bei der Polizei an und meldete den Vorfall.
„Ich habe sie in den Arm genommen und getröstet“
Dann wartete sie so lange bei der jungen Frau, bis die Beamten eintrafen. „Ich habe sie in den Arm genommen und getröstet. Sie war mit den Nerven am Ende“, erinnert sich Rakel. Als die Polizei eintraf und mit der 17-Jährigen über den Vorfall sprach, eilte Rakel in den benachbarten Lebensmittelmarkt – und kaufte eine Tafel Schokolade.
„Ich wusste nicht, was ich sonst für sie tun kann. Irgendwie erschien mir das in dem Moment richtig“, begründet sie die Aktion. Die junge Frau jedenfalls habe sich sehr über die Schokolade gefreut.
Weiche, zittrige Knie bekam Katja Rakel erst hinterher: „Als ich daheim war, habe ich gemerkt, dass ich unter Schock stehe.“ Dieser Zustand habe etwa zwei Wochen angedauert. „Es war eben kein normales Ereignis. Das braucht seine Zeit, bis man so etwas verarbeitet hat“, sagt sie. Auch wenn Rakel heute an den Vorfall zurückdenkt, bekommt sie ein flaues Gefühl im Magen.
„Warum war ich die Einzige, die geholfen hat?“
Zwar habe die 57-Jährige die junge Frau, der sie zur Hilfe kam, nie wieder gesehen. Doch Gedanken mache sie sich immer noch ab und zu. „So etwas hat es doch früher nicht gegeben“, sagt Rakel und denkt an ihre Jugend zurück: „Bei uns gab es nicht so brachiale Gewalt.“ Und auch eine Frage geistert ihr im Kopf herum: „Warum war ich die Einzige, die geholfen hat?“
An jenem Abend im Januar seien auch andere Menschen rund um den Supermarkt unterwegs gewesen. Aber niemand habe in die Situation eingegriffen. Für Katja Rakel sei es selbstverständlich gewesen, der jungen Frau zu helfen. „Es war mir eine Ehre, dass ich das junge Mädchen vor schweren Verletzungen schützen konnte“, sagt sie und betont: „Ich würde es jederzeit wieder tun – egal, wer ungerecht behandelt wird.“