Was geschah am späten Weihnachtsabend 2021 in Friedrichshafen-Fischbach, als zwei Gruppen Jugendlicher aufeinandertrafen und sich prügelten? Dieser Frage ging Richter Alexander von Kennel bei einer Verhandlung am Amtsgericht Überlingen nach. Angeklagt waren zwei junge Männer, die sich wegen gemeinschaftlich gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen verantworten mussten.

Sie wurden von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, sich an jenem Abend mit mindestens acht weiteren jungen Männern in der Meersburger Straße geprügelt zu haben. Dabei seien zwei der insgesamt drei Geschädigten mehrfach geschlagen worden, der dritte habe ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und wurde noch in derselben Nacht mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht.

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Kein Schulabschluss, keine Ausbildung, kein Job

Einer der beiden Angeklagten, ein 20-jähriger Mann aus Markdorf, sorgte bei Richter Alexander von Kennel schon kurz nach Beginn der Verhandlung für Ungeduld. Wie er erklärte, habe er keinen Schulabschluss, keine Ausbildung und keinen Job – geschweige denn ein Hobby. Weiter betonte er, dass es eigentlich gar nichts gebe, was ihm Spaß mache. „Das ist das Problem, mir gefällt nichts.“

„Da haben sich welche gekloppt und ich bin hin und habe auch zwei Backpfeifen verteilt. Ich bin einfach ein fairer Mensch.“
Angeklagter

Am Weihnachtsabend 2021 sei der Angeklagte bei Freunden daheim gewesen und habe „ein bisschen was“ getrunken. Später seien sie in Fischbach auf eine Gruppe junger Männern gestoßen. „Da haben sich welche gekloppt und ich bin hin und habe auch zwei Backpfeifen verteilt“, erinnerte sich der 20-Jährige. „Ich bin einfach ein fairer Mensch.“

„Es geht hier nicht darum, Sie zu bestrafen. Es geht darum, sie zu stärken und zu stabilisieren.“
Alexander von Kennel, Richter

Einen konkreten Anlass für die Prügelei habe es aus seiner Sicht nicht gegeben. „Die Sache ist schon gelaufen, als ich ankam“, betonte der Mann. Alexander von Kennel wollte ihm das nicht glauben und wies ihn darauf hin, endlich ehrlich zu sein. „Es geht hier nicht darum, Sie zu bestrafen. Es geht darum, sie zu stärken und zu stabilisieren. Und das ist gar nicht so einfach“, sagte der Richter.

Schließlich gab der Angeklagte zu, dass er einen Anruf bekam und als Verstärkung nach Fischbach gerufen wurde: „Sie haben gesagt, dass sie mich brauchen.“ Vor Ort habe der 20-Jährige dann inmitten der Schlägerei zwei Backpfeifen verteilt und kurz darauf sei jeder seines Weges gegangen – mehr Informationen konnte von Kennel dem jungen Mann nicht entlocken.

Weihnachtsabend beginnt in einer Fischbacher Bar

Etwas mehr Glück hatte der Richter beim zweiten Angeklagten, einem ebenfalls 20-jährigen Mann. Im Gegensatz zum anderen Angeklagten konnte der Hagnauer feste Strukturen in seinem Alltag vorweisen. So erzählte er etwa, dass er aktuell eine handwerkliche Ausbildung absolviert, Pläne für seine berufliche Zukunft hat und in seiner Freizeit gerne Sport macht.

Der Angeklagte berichtete, dass er am Weihnachtsabend 2021 mit Freunden in einer Bar in Fischbach war. „Dort trafen wir auf eine Gruppe, mit der es ein paar Wochen zuvor schon eine Auseinandersetzung gab.“ Zu späterer Stunde schloss die Bar und die jungen Männer gingen nach draußen. Der 20-Jährige berichtete: „Auf einmal gab es einen Tumult mit der Gruppe, die wir schon in der Bar gesehen hatten. Ich bin hingegangen und wollte meinen Freunden helfen. Dann ist einer auf mich zu und hat mich geschlagen.“

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Freispruch für Angeklagten aus Hagnau

Daraufhin sei der Angreifer geflüchtet und der Angeklagte sei ihm gefolgt. „Ich wollte ihn auch schlagen, habe ihn aber nicht erwischt“, gestand er. Weil dieser Vorgang durch Zeugenaussagen größtenteils belegt werden konnte, zögerte Richter Alexander von Kennel nicht lange und sprach den 20-Jährigen noch während der Beweisaufnahme frei. Einzige Auflage: Eine Spende von 500 Euro an das Überlinger Tierheim.

Nicht ganz so glimpflich kam der andere junge Mann davon, der sich vor Gericht verantworten musste. Während der Richter die Zeugen zum Tathergang befragte, stand die Frage im Raum, ob der 20-jährige Markdorfer einen der Männer auf den Boden getreten und ihm ins Gesicht geschlagen habe. „Ich habe gesehen, dass einer auf ihm drauf saß und zugeschlagen hat“, berichtete etwa ein Student aus Immenstaad, der am Weihnachtsabend ebenfalls dabei war.

Blick von der Meersburger Straße in Friedrichshafen-Fischbach in Richtung Immenstaad: Ungefähr in diesem Bereich ist es am ...
Blick von der Meersburger Straße in Friedrichshafen-Fischbach in Richtung Immenstaad: Ungefähr in diesem Bereich ist es am Weihnachtsabend 2021 zu einer Schlägerei gekommen. | Bild: Fabiane Wieland

Nach einer Weile konnte jedoch geklärt werden, dass es sich bei dem angeblichen Täter nicht um den Angeklagten aus Markdorf handelt. Dieser trug nämlich eine schwarze Jacke, der mutmaßliche Angreifer eine weiße – dies bestätigten mehrere Zeugen. Dennoch wurde der 20-Jährige am Ende wegen gemeinschaftlich gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

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20-Jähriger aus Markdorf muss 100 Arbeitsstunden leisten

Er habe ohne Grund eine Schlägerei angezettelt, die von Vorneherein mit weiteren Männern geplant war. „Es hätte wirklich schlimmer ausgehen können“, betonte Alexander von Kennel. Er machte dem jungen Mann zur Auflage, 100 Arbeitsstunden abzuleisten. Außerdem bekommt der 20-Jährige eine Betreuungsperson zur Seite gestellt, die mit ihm gemeinsam an Plänen für die berufliche Zukunft arbeiten soll. „Der erzieherische Bedarf ist da“, sagte der Richter und gab dem jungen Mann einen Appell mit auf den Weg: „Lassen Sie sich bitte helfen!“