Die Zeit sitzt der Gemeinde Sipplingen bei der Sanierung der Turn- und Festhalle im Nacken. Schon zu Beginn der Diskussion über die angestrebte Hallensanierung im Jahr 2020 hatten mögliche Zuschüsse die Gemeinde zur Eile angetrieben. Gleichwohl wurde der Beschluss zur umfangreichen und teuren Sanierung aus unterschiedlichen Gründen erst kurz vor Ablauf der Fristen im Dezember 2024 gefasst.
Auch aktuell herrscht Zeitdruck, da „alle zuschussrelevanten Maßnahmen (...) bis Ende 2025 abgeschlossen sein müssen“, wie die Gemeinde dem SÜDKURIER bestätigt. Die genehmigten 410.000 Euro aus Landesmitteln (Sipplingen hofft auf eine Aufstockung auf 730.000 Euro) können eventuell bis Anfang 2026 verlängert werden. Die höhere Zuschusssumme von 693.000 Euro (die Gemeinde hofft auf eine Aufstockung auf 730.000 Euro) muss bis Ende 2025 abgerufen worden sein. Ein sportliches Unterfangen also, angesichts der Lage auf dem Bausektor.
Außerdem droht weiteres Ungemach, und auch hier spielt der Zeitdruck eine Rolle: In Zuschriften an den SÜDKURIER fragten Sipplinger Bürger, ob denn die Arbeiten bei den kalkulierten Kosten nicht hätten öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Die Gemeinde hatte den Auftrag an das Büro Fiedler in Stockach direkt vergeben.
Aufträge über 221.000 Euro müssen ausgeschrieben werden
Laut Vergabeverordnung von Baden-Württemberg (VgV) können Kommunen Aufträge bis zu einem Gesamtvolumen von 100.000 Euro direkt und bis zu einem Volumen von 221.000 Euro freihändig vergeben. Darüber hinaus gehende Aufträge müssen zwingend ausgeschrieben werden, eventuell sogar europaweit. Wie die Gemeinde Sipplingen auf Anfrage des SÜDKURIER nun bestätigte, kalkulierte das beauftragte Architekturbüro Fiedler seine Arbeiten mit 301.000 Euro, bestehend aus Objektplanung von 284.500 Euro und Bauherrenaufgaben von 16.500 Euro.
Dennoch wurde die Leistung nicht ausgeschrieben, wohl wiederum aus Zeitnot. Die Gemeinde erklärt: 2022 habe für das krankheitsbedingt ausfallenden Architekturbüro Zollmatt kurzfristig ein anderes Architekturbüro gefunden werden müssen. Der damaligen Gemeinderat Willi Schirrmeister habe den Kontakt zum Büro Fiedler hergestellt. Dieses habe die von Zollmatt geschätzten Kosten bis Sommer 2024 fortgeschrieben und nach dem Sanierungsbeschluss des Gemeinderates im Juli 2024 erstmals eine Kostenkalkulation erstellt.
Heftige Debatte im Dorf nach Kostenexplosion
Diese Kalkulation legte Fiedler im November 2024 vor und löste nach einem SÜDKURIER-Bericht über die dort benannte Kostenexplosion eine heftige Debatte im Dorf aus. Eine Ausschreibung in den wenigen verbleibenden Wochen bis zum Jahresende war unrealistisch, wollte man die genehmigten Zuschüsse nicht gefährden. Christoph Huber, Fachbereichsleiter Zentrale Verwaltung, erklärt die fehlende Ausschreibung auch mit dem Fortschritt des Bauprojektes: „Zu diesem Zeitpunkt wäre es jedoch nicht mehr sinnvoll gewesen, die Architektenleistungen erneut auszuschreiben, da das Bauprojekt bereits so weit fortgeschritten war, dass erste Vergaben unmittelbar bevorstanden.“
Der Amtsleiter des Kommunal- und Prüfungsamtes des Bodenseekreises, Harald Baur, stellt dazu grundsätzlich auf Anfrage des SÜDKURIER fest: „Der Schwellenwert für Planungsleistungen beträgt meines Wissens aktuell 221.000 Euro (netto). Erreicht bzw. überschreitet der Auftragswert diesen Schwellenwert, ist die VgV anzuwenden und der Auftrag europaweit auszuschreiben.“ Zu Verfahren in Sipplingen lägen ihm allerdings keine Informationen vor.

Auftrag war 2020 direkt an Zollmatt vergeben worden
Allerdings war auch die Vergabe an Zollmatt im Jahr 2020 nicht ausgeschrieben, sondern direkt an Zollmatt vergeben worden, wie im Protokoll der Ratssitzung nachzulesen ist. Am 23. Juli 2020 heißt es im Beschluss des Gemeinderates: „1. Die Verwaltung wird beauftragt und bevollmächtigt, einen geeigneten Planer/Gutachter mit der Erarbeitung eines Konzeptes ‚Sanierung der Turnhalle‘ zu beauftragen. 2. Aufgrund des Termindrucks soll eine Entscheidung über die weitere Vorgehensweise vom Bürgermeister mit
seinen beiden Stellvertretern nach Vorliegen des Gutachtens festgelegt werden.“ Die Stellvertreter waren seinerzeit Clemens Beirer, CDU, und Thomas Biller, Freie Wähler. Das Büro Zollmatt war 2022 von einem Architektenhonorar von rund 117.500 Euro ausgegangen. Auch dieses hätte über dem Schwellenwert gelegen, der eine direkte Vergabe erlaubte.
Eine Erklärung für das Ausbleiben der rechtlich verbindlichen Ausschreibung liegt vermutlich darin, dass Sipplingen nicht über ein mit Experten ausgestattetes Bauamt verfügt. Ein offensichtlich verbreitetes und bekanntes Problem, denn auf Nachfrage des SÜDKURIER bei der Architektenkammer Baden-Württemberg in Stuttgart heißt es dazu: „Bei Fragen zum öffentlichen Vergaberecht raten wir Kommunen in der Regel, die Rechtslage selbst zu klären. Sofern ein eigenes Rechtsamt nicht zur Verfügung steht, können Kommunen sich zur vergaberechtlichen Beratung an die Kommunalaufsichtsbehörde (Landratsamt bzw. Regierungspräsidium) oder hilfsweise an die Gemeindeprüfanstalt (GPA) oder einen im Vergaberecht versierten (Fach-)Anwalt wenden.“