In einem Zeitraum von nur neun Tagen wurden bei der Polizei für das Stadtgebiet von Überlingen fünf Fälle von Exhibitionismus angezeigt. Der Exhibitionist, der in einer Bäckerei am Zentralen Omnibusbahnhof trotz Alarmierung der Polizei weiter mit seinem Glied hantierte, sorgte sogar bundesweit für Schlagzeilen. Und erst am gestrigen Mittwoch vermeldete die Polizei, dass eine 15-jährige Jugendliche bereits am 10. Januar in der Nähe eines Elektronikfachmarktes an der Lippertsreuter Straße von einem Exhibitionisten belästigt wurde. Der Täter stöhnte laut und hatte sein Geschlechtsteil entblößt. Er verfolgte die 15-Jährige anschließend auf ihrem Nachhauseweg. Zeugen können sich unter der Telefonnummer 0 75 51/80 40 bei der Polizei melden. Denn Exhibitionismus steht in Deutschland unter Strafe. Die Polizei ermittelt. Den Tätern drohen Freiheits- und Geldstrafen.
Die Täterbeschreibungen zweier Vorkommnisse in Überlingen ähneln sich stark. Auf die Frage, ob es sich um denselben Täter handeln könnte, antwortet Polizeisprecher Markus Sauter: "Im Moment gehen wir von gar nichts aus." Sauter sagt, dass, sobald ein Täter gefasst ist, geprüft wird, ob er für weitere Taten infrage kommt – auch in anderen Kommunen und Landkreisen. Passable Zeugenbeschreibungen sind für die Ermittlungen unerlässlich, sagt Sauter. Der Polizeisprecher betont, dass Opfer während oder unmittelbar nach einer Tat "tatsächlich den Notruf 110" wählen sollen. Dann erreichen sie das Führungs- und Lagezentrum, das die Polizeistreife schickt, die sich am nächsten zum Tatort befindet. Exhibitionisten wurden schon im Umfeld zum Tatort gefasst. "Es geht so lange, bis sie auf frischer Tat oder danach erwischt werden", sagt Markus Sauter.
Im Bodenseekreis wurden für das Jahr 2015 15 Fälle von Exhibitionismus verzeichnet. Im Jahr 2016 die doppelte Anzahl. In Überlingen waren es laut Kriminalstatistik ein (2015) und vier Delikte (2016). Die Aufklärungsquote für den Kreis liegt Polizeisprecher Thomas Straub zufolge in beiden Jahren bei 60 Prozent. In Überlingen konnte 2015 und 2016 jeweils ein Täter ermittelt werden, was einer Aufklärungsquote von 100 Prozent entspricht. Entblößt sich ein Täter vor Kindern oder Jugendlichen, wird dies als sexueller Missbrauch gewertet. Diese Zahlen liegen in Überlingen bei einem Fall für 2015 und keinem für 2016. Kreisweit waren es 2015 und 2016 jeweils vier Vorfälle dieser Art. Polizeisprecher Markus Sauter sagt, dass die Zahl der Fälle direkt mit dem Anzeigeverhalten der Zeugen zusammenhängt. Nach dem Motto: Wo kein Kläger, da kein Richter.
Ein inzwischen 39-Jähriger wurde Anfang dieses Jahres vor dem Amtsgericht Überlingen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung, einer Geldstrafe über 400 Euro und 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Der Mann hatte sich im Außenbecken einer Therme seine Badehose vor zwei Mädchen heruntergezogen. Vor Gericht bestritt der Mann den Vorwurf, auch vor den damals 13- und 14-Jährigen masturbiert zu haben. Während der Tat stand er unter Drogen.
Die Exhibitionisten der zurückliegenden Tage sind meist völlig unvermittelt an öffentlichen Orten in Überlingen aufgetaucht. Der Täter am Montagabend dieser Woche masturbierte mit heruntergelassener Hose vor einer Frau. Die Passantin reagierte mit Schreien. Der Mann versteckte sich. Zeugen sollten die Konfrontation mit den Tätern meiden. Polizeisprecher Sauter: "Aus der Erfahrung ist es bislang nicht so gewesen, dass ein Exhibitionist handgreiflich geworden ist. Es zu 100 Prozent auszuschließen, das wäre dennoch fatal." Während Erwachsene dazu fähig sind, umgehend die Polizei zu rufen, und sich auch mal verbal äußern, können Kinder und Jugendliche in einer solchen Situation vollkommen überfordert sein. "Kinder sollten sofort Schutz suchen", sagt Sauter. Sie können auf andere Personen zugehen oder in Geschäften um Hilfe bitten. Der Polizeisprecher rät Eltern, ihren Kindern bei Erzählungen genau zuzuhören. Denn auch die Beamten nehmen jeden Hinweis ernst, "wenn es um solche Dinge geht", verspricht Sauter.
Hilfe für Kinder
Martha Dauth, frühere Kriminaloberkommissarin und Leiterin der Außenstelle der Opferschutzorganisation Weisser Ring im Bodenseekreis, weiß, dass sich bei Kindern und Jugendlichen Ängste verfestigen können. "Ich habe es erlebt, dass Kinder da total von der Rolle waren", sagt Dauth. Eltern sollten mit den Kindern besprechen, dass Exhibitionismus "nicht die Normalität ist", so Dauth. Möchte das Kind nicht darüber sprechen, "einfach mal lassen" und beobachten. Im Notfall hilft ein Psychiater, das Geschehene zu verarbeiten.