Das Sipplinger Altenpflegeheim Silberdistel steht offensichtlich vor dem Aus. Ein Umbau des in die Jahre gekommenen Hauses ist bis Ende August nicht möglich. Spätestens dann aber verlangt die Landesheimbauverordnung, dass Altenpflegeheime in Baden-Württemberg barrierefrei sind. Außerdem schreibt sie Einzelzimmer vor, "soweit Heime keine Wohnungen zur individuellen Nutzung bereitstellen", wie es in einer Veröffentlichung des Landes dazu heißt. Der Betreiber der Silberdistel, die Korian Gruppe in München, wird keine dieser Voraussetzungen bis Ende August erfüllen können. Weder liegt der Gemeinde Sipplingen bis heute ein Bauantrag vor, noch ist ein Umbau im laufenden Betrieb möglich. Zurzeit leben dort 75 Menschen in 29 Doppel- und 25 Einzelzimmern.

Auf der Nominierungsversammlung der Freien Wähler in Sipplingen war vergangene Woche berichtet worden, dass die Korian Gruppe mit der Gemeinde Stockach im Gespräch sei. Sie wolle dort ein neues, modernes Haus errichten. Es wurde vermutet, dass die Heimplätze aus Sipplingen spätestens dann nach Stockach verlagert würden. Die Gemeinde Sipplingen hatte der Korian Gruppe schon vor einger Zeit eine Bauanfrage negativ beantwortet. Das Unternehmen sucht ein Gelände von mindestens 10 000 Quadratmetern Fläche. Über ein Baugelände dieser Größenordnung verfügt die Gemeinde aber nicht.

Der Bürgermeister von Stockach, Rainer Stolz, bestätigte dem SÜDKURIER auf Anfrage, dass die Korian Gruppe "der Verwaltung signalisiert" habe, dass die Gruppe am Bodensee "etwas machen müsse". Hintergrund sei die Heimbauverordnung. Der Bauamtsleiter der Gemeinde, Willi Schirmeister, wurde im SÜDKURIER-Gespräch deutlicher: "Wir haben mit Korian über das Vorhaben gesprochen, in Stockach ein neues, großes Altenpflegeheim zu errichten. Noch ist aber nichts entschieden, weil das Unternehmen erst selbst in seinen Gremien eine Entscheidung über ein Bauvorhaben in Stockach herbeiführen muss."

Die Korian Gruppe unterhält am Überlinger See neben Sipplingen auch in Überlingen-Nußdorf, in Bodman-Ludwigshafen und in Stockach weitere Altenpflegeheime. Das Haus in Stockach entspricht nach Aussage Schirmeisters ebenfalls nicht mehr den Vorschriften der Heimbauverordnung. Das Casa Reha der Korian Gruppe in Bodman-Ludwigshafen verfügt laut Internet über 47 Betten in 27 Einzel- und Doppelzimmern. Im Casa Reha in Überlingen-Nußdorf wohnen laut Internet 40 Bewohner in 23 Einzel- und Doppelzimmern. Handlungsbedarf besteht danach also nicht nur in Sipplingen, sondern ebenso in den anderen Häusern.

Der Bauamtsleiter von Stockach, Willi Schirmeister, war als Mitglied des Gemeinderates in Sipplingen schon verschiedentlich mit dem Thema Silberdistel befasst. Für ihn ist klar, dass es schwer sein wird, in Sipplingen ein Altenpflegeheim zu halten. Die explodierenden Grundstückspreise in Seenähe ließen eine wirtschaftliche Führung eines Pflegeheimes dort zukünftig kaum zu. Das gegenwärtige Gebäude des Altenpflegeheimes Silberdistel sei seiner Meinung nach unter Kostengesichtspunkten nicht auf den erforderlichen Stand zu bringen. "Das können Sie nur abreißen und neu bauen", bewertete er die Immobilie. Daran ist offensichtlich gegenwärtig nicht gedacht. Das Gebäude befindet sich im Besitz eines Privatmannes aus Bayern und verfügt über einen langfristigen Mietvertrag mit der Korian Gruppe.

Auf Nachfrage des SÜDKURIER im Dezember 2018 hatte die Korian Gruppe ein Gespräch mit dem Eigentümer des Gebäudes und der Heimaufsicht für Ende Januar angekündigt "um die Lösungsmöglichkeiten für das Haus Silberdistel zu eruieren". Dieses Gespräch fand schließlich am 6. März statt, wie Korian auf Anfrage des SÜDKURIER bestätigte. Nachdem das Unternehmen zunächst über dessen Ergebnisse informieren wollte, hüllte es sich in dieser Woche dennoch in Schweigen. Man wolle zunächst die Mitarbeiter und Bewohner in einer Versammlung am 15. März unterrichten, hieß es. Ob danach die Öffentlichkeit informiert werde, ließ Korian offen.

Unklar ist auch, ob die Heimaufsicht einem Betrieb der Silberdistel über den 31. August hinaus zustimmen wird. Das Landratsamt als zuständige Behörde schrieb dem SÜDKURIER auf Anfrage, die in Sipplingen kolportierte Informationen, der Bodenseekreis habe die Genehmigung bis 2022 verlängert, werde "nicht bestätigt". Man befinde sich in Gesprächen. In besonderen Fällen kann die vom Gesetz 2009 eingeräumte Übergangsfrist bis auf 25 Jahren seit Betriebsbeginn verlängert werden, beispielsweise, "wenn dies für die Refanzierung betriebsnotwendiger Investitionen notwendig ist", heißt es in einer Erläuterung des Landes von 2015.