Eigentlich deutete alles auf einen ruhigen Sommerabend hin. Bestes Wetter, kaum Wellen und deutlich weniger los als noch in den Wochen zuvor. Ralf Michel aus Langenargen startete am Spätnachmittag des 11. September mit seinem Stand-Up-Paddle-Board (SUP) vom Uferbereich in der Unteren Seestraße in Richtung Schloss und wollte den Feierabend auf dem See verbringen.

Traumwetter und beste SUP-Bedingungen

„Ich bin erst einmal rausgepaddelt – über die 300-Meter-Zone hinaus – und dann auf das Schloss zu. Es herrschten beste SUP-Bedingungen, ein echter Traum“, erzählt er über diesen Septembertag, der sich gleich in doppelter Hinsicht in sein Gedächtnis eingebrannt hat. Dass rund 200 Meter von ihm entfernt eine Schwimmerin im Wasser war, habe er zunächst gar nicht wahrgenommen. Doch dann hörte er plötzlich Hilferufe.

Im Uferbereich neben dem Schloss Montfort, wo der See im November aufgewühlt ist, war im September kaum eine Welle zu sehen.
Im Uferbereich neben dem Schloss Montfort, wo der See im November aufgewühlt ist, war im September kaum eine Welle zu sehen. | Bild: Wieland, Fabiane

Im ersten Moment sei er schockiert gewesen. „Beste Wetterbedingungen, der See war total ruhig und ich habe mit nichts Bösem gerechnet. Daher fühlte ich mich zunächst wie im falschen Film, als plötzlich jemand um Hilfe rief“, erzählt der 56-Jährige. Nach dem ersten Schreck habe er allerdings rasch begriffen, dass er etwas unternehmen muss.

Während er zu der Frau gepaddelt sei, habe er mit ihr gesprochen, wollte sie damit beruhigen. Sie habe geröchelt, sei entkräftet und ganz blass im Gesicht gewesen, erinnert er sich. Schnell sei klar gewesen, dass er die 72-jährige Schwimmerin allein nicht auf das SUP ziehen konnte. „Daher habe ich zunächst ihre Hand genommen und sie festgehalten“, sagt Ralf Michel.

Einsatz und Auszeichnung

Aus dem Augenwinkel habe er gesehen, dass sich mittlerweile noch ein weiterer Paddler auf den Weg gemacht hatte. „Wir haben die Schwimmerin dann zwischen die beiden SUPs genommen. Sie hatte sich bereits etwas beruhigt und zusammen haben wir sie an Land gebracht.“ Der Rettungsdienst sei bereits von anderen alarmiert worden, dieser sei rasch vor Ort gewesen und so „konnten wir sie direkt an die Sanitäter übergeben“. Nach Angaben der Polizei erlitt die Frau nur eine leichte Unterkühlung.

An Land konnte die Frau an den bereits alarmierten Rettungsdienst übergeben werden.
An Land konnte die Frau an den bereits alarmierten Rettungsdienst übergeben werden. | Bild: Wieland, Fabiane

Erst später habe er erfahren, dass die 72-Jährige ihren Urlaub am See verbrachte. „Ich kenne die Vermieterin und habe mich bei ihr erkundigt, wie es der Frau geht“, erinnert er sich. Als sie ihn fragte, ob sie seine Kontaktdaten an die Gerettete weitergeben dürfe, habe er natürlich zugestimmt. Und so habe sich die 72-Jährige kurz darauf „sehr bei mir bedankt und eine Flasche Sekt vorbeigebracht“.

Das könnte Sie auch interessieren

„Ich denke, sie hat die Strecke unterschätzt“, antwortet Ralf Michel auf die Frage, warum die 72-Jährige in Seenot geraten war. Im Hochsommer, wenn der See wenig Wasser habe, könne man in diesem Bereich weit hinauslaufen. Anfang September hatten starke Regenfälle den Pegel aber bereits wieder ansteigen lassen. „Wahrscheinlich hat sie nicht rechtzeitig bemerkt, dass es hier nun wieder deutlich tiefer war, und dann haben einfach ihre Kräfte nachgelassen“, vermutet der Langenargener. Zum Glück hatte sie noch eine Poolnudel dabei, mit der sie sich über Wasser halten konnte. „Ich weiß nicht, ob ich sie sonst rechtzeitig erreicht hätte.“

Vier Jahre zuvor hatte er selbst einen Unfall

Doch warum ist der 11. September für Ralf Michel gleich doppelt besonders? „Auf den Tag genau vier Jahre zuvor – also am 11. September 2019 – hat jemand mir das Leben gerettet“, erzählt der heute 56-Jährige. Damals hatte er einen Unfall mit dem Rennrad, verlor dabei das Bewusstsein und kam erst im Rettungswagen wieder zu sich. „Ich bin froh, dass mir damals geholfen wurde, und gleichzeitig glücklich, dass ich vier Jahre später ebenfalls im richtigen Moment zur Stelle war.“

Das könnte Sie auch interessieren

Für ihn ist es selbstverständlich, dass man in Gefahrensituationen hilft. Dass er für seinen Einsatz jetzt mit dem Zivilcourage-Preis auszeichnet wird, freut ihn. „Das ist eine schöne Wertschätzung“, findet er, „und sicherlich auch ein wichtiges Signal dafür, dass man nicht wegschauen, sondern Hilfe leisten soll.“ Das unterstreicht auch Polizeisprecherin Daniela Baier: „Der Preis wird verliehen, um den Menschen, die mutig eingeschritten sind, der Polizei bei der Aufklärung von Straftaten geholfen oder ein Leben gerettet haben, eine würdige Anerkennung für ihr Tun zu geben.“

21 Helfer erhalten den Zivilcourage-Preis

Ein solches Verhalten sei leider nicht mehr selbstverständlich und solle entsprechend honoriert werden, so Baier. Über die Jahre hinweg wurden mehr als 100 Menschen ausgezeichnet. Kommende Woche wird der Zivilcourage-Preis an 21 Kandidaten aus dem Bodenseekreis verliehen.