Nach der Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montagabend im Fernsehen hat nun auch Baden-Württemberg reagiert. Die meisten Einzelhandelsgeschäfte in Überlingen sind seit dem gestrigen Mittwoch geschlossen. Die Corona-Krise erleben Einzelhändler, die zum Saisonstart ihre Geschäfte schließen müssen, ebenso wie die Kunden, die vor den verschlossenen Türen stehen.

Uwe Zscherp: „Halten Sie uns die Stange“

„Niemand wird deshalb barfuß oder nackt durch die Gegend laufen müssen“, sagt Uwe Zscherp vom Schuhhaus Maier. Er verweist dazu auch auf die Seite des Überlinger Wirtschaftsverbunds (WVÜ). Dort heißt es: „Sie können jetzt etwas tun für unsere regionalen Arbeitsplätze. Warten Sie mit aufschiebbaren Anschaffungen, bis wir wieder öffnen.“ Der WVÜ fordert zu Solidarität auf und schließt mit den Worten: „Bleiben Sie gesund.“ Uwe Zscherp appelliert: „Halten Sie uns die Stange.“

„Globalisierung nochmals neu überdenken“

Er sieht in der Krise durchaus auch eine Chance. Es bestehe jetzt ausreichend Anlass, die „Sache mit der Globalisierung“ noch einmal neu zu überdenken, meint der Geschäftsmann. Zscherps Mitarbeiter haben keinen Grund zur Sorge um ihren Arbeitsplatz. Außerdem will man sich hier Arbeiten wie dem Renovieren widmen und so den Stillstand im Geschäft sinnvoll nutzen.

Stille in der Münsterstraße: Die Händler haben ihre Geschäfte geschlossen, wie die Parfümerie Gradmann (links).
Stille in der Münsterstraße: Die Händler haben ihre Geschäfte geschlossen, wie die Parfümerie Gradmann (links). | Bild: Santini, Jenna

Cornelia Lenhardt liefert telefonisch bestellte Bücher selbst aus

Cornelia Lenhardt hat zum 1. März den Laden Buchlandung von ihrer Vorgängerin Karen Lambertz-Zalitatsch übernommen, die an den Lago Maggiore gezogen ist. Die Buchhandlung am Landungsplatz machte in den vergangenen Tagen noch gute Geschäfte. „Alle deckten sich mit Büchern ein. Aber ich bin jetzt auch täglich von 10 bis 15 Uhr in meinem Geschäft und nehme telefonische Bestellungen entgegen, die ich dann auch selbst ausliefern werde“, erklärt Cornelia Lenhardt. Sie ist trotz Krise optimistischer Stimmung für ihren Start mit der Buchlandung.

Das Eis-Paradies am Landungsplatz hat seinen Betrieb ebenfalls bis auf Weiteres eingestellt.
Das Eis-Paradies am Landungsplatz hat seinen Betrieb ebenfalls bis auf Weiteres eingestellt. | Bild: Santini, Jenna

Margarethe Braun wird zum Saisonstark ausgebremst

Damenmode italienischer Designer bietet Margarethe Braun in „Margarethe Braun Woman“ an der Franziskanerkirche an. Nun fielen ja die Anlässe aus, diese Mode zu tragen, lacht sie. Margarethe Braun kann noch einen Scherz machen, aber die Lage sei wirklich sehr ernst. „Die Schotten sind dicht und wir alle sind schon extrem verunsichert. Wir wissen nicht, wie die versprochene Unterstützung von oben bei uns ankommen soll.“ Braun steht eigentlich vor dem Start in die Saison und ist gleichermaßen ausgebremst.

„Haben viel Zeit zum Nachdenken – eine große Herausforderung“

Dennoch wagt sie einen philosophischen Blick voraus: „Wer weiß: Der Stillstand tut auch gut, wir jagen nicht von einer Flugreise zur nächsten und haben viel Zeit zum Nachdenken. Das ist eine große Herausforderung.“ Vielleicht sei der Wettergott ja gnädig und es gebe einen langen Sommer und einen warmen Herbst. Dann ließen sich viele Stücke ihrer italienischen Kollektion noch später verkaufen, versucht Braun optimistisch zu bleiben.

Auch am Wolken-Kuckucks-Kinderladen ist das Gitter am Eingang geschlossen. Im Hintergrund ist Wochenmarkt auf der Hofstatt.
Auch am Wolken-Kuckucks-Kinderladen ist das Gitter am Eingang geschlossen. Im Hintergrund ist Wochenmarkt auf der Hofstatt. | Bild: Santini, Jenna

Angela Reisch: „Viele Einzelhändler werden Hilfe ganz dringend brauchen“

„Plötzlich geht‘s auch ohne Flugreisen, das hätten wir vor Wochen trotz Klimakrise nicht gedacht“, sagt Angela Reisch vom Bettenhaus Held und Menke am Franziskanertor. Sie weiß, dass die Zwangspause viele Einzelhändler, klein wie groß, sehr hart treffen wird. Aber es helfe ja nicht zu lamentieren. „Ich bin gespannt, ob die zugesagten Hilfen auch wirklich kommen, denn viele von uns werden sie ganz dringend brauchen.“ Auch Angela Reisch sieht jedoch in der Krise eine Chance: Zusammenhalt und Solidarität seien jetzt gefragt, statt Egoismus und Ignoranz.

Schließung zahlreicher Einzelhandelsgeschäfte

Die Stadt teilt mit, dass die baden-württembergische Landesregierung beschlossen hat, die Einzelhandelsgeschäfte mit Ausnahme der in der Verordnung genannten Branchen zu schließen. Die Verordnung trifft ebenfalls Vorgaben für Gaststätten und Hotelbetriebe.

  • Geöffnet bleiben: Einzelhandel für Lebensmittel, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Frisöre, Reinigungen, Waschsalons, der Zeitungsverkauf, Hofläden, Raiffeisen-, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte sowie der Großhandel. Sie haben dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Hygienestandards, die Steuerung des Zutritts und das Vermeiden von Warteschlangen sichergestellt sind. Ihnen wird gestattet, auch an Sonn- und Feiertagen zu öffnen. Das Wirtschaftsministerium wird ermächtigt, Auflagen festzulegen. Alle anderen Einzelhandelsgeschäfte sind zu schließen.
  • Gastronomie und Hotels: Der Betrieb von Gaststätten wird bis zum Ende der Osterferien am 19. April grundsätzlich untersagt. Vom Verbot ausgenommen sind Schank- und Speisegaststätten sowie Mensen, wenn sichergestellt ist, dass die Plätze oder Stehplätze für die Gäste so angeordnet werden, dass ein Abstand von mindestens eineinhalb Metern zwischen den Tischen beziehungsweise Menschen gewährleistet ist. Die Schank- und Speisegaststätten dürfen frühestens ab 6 Uhr öffnen und müssen spätestens um 18 Uhr schließen. Gewerbliche Übernachtungsangebote dürfen nur zu notwendigen und ausdrücklich nicht zu touristischen Zwecken genutzt werden. Diese Regelungen gelten zunächst bis nach den Osterferien zum Ablauf des 19. April.
  • Wirtschaftsförderer berät: Für die Einzelhändler, Gastronomen und Hoteliers in Überlingen bedeutet die Corona-Krise erhebliche Umsatzeinbußen. Um diese abzumildern, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Für telefonische Beratungsgespräche steht der städtische Wirtschaftsförderer Stefan Schneider zur Verfügung, Telefon 0 75 51/99 10 51.