Feiern und Feste gehören in Dörfern am Bodensee dazu wie das Salz in der Suppe. Für beide gilt aber auch: Gibt es zu viel davon, ist es nicht gut. Doch wenn zu wenig oder gar nicht gefeiert werden kann, fehlt der Dorfgemeinschaft etwas ganz Wesentliches.

Die Sipplinger haben immer gern gefeiert. Neben offiziellen Veranstaltungen oder Dorffesten, wie beispielsweise an Fastnacht oder Martini, gehörten die zahlreichen Familienfeiern in den Gaststuben im Ort zum festen Bestandteil des Lebens im Dorf. Nicht nur in der „Krone“ und der „Linde“ feierten die Sipplinger, sondern vor allem auch gern im Gasthof Adler, ein Franziskanerinnenkloster aus dem 17. Jahrhundert.
Party im Tanzsaal und Skat in der Wirtschaft
In dem mit Parkett ausgelegten Tanzsaal und der Weinstube ließ sich hervorragend festen. Aber auch in der mit Bretterdielen ausgelegten Wirtschaft ging es lebhaft zu. Hier trafen sich die Vereine, Handwerker versammelten sich nach Feierabend am Stammtisch, es wurde gejasst oder Skat gespielt. Sonntags kehrten die Kirchgänger nach dem Gottesdienst zum Frühschoppen im Adler ein.

Ära endet jäh mit dem frühen Tod von Albert Märte
Das ist spätestens seit 2005 Geschichte. Damals starb Gastwirt Albert Märte völlig unerwartet im Alter von 47 Jahren. Seine Tochter verkaufte den Adler. Dabei hatte Albert Märte den Gasthof in den 90er Jahren wieder zu einem viel besuchten und beliebten Gasthaus in Sipplingen gemacht. Er hatte den Adler Anfang der 90er von seinem Bruder Heinrich übernommen. Dieser hatte schon in den 70er Jahren den Gasthof, der seit 1944 im Familienbesitz war, modernisiert.
Albert Märte rüstete nun Anfang der 90er Jahre jedes der schon von seinem Bruder von sieben auf 17 Zimmer ausgebauten Hotels mit eigenem Bad und Fernseher aus. Er kam damit den schnell wachsenden Ansprüchen der Touristen nach. Außerdem stattete er den Gewölbekeller mit einer eigenen Theke aus, um dem jüngeren Publikum ein Angebot machen zu können.

Kochkunst von Albert Märte lockt die Gäste an
Albert Märte war wie sein Bruder Heinrich ein hervorragender Koch, der im Inselhotel in Konstanz gelernt hatte. Auch das zog viele Menschen in den Adler. „Mein Bruder wollte auch einen Aufzug an das Haus anbauen, um das Hotel barrierefrei zu gestalten“, erinnert sich Siegfried Märte. Er hatte in jungen Jahren immer wieder in der Gastwirtschaft seines Vaters und später seines Bruders Heinrich ausgeholfen, bevor er den Lehrerberuf ergriff. Doch der Aufzug sei aus Gründen des Denkmalschutzes seinerzeit nicht genehmigt worden.

Freizeitverhalten der Menschen ändert sich
Noch wurden im Adler viele Familienfeste gefeiert und es wurde auch zu anderen Gelegenheiten getanzt. „Doch in den 90ern änderte sich das Freizeitverhalten der Menschen“, erzählt der pensionierte Lehrer Siegfried Märte. Früher hätten Musiker aus Sipplingen im Adler aufgespielt, nun habe der Bruder Gruppen von außerhalb einkaufen müssen, die viel Geld kosteten. „Mein Bruder musste deshalb Eintritt verlangen. Da kamen weniger Gäste oder sie kamen erst dann, wenn es ab 22 Uhr keinen Eintritt mehr kostete.“
Durch die Ferien wurde das Dorf zur Fastnacht leerer
Auch die Feiern zur Fasnacht hätten sich geändert. „Früher gab es an Fastnacht keine Ferien. Freitag und Samstag war Schule“, erinnert er sich. Die Sipplinger seien im Dorf geblieben und am Aschermittwoch habe niemand gearbeitet. „Das Legen des Narrenbaums und das Verlosen gehörte wie das Kutteln-Essen im Adler zur Tradition. Mein Bruder ließ dafür extra eine großen Korb Kutteln aus München kommen.“

Es blieben vor allem Hotelgäste und Familienfeiern
Es blieben dem Adler in der zweiten Hälfte der 90er vor allem Hotelgäste und Familienfeiern. 2005 schloss der Adler dann gezwungenermaßen seine Türen. Seit auch in der Linde und der Krone solche Feiern nicht mehr möglich sind, fehlt den Sipplingern ein wesentlicher Treffpunkt für die Gemeinschaft. Siegfried Märte sagt: „Heute können wir in Sipplingen nirgendwo mehr feiern.“