Der 45-Jährige leidet an einem Verfolgungswahn. Er soll in etwa 75 Fällen Autos zerkratzt oder ihren Lack mit Klebstoff beschädigt haben, zudem habe er in rund 40 Fällen Haustürschlösser mit Sekundenkleber verstopft. Der Schaden geht in die hunderttausende Euro.
Eine Verurteilung als Straftäter scheidet aus. Denn der 45-Jährige gilt als einsichts- oder schuldunfähig. Es ging am letzten Verhandlungstag vor dem Landgericht Konstanz um die Frage, ob er sich zwangsweise in der forensischen Abteilung einer Psychiatrie behandeln lassen muss. Um es vorweg zu nehmen: vorläufig nicht.
Auch OB Zeitlers Dienstwagen betroffen
Die wahllosen Opfer sind vorwiegend Bewohner der Altstadt von Überlingen oder Beschäftigte, die dort ihr Auto parken. Auch der Dienstwagen des Oberbürgermeisters wurde mit Klebstoff beschädigt, alleine in diesem Fall entstand ein Schaden von rund 4200 Euro. Manche Autos wurden teils bis zu vier Mal zerkratzt, darunter teure Karossen von Mercedes oder Porsche. Zeugen gibt es nicht, aber Indizien, die nach Überzeugung des Gerichts den 45-Jährigen überführten.
Mit weiteren Taten ist zu rechnen
Der Beschuldigte ist davon überzeugt, dass er so handeln muss. Er leidet an einer Paranoiden Schizophrenie. Wie sich dem Psychiatrischen Gutachten entnehmen lässt, aber auch Briefen, die der 45-Jährige an die Staatsanwaltschaft schickte, bildet er sich ein, das Opfer von Folter und Verfolgung zu sein. Der Polizei wirft er vor, ihn nicht ausreichend zu schützen, deshalb handle er in Notwehr. Der Gutachter stellte dem Beschuldigten keine günstige Prognose aus, sondern geht davon aus, dass der Mann erneut Autos zerkratzen wird, wenn er keine Therapie beginnt.
Anwalt beschuldigt Polizei
Der 45-Jährige bestreitet die Taten. Die Tatserie von 2018 hat er offen gestanden, für die neue Serie von 2022 sei er nicht verantwortlich. Sein Anwalt wirft der Polizei vor, nur das Ziel zu haben, „ihn ans Messer zu liefern“.

Neu in der zweiten Serie sind Taten mit Klebstoff. Eine Überwachungskamera in der Turmgasse zeigt, wie ein Mann von der Statur des 45-Jährigen Schlösser verklebt. An den Bildern sowie am Bewegungsprofil des Mannes erkennt die Polizei, dass sie es erneut mit dem Täter aus der Serie „Hans“ zu tun hat. Die Polizei ermittelt, dass er an seinem Arbeitsplatz größere Mengen Klebstoff besorgte. Zeugen von den Taten an den Autos gibt es nicht, doch bei seiner ersten Vernehmung habe er indirekt ein Geständnis abgelegt.
Für die erste Serie richtete die Polizei die Soko „Hans“ ein. Die zweite Serie lief unter dem Stichwort „Uhu“. Aus Sicht der Polizei handelte es sich zweifelsfrei in beiden Serien um den selben Täter. Davon ließ sich auch das Landgericht Konstanz in dem nun zu Ende gegangenen Prozess überzeugen – ließ ihn aber dennoch frei. Die Begründung: Eine doppelte Unterbringung sei nicht zulässig.
Juristischer Hintergrund
Lebenslänglich für Sachbeschädigung?
Rechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah aus Karlsruhe erklärte, was für seinen Mandanten auf dem Spiel stünde, nämlich „ein Wegsperren mit unbegrenzter Dauer“. Das sei „viel schärfer als eine normale Freiheitsstrafe“. Solange die Psychiatrie dem 45-Jährigen bescheinigt, eine Gefahr für die Allgemeinheit zu sein, müsste er sein Leben hinter Gittern verbringen. Die beschädigten Autos seien zwar „lästig“, deswegen jemanden auf unbestimmte Zeit „wegzusperren“, sei aber keinesfalls verhältnismäßig.
„Kommen Sie gut nach Hause.“Vorsitzender Richter zum Beschuldigten
Auffällig für die Polizei ist, dass es in Überlingen keine vergleichbaren Fälle mehr gegeben hat, seit der Mann im März festgenommen worden ist. Der Vorsitzende Richter sagte in seinem Urteil, dass der 45-Jährige nicht das Opfer einer angeblichen Verschwörung der Polizei ist, sondern an einer unbehandelten Paranoiden Schizophrenie leide. „Wenn Ihnen morgen eine Laus über die Leber läuft, kann es sein, dass Sie wieder etwas anstellen.“
In Summe seien die Taten nicht einfach „nur lästig“, wie vom Anwalt unterstellt, sondern sie seien „nicht unerheblich“. Der Vorsitzende Richter appellierte an den Beschuldigten, sich auf eine Therapie einzulassen, vielleicht führe das dazu, dass die Bewährung aus dem alten Urteil bestehen bleibt. Er entließ ihn mit den Worten: „Kommen Sie gut nach Hause.“