Es gibt Vereine, die haben den Auszug aus dem Telekomgebäude in der Langgasse, das seit gut zwei Jahren Eigentum des Investors Betz und Partner ist, bereits vollzogen. Die Miete war ihnen zu teuer, die Zukunft zu unsicher geworden. So fanden die Ensembles der Chorgemeinschaft und die Boxer noch Ende vergangenen Jahres eine neue Bleibe im Musiksaal und in der Gymnastikhalle des Gymnasiums.

Andere werden im Haus der Vereine von einer regelrechten Aufbruchsstimmung heimgesucht. So eröffnete die neue Aikidoschule Überlingen, die bisher eine Abteilung des Judovereins war, als neu eingetragener Verein erst am vergangenen Wochenende sein eigenes Dojo.
Resonanz auf Angebot ist groß
Wer die Resonanz auf das Angebot sieht, der wundert sich kaum, dass es Vorsitzender Volker Epting es am liebsten sähe, hier dauerhaft bleiben zu können. „Das Gebäude und der Standort sind geradezu ideal. Es liegt in der Stadt und es gibt Parkplätze“, betont Epting, der am 7. Januar mit 20 registrierten Mitgliedern an den Start ging. Dass auf Anhieb mehr als 40 Anmeldungen für die Einsteigerkurse, die am 31. Januar beginnen, bei ihm eingetrudelt sind, stimmt den Vorsitzenden euphorisch, der seinen Sport schon seit 23 Jahren in Überlingen betreibt.
Auch die Zukunft der Aikidoschule Überlingen hängt an einem seidenen Faden. Mit der aktuellen Miete von fünf Euro pro Quadratmeter glauben Epting und sein Verein noch leben zu können. Aber der Ende 2018 unterzeichnete Vertrag läuft zu diesen Konditionen zunächst nur bis Juli, gegebenenfalls mit einer optionalen Verlängerung bis Ende 2019. Die von Vermieter Betz und Partner in Aussicht gestellte Vergünstigung um zwei Euro pro Quadratmeter, wenn ein Ansprechpartner die Koordination und Organisation für alle beteiligten Parteien übernimmt, konnte bisher nicht realisiert werden. Hans-Peter Betz hatte die Stadt dafür ins Gespräch gebracht, da bei der Verwaltung selbst eventuell neuer Raumbedarf auflaufe.
In der aktuellen Konstellation steht den Vereinen nach Ablauf der Verträge eine Mieterhöhung auf sieben Euro pro Quadratmeter ins Haus. „Wenn wir hier im Verlauf des Jahres rausmüssen, ist der Verein tot“, prognostiziert Epting. Die Entwicklung nach Fertigstellung der neuen Sporthalle sei ja noch nicht abzusehen. „Man weiß ja nicht, welche anderen Hallen dann zur Verfügung stehen.“ Ohnehin gilt für das Aikido, was für Judo und Karate gilt: Der Auf- und Abbau sowie die Lagerung der zahlreichen Matten ist ein Problem.
Unterstützung bei der Suche nach einer Lösung
Einmal mehr gilt dies in der aktuellen Situation. „Die Stadt hat derzeit keine Räume“, sagt der Vorsitzender der Aikidoschule: „Zumindest habe ich bisher noch keine befriedigende Antwort bekommen auf die Frage: Wo sollen wir hin?“ Zuschüsse zu den Kosten erwartet Volker Epting im Grunde gar nicht. Allenfalls Unterstützung der Kommune, eine tragfähige Lösung mit dem Vermieter zu finden. „Schauen wir mal, was daraus wird“, erklärt Epting: „Wir würden auf jeden Fall gerne bleiben.“ Ähnlich argumentieren auch der Judoverein, das Karate-Dojo und der Tanzsportclub Blau-Gold, die die größten Flächen in Anspruch nehmen. Noch hat auch der Alpenverein (DAV) seine Geschäftsstelle im Telekomhaus und das Christliche Jugenddorfwerk veranstaltet dort einen Teil seiner Sprachkurse.
Dass er seine möglichen Baupläne nicht an die Mietkonditionen koppeln kann und darf, dessen ist sich Hans-Peter Betz durchaus bewusst. Mit dem, was Stadt und Gemeinderat am 7. November mit einem ersten Entwurf in Aussicht gestellt hatten, scheint der Investor noch nicht ganz glücklich zu sein. „Die Vorgaben für die Bebauung kann ich noch nicht abschließend bewerten“, erklärte Betz vor Kurzem auf Nachfrage des SÜDKURIER. „Aktuell versuchen wir, eine passende Bebauung zu entwickeln.“ Er rechne Anfang Februar mit der Vorlage erster Planentwürfe. Zu jedem Planentwurf werde er allerdings auch gleich die finanziellen Auswirkungen auf die Verbilligung der Vereinsmiete offenlegen.
Stadtplanung und Gemeinderat dürften solche finanziellen Abhängigkeiten zwar nicht berücksichtigen, betont Betz: „Aber meine kaufmännische Kalkulation wird davon nunmal bestimmt. Die Planungshoheit liegt bei der Kommune und ich setze um, was möglich ist.“ Nachdem der Gemeinderat im November eine größere Bebauung des Telekomareals und eine Umgestaltung des Sendeturms zum Wohnhaus auf Drängen der Anwohner abgelehnt hatte, glaubt Betz allerdings beobachtet zu haben: „Bei einer Abwägung zwischen Nachbarinteressen und Vereinsinteressen scheinen die Nachbarn derzeit die größere politische Unterstützung zu genießen.“
Aikido: Ein defensiver Kampfsport
- Aikido kommt zwar auch aus Fernost und hat seine Wurzeln in Japan, es unterscheidet sich von Judo und Karate allerdings darin, dass es keinerlei Wettkämpfe gibt. „Wir sind ein völlig friedlicher Sport“, sagt Volker Epting, Vorsitzender des erst vor wenigen Wochen selbstständig gewordenen Clubs. Mit insgesamt 20 Mitgliedern war Aikido in Überlingen bisher eine Abteilung des Judovereins, hat sich nun jedoch auf eigene Beine gestellt und erfreut sich auf Anhieb großen Zuspruchs. „Wir scheinen in eine Marktlücke gestoßen zu sein“, sagt Epting erfreut. Für die Einsteigerkurse am 31. Januar hatten sich binnen weniger Tage 40 Kinder und Jugendliche angemeldet.
- Terminplan für den heute beginnenden Kurs: Von 14.30 bis 15.25 Uhr – Aikido Kids (vier bis sechs Jahre), von 15.30 bis 16.25 Uhr – Aikido Kids (sieben bis neun Jahre), von 16.30 bis 17.45 Uhr– Kinder von zehn bis zwölf Jahren, von 18 bis 19.15 Uhr – Aikido Jugend (13 bis 17 Jahre), 19.30 bis 20.30 Uhr – Aikido-Basis und Anfänger, von 20.30 bis 21.30 – Aikido für Fortgeschrittene.
- Der Sport gilt zwar auch als Kampfkunst, doch sind die Techniken beim Aikido ausschließlich defensiv ausgerichtet. Sie beruhen darauf, die Angriffskraft quasi „umzuleiten“ und so die Vollendung des Angriffs zu verhindern – vor allem durch Wurf- und Haltetechniken. Der friedlichen geistigen Haltung des Aikido entsprechend, geschieht dies ohne Absicht zum Gegenangriff, sondern vorwiegend durch die Einnahme einer günstigen Position und ständige Kontrolle des Kontakts mit dem Gegner. Zur Übung werden Angriffs- und Verteidigungsformen aus der Menge standardisierter Aikido-Techniken vorher ausgewählt und, einer vorgegebenen Form folgend, ausgeführt.
- Organisatorisch ist die Überlinger Aikidoschule an die Schweiz und den übergeordneten Dojo in St. Gallen angedockt. „Am Ende sind alle in Tokio verankert“, sagt Vorsitzender Volker Epting. Gürtel gibt es beim Aikido nur in Weiß und Schwarz. Die schwarzen Gürtel sind in den ersten bis sechsten Dan untergliedert.