Wer in seiner Bewährungszeit wieder straffällig wird, wandert normalerweise in Haft. Vor dem Amtsgericht Überlingen verantwortete sich jetzt ein Angeklagter wegen vorsätzlichen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln und Inverkehrbringen von Falschgeld. Als er die von ihm zugegebenen Straftaten beging, lief die Bewährung einiger Vorstrafen noch. Dass er trotzdem nicht ins Gefängnis muss, liegt an der guten Sozialprognose, wie Richter Alexander von Kennel betonte.

Wie der Familienvater abgerutscht ist

Wie es überhaupt dazu kam, dass der heute 38-jährige zweifache Familienvater so weit abrutschte, schildert er eindrucksvoll im Gericht. Der gebürtige Konstanzer, der heute im Landkreis Sigmaringen wohnt, gibt an, seit seinem 13. Lebensjahr Cannabis zu konsumieren. Er schaffte die Fachhochschulreife, schloss aber keine Ausbildung ab. Der Versuch als Selbstständiger zu arbeiten scheiterte und endete mit der Privatinsolvenz. Es folgten die ersten Straftaten, immer nur kurze Beschäftigungen und schließlich 2022 der komplette Absturz. „Ich hatte die Hoffnung verloren, die Wohnung und das Bürgergeld“, schildert er. „Ich hatte keine Hoffnung, mein Leben noch einmal gebacken zu bekommen,“ führt er als Entschuldigung für die dann folgenden Straftaten an.

Mit Falschgeld in der Drogerie bezahlt

Aus der Obdachlosigkeit hilft ihm schließlich ein Freund. Dank einer eigenen Wohnung und Adresse kann er seinen Pass verlängern und Bürgergeld beziehen. Im Briefkasten landen aber auch mehrere Anklageschriften diverser Delikte. Es folgen eine Verurteilung auf Bewährung und die nächsten Straftaten. Im Darknet bestellt er Falschgeld und fliegt auf, als er im Mai 2022 mit zwei dilettantisch gefälschten Fünfzigern, wie Richter von Kennel sie beschreibt, in einem Drogeriemarkt in Singen bezahlen will. Als die Kassiererin misstrauisch wird, versucht er zu fliehen. Doch die auf den Scheinen sichergestellten Fingerabdrücke weisen ihn eindeutig als Täter aus.

Im Juni wird dann im Postverteilungszentrum Kleve ein Paket mit Amphetaminen entdeckt, das der Angeklagte ebenfalls im Darknet bestellt hatte und an eine Überlinger Adresse liefern lassen wollte. Da sein Name als Empfänger darauf steht, ist die Beweiskette einfach. Auch diese Lieferung stellt sich bei der labortechnischen Untersuchung als schlechte Ware heraus, da nur wenig des verbotenen Wirkstoffs enthalten ist. Trotzdem lege die Menge nahe, dass der Angeklagte die Drogen nicht nur zum Eigenbedarf nutzen wollte, so das Gericht.

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Angeklagter macht eine ambulante Therapie

Seitdem habe sich viel verändert, versichert der Anklagte. Sein Anwalt habe ihm einen „Arschtritt gegeben“ und zur Drogenberatung geschickt. Mittlerweile absolviere er eine ambulante Therapie und sei seit Monaten drogenfrei. Auch die Sozialstunden der letzten Verurteilung hat er alle abgeleistet. Die gute Beurteilung der Einrichtung, wo er tätig war, wird kurz vorgelesen. „Ich bin drogenfrei, fühle mich gut und hoffe nicht ins Gefängnis zu müssen“, schließt er, nachdem er mehrfach um Entschuldigung für seine Taten gebeten hat. Als Motivation dafür, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen, nennt er seine Kinder, die jedes zweite Wochenende bei ihm sind.

Nach dem sachlichen Plädoyer der Staatsanwaltschaft setzt sich der Verteidiger leidenschaftlich mit bisweilen recht drastischer Wortwahl für ein geringes Strafmaß für seinen Mandanten ein, um die „positive Entwicklung nicht zu stoppen“.

Letzte Chance für den Angeklagten

Richter Alexander von Kennel folgt schließlich mit dem Urteil weitgehend der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte wird für beide Delikte zu sechs Monaten Freiheitsstrafe mit einer Bewährungsfrist von drei Jahren verurteilt. Dazu muss er 100 Arbeitsstunden in einer sozialen Einrichtung leisten und sich schnellstmöglich einen Termin bei einer Schuldnerberatung besorgen. Die ambulante Suchttherapie, eine Auflage der letzten Verurteilung, muss abgeschlossen werden.

Das Geständnis und die Stabilisierung freue ihn, so der Richter. Der Angeklagte habe sich einsichtig sowie nicht arbeitsscheu gezeigt und nehme eine engmaschige Beratung in Anspruch. Die Aktenlage gebe eigentliche eine Haftstrafe vor, aber „wenn jemand sein Leben ändert und Fortschritte erkennbar sind, ist das vertretbar“, begründet Alexander von Kennel seinen Entschluss, dem 38-Jährigen noch eine Chance zu geben. Der sehr erleichterte Angeklagte und sein Anwalt verzichten direkt auf eine mögliche Revision.