Eva-Maria Bast

Als die Überlingerin Kirsten Stüble zum ersten Mal neben ihrem damals 17-jährigen Sohn Jan auf dem Beifahrersitz saß, zuckte es immer wieder mal in ihrem Bein. Ganz automatisch. Ein Reflex. Kirsten Stüble wollte bremsen – obwohl sie doch auf dem Beifahrersitz saß.

Denn ihr Sohn ist einer jener Jugendlichen, die sich für den Führerschein mit 17 entschieden haben, das bedeutet: begleitetes Fahren. Doch je mehr Fahrten es waren, desto mehr Vertrauen bekam sie in die Fahrkünste ihres Sohnes. „Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass Jan ein sehr vorsichtiger Fahrer ist und auch sehr defensiv fährt“, sagt sie.

So war die Anfangszeit

Jan Stüble muss ein wenig lächeln, wenn er an die Anfangszeit des begleiteten Fahrens zurückdenkt: „Die erste Fahrt nach der bestandenen Führerscheinprüfung war mit Papa, und das war glaube ich auch gut so. Er war von Anfang an entspannter. Doch mit Mama ist es jetzt auch in Ordnung.“ Auch, wenn sich der junge Mann schon darauf freut, alleine fahren zu dürfen: „Jetzt finde ich es schon noch besser, dass noch jemand mit dabei ist und gerade auch frisch nach dem Führerschein war es gut.“

Kirsten Stüble bilanziert: „Wir würden es auch jederzeit wieder so machen, denn es beruhigt schon auch, zu wissen, dass die ersten Fahrten nicht alleine absolviert werden müssen, und dass Jan auf sichere Art Fahrpraxis erlangen kann. Bei dem jüngeren Sohn planen wir es wieder ähnlich, wenn es sich mit der Schule vereinbaren lässt. Es hat sich auf alle Fälle für uns bewährt.“

Rolle des Begleiters

Mit dieser Meinung steht die Familie Stüble nicht allein da: Wie eine repräsentative Umfrage der ADAC-Markt-und-Meinungsforschung ergab, sei das „begleitete Fahren ab 17“ den meisten Menschen bekannt und werde von den Begleitern positiv bewertet. „96 Prozent der über 30-Jährigen kennen das Modell, jeder Fünfte war schon als Begleiter aktiv.

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Meistens sind es die Eltern, aber auch Großeltern, Nachbarn oder Freunde schlüpfen in die Rolle des Begleiters.“ Und was bringt‘s hinsichtlich Fahrsicherheit und Unfallgefahr? Jede Menge, denn mit den erfahrenen Begleitern sammeln die Fahranfänger kräftig Fahrpraxis: Im Durchschnitt rund 1400 Kilometer.

Fahrlehrerin Anke Paukert.
Fahrlehrerin Anke Paukert. | Bild: Eva-Maria Bast

Zum Vergleich: In der Fahrausbildung in der Fahrschule sind sie vorher etwa 500 Kilometer am Steuer. Ulrich Chiellino, Leiter der ADAC- Verkehrspolitik, sieht „einen großen Sicherheitsgewinn“ durch das Modell. „Diese Fahrpraxis verringert das Unfallrisiko von Fahranfängern“, sagt Chiellino, das bestätige auch eine Studie des Bundesamts für Straßenwesen.

Das sollten Eltern beachten

Und auch, wenn es vielen Eltern so geht wie Kirsten Stüble, und sie am Anfang vielleicht etwas nervös sind: Zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Anfängern am Steuer und Elternteil auf dem Beifahrersitz kommt es nach der ADAC-Umfrage eher selten: Nur 30 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Konflikte erlebt hätten. Häufigster Auslöser waren unterschiedliche Einschätzungen von Verkehrssituationen, die als zu hoch empfundene Geschwindigkeit oder Besserwisserei des Fahranfängers.

Zahlen aus dem Bodenseekreis

„Ein Modell, das sich lohnt“, sagt Chiellino mit Blick auf die Resultate der Studie. Was ihm fehlt, sind noch Teilnehmer. Chiellino betont: „Es wäre schön, wenn noch mehr das begleitete Fahren ab 17 nutzen.“ Immerhin: Im Bodenseekreis tut das bereits knapp die Hälfte, wie das Landratsamt auf Nachfrage mitteilt, und liegt damit im Landesschnitt. Edgar Neumann, Pressesprecher beim Verkehrsministerium Baden-Württemberg, sagt: „Geschätzt entscheiden sich derzeit etwa 50 Prozent der Fahrerlaubnisbewerber für den Pkw-Führerschein für das Modell des begleiteten Fahrens ab 17.“

Weiterer Vorteil des Modells

Und noch aus einem anderen Grund bewährt sich das Modell: Die Nichtbestehensquote bei der praktischen Fahrerlaubnisprüfung ist bei BF17-Bewerbern deutlich geringer. Im Jahr 2018 lag diese in Baden-Württemberg bei 22,7 Prozent. Bei den übrigen Bewerbern der Klasse B haben 38 Prozent die Prüfung nicht bestanden. Auch im laufenden Jahr setzt sich dieser Trend fort: „Im Zeitraum von Januar bis Oktober 2019 haben lediglich 23,3 Prozent der BF17-Bewerber die Prüfung nicht bestanden. Bei den übrigen lag die Nichtbestehensquote bei 39,2 Prozent“, so Neumann.