Als Cornelius Weichert Ende Juli aus seinem Fenster blickt, macht er eine überraschende Entdeckung. Ein Tier, das er nicht kannte, schnüffelte an seinem Fahrzeug. "Als ich auf das Tier langsam zuging bemerkte ich, dass es sehr zutraulich gewesen ist und an den Umgang mit Menschen gewöhnt sein muss", erzählt der Owinger. "Erst ein vorbeifahrendes Auto hat es so sehr erschreckt, dass es mit einem Riesensatz ins Gebüsch gesprungen ist und verschwand. Ein Foto konnte ich deshalb nicht mehr machen."
Kurz darauf setzt sich Cornelius Weichert an seinen Computer und recherchiert im Internet, was er dort tatsächlich gesehen hat. "Zuerst hatte ich einen Ameisenbären im Sinn, aber nachdem ich die Bilder gesehen habe, war klar: Das ist ein Nasenbär". Er informiert daraufhin seine Nachbarin Kirsten Fink, die sofort mit zahlreichen Tierschutzorganisationen in der Region und dem Veterinäramt telefoniert. Schnell wird klar, dass das Tier aus dem Haustierhof Reutemühle ausgebüxt sein muss.
"Ein Nasenbär und ein Stachelschwein sind etwa zur gleichen Zeit ausgebrochen", bestätigt Friedrich Schuler, Inhaber des Haustierhofs Reutemühle. Der Nasenbär hat die Flucht ins Freie bei einem schweren Unwetter vor einigen Wochen ergriffen. Ein herabfallender Ast hatte den Zaun des Geheges so stark beschädigt, dass der Nasenbär leicht entwischen konnte. Das Stachelschwein hat die Gunst der Stunde bei einem Hochwasser genutzt. "Das Wasser war so stark, dass ein Gitter weggerissen wurde", erklärt Schuler. Bis heute konnten die Tiere trotz aufgestellter Futterfallen nicht wieder eingefangen werden.
Kirsten Fink ist von den Besitzern der Exoten enttäuscht. Ihr Vorwurf: Wenn man Tiere aus fernen Ländern hält, muss auch für ihre Sicherheit gesorgt werden. Dies geschehe nur bedingt: "Es ist eine Frechheit, dass der Haustierhof seine Sorgfaltspflicht vernachlässigt. Die Besitzer nehmen ihre Verantwortung nicht ernst genug und tun zu wenig, um das Tier zu fassen", sagt Fink.
Günter Herrmann vom Veterinäramt in Friedrichshafen verteidigt den Haustierhof. Die Jahreszeit erschwere den Plan, die Tiere durch Futterfallen zu fangen, da es bei diesen Temperaturen massenhaft Insekten, Früchte oder Nüsse gebe, über die sich der Nasenbär und das Stachelschwein freuten. "Der Fallenfang bleibt deshalb der beste Weg für den Besitzer, die Tiere zu erwischen", sagt der Tierarzt. "Sich mit einem Betäubungsgewehr auf die Lauer zu legen, macht keinen Sinn."
Der Haustierhof befindet sich in Überlingens Norden bei Bambergen. Bis nach Taisersdorf sind es in etwa neun Kilometer. Daran wird deutlich, wie weit sich die Tiere in den letzten Wochen von ihrem Zuhause entfernt haben. Fraglich bleibt, ob der Nasenbär und das Stachelschwein in Kürze selbstständig den Weg zurück nach Hause finden. Herrmann rechnet damit, dass die Tiere spätestens zu Beginn des Winters in die Futterfalle tappen werden. "Obwohl die Tiere auch kühle Nächte und Frosttemperaturen aus ihren Herkunftsländern gewohnt sind, werden die Temperaturen unangenehmer und das Futter knapp", erklärt er.
Herrmann warnt daher eindringlich davor den Tieren zu nahe zu kommen: "Die Spitzen der Stachelschweine können gefährlich sein! Wenn sich die Tiere bedroht fühlen, sollte man sich von ihnen langsam entfernen." Gleicher Meinung ist auch der Inhaber des Haustierhofs Reutemühle. Man sollte niemals einen Fangversuch auf eigene Faust starten, so Schuler. Besser sei es ihn umgehend zu informieren.
Darauf sollten Sie achten
Für den Fall, dass Sie eines der Tiere entdecken, gibt Günter Herrmann Tipps:
- Unternehmen Sie auf keinen Fall eigenständige Fangversuche.
- Bewahren Sie Ruhe, um die Tiere nicht zu erschrecken.
- Informieren Sie umgehend den Haustierhof Reutemühle. Telefon: 0 176/75 82 04 96
- Wenn möglich: Markieren Sie den Standort mit dem Smartphone und teilen Sie die Daten dem Haustierhof mit.
- Entfernen Sie sich ruhig vom Sichtungsort. (sku)