Eva-Maria Bast

Wie idyllisch! Im See vor dem Badhotel stand ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Pavillon, von dem sich im Jahre 1879 der Badhotel-Gast Karl Theodor Zingeler ausgesprochen angetan zeigte: "Die Lage des Hotels ist sehr hübsch, der große geräumige und mit vieler Sorgfalt gepflegte Garten geht bis an das Ufer des Sees, ja noch in den See hinaus, in dem ein zierlicher Pavillon, geziert mit den Wappenschildern der an den See grenzenden Staaten, schon im Wasser steht." Kunsthistoriker Thomas Hirthe, der zum Badhotel recherchiert hat, erklärt: "Von wann bis wann der Pavillon dort genau stand, lässt sich nicht sicher sagen." Vor 1862 könne es aber nicht gewesen sein, denn bis dahin verschloss die seeseitige Stadtmauer den Zugang zum und den Blick auf den See. Das Ende des Seepavillons vermutet Hirthe auf den Zeitpunkt des Ufersammlerbaus in den 1970er-Jahren. "Man muss sich bis dahin ja die ganze heutige Promenade wegdenken", sagt er. "Die alte Ufermauer kann man immer noch erkennen, es ist die Mauer zum Badgarten." Und der Badturm sei ein letzter Rest der seeseitigen Stadtmauer.

Der See-Pavillon war aus Holz und stand in unmittelbarer Nähe einer Trinkhalle, die sich in etwa dort befand, wo heute der Kursaal steht. "In dieser Trinkhalle konnte man Überlingens schwefelhaltiges Mineralwasser trinken. Es hatte eine Kolonnade zum Badhotel hin", beschreibt Hirthe. Weder Quelle noch Trinkhalle sind erhalten, die Ader wurde beim Eisenbahnbau Ende des 19. Jahrhunderts getroffen und versiegte. Noch etwas, das in Überlingen verschwunden ist.

Wie die Trinkhalle entstand auch die Anlage mit dem Steg, um die Kurgäste zu erfreuen. "Überlingen hat sich ja seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts zu einem richtigen Kur- und Badeort entwickelt und für die Lustbarkeit der Badegäste, ist dann auch der Pavillon errichtet worden, damit sie das Seeerlebnis direkt auf dem See haben konnten", sagt Thomas Hirthe. "Man konnte also auf dem See stehen und die Wasserfläche und die Alpen genießen."

Das Bad-Hotel, zu dem all das gehörte, besteht eigentlich aus zwei Teilen. "Es sind immer noch zwei Häuser, die aber hinter einer gemeinsamen Fassade verschwinden", erklärt der Überlinger. Beim westlichen Teil handelt sich um das einstige Badehaus, "da hat man wirklich gekurt", sagt Hirthe. "An dieser Stelle stand früher schon ein Badehaus, aber dieser Teil des Badhotels ist wohl erst im 17. Jahrhundert errichtet worden." Der Hotelbau sei dann Richtung Osten erfolgt und 1828 fertig gestellt worden. "1855 ist beides hinter einer gemeinsamen Fassade verschwunden." Der Badgarten, der sich zwischen Hotel, Trinkhalle und Pavillon erstreckte, ging aus dem Garten des ehemaligen Kapuzinerklosters hervor und wurde in den 1830er Jahren zum Kurgarten des Hotels, der aber, wie Thomas Hirthe recherchiert hat, öffentlich zugänglich war. "Es gab dort außergewöhnliche Blumenrabatten – aber weil die Stadtmauer zum See hin noch stand, hatte der Garten bis zu deren Abriss 1862 keinen Seeblick."

Einer der Gründe für den Abriss der Stadtmauer sei gewesen, dass man Überlingen als Kurort nach vorn bringen wollte. Wobei der Garten wohl auch ohne Seeicht gefiel: Badegast Franz Xaver Staiger schrieb 1859: "Dabei ist ein herrlicher Garten, der mit seltenen Blumen geschmückt, einen großen Genuß darbietet. Nimmt man dazu noch in Anbetracht das milde Klima, (...) die Romantik der Gegend, den historischen Reichthum der Stadt, (...) – dann kann man sich keinen schönern und das Gemüth erheiternden Aufenthalt wünschen." Da er den Seepavillon nicht erwähnt, selbiger aber in einer Abbildung mit der Angabe "um 1860" zu sehen ist, passt Hirthes Vermutung genau: Dass der Seepavillon im Zuge des Abtragens der Ufermauer entstand.