Es ist ein besonderes Phänomen: Fast alle Menschen wünschen sich, alt zu werden, aber niemand will sich alt fühlen. Gerade im Alter nehmen die Krankheiten zu. Vielen alten Menschen fällt es zunehmend schwer, ihren Alltag alleine zu meistern. Das ist auch eine Herausforderung für Krankenhäuser. Um Menschen ab 69 Jahren nach einem Krankheitsfall oder Unfall möglichst schnell zur Genesung und zur gewohnten Lebensqualität zu verhelfen, hat das Überlinger Helios-Spital vor eineinhalb Jahren eine Geriatrische Abteilung eingerichtet. Nun folgt der Bau einer eigenen Geriatrie-Station. Am Montagnachmittag setzten Klinikgeschäftsführungen, Stationsleitung und Oberbürgermeister Jan Zeitler den symbolischen Spatenstich für den Neubau, nachdem die Bauarbeiten tatsächlich schon vor einigen Tagen gestartet waren.

Mit dem Neubau reagiert der Klinikbetreiber auch auf den stetig steigenden Bedarf – gerade in der Bodenseeregion. In Überlingen sei rund ein Viertel der Bevölkerung 70 Jahre und älter, listet Klinikgeschäftsführer Marcus Sommer auf, "und diese Menschen brauchen jetzt und in Zukunft medizinische Versorgung auf höchstem Niveau". 3,8 Millionen Euro investiert Helios in den Neubau. Dies sei ein klares Bekenntnis zum Standort Überlingen, so Sommer.
30 Betten auf 1000 Quadratmetern
Das rund 1000 Quadratmeter große, einstöckige Gebäude entsteht im Süden des Krankenhauses. Er befindet sich auf Höhe des jetzigen Untergeschosses und wird in den Hang hineingebaut. Entstehen werden 15 Zwei-Bett-Zimmer, davon drei sogenannte Wahlleistungszimmer, die eine gehobenere Einrichtung für besser versicherte Patienten bieten. Alle Räume werden speziell auf die Geriatrie-Patienten abgestimmt, bieten also mehr Platz als gewöhnliche Krankenhauszimmer und barrierefreie Nasszellen. Zudem wird es einen großen Aufenthaltsraum mit Stationsküche und mehrere Dienstzimmer geben. Im Bereich der ehemaligen Apotheke werden zwei Therapieräume eingerichtet, die durch eine Schiebewand auch zu einem großen Raum verbunden werden können. Die Architektur sei auf die künftigen Patienten abgestimmt, sagt Stefan Bauer, der für die Projektsteuerung zuständig ist: "Wenn der Rahmen stimmt, hat auch die Therapie bessere Chancen zu wirken."

Ziel der Geriatrie-Station sei es, Patienten nach einer Operation wieder zu dem Allgemeinzustand zu verhelfen, den sie vor der Erkrankung hatten, damit sie in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren können, erklärt Chefarzt Marc Riemer. Er hat im Oktober 2016 die Leitung der damals neu eingerichteten Geriatrie-Abteilung übernommen. Die Aussicht auf einen Stationsneubau sei ein wesentlicher Grund seiner Entscheidung für das Helios-Spital gewesen. "Es ist schon etwas Besonderes, seine eigenen Ideen in so ein Projekt einbringen zu können", sagt er.
Angehörige werden in Therapie eingebunden
Die Einrichtung der Geriatrie-Station sei ein wichtiger Schritt für die Zukunft, denn "der ältere Teil der Bevölkerung wird schon bald übermächtig". Oftmals leiden die Patienten unter mehreren Krankheiten, die sich gegenseitig beeinflussen. Die Überlinger Geriatrie-Abteilung verfolge daher einen ganzheitlichen Ansatz. Dabei werden auch die Wohnsituationen der Patienten und deren Angehörige in die Therapie einbezogen. "Da geht es beispielsweise um die Frage: Wie bekomme ich den Opa aus dem Bett", erklärt Riemer.
Wird mit der neuen Station auch das Personal aufgestockt? Vorerst nicht, sagt Klinikgeschäftsführer Marcus Sommer. Nach der Fertigstellung des Neubaus werde zunächst der Ostflügel, in dem die Geriatrie-Abteilung derzeit noch untergebracht ist zunächst saniert. "Wenn dann irgendwann 30 Betten hinzukommen, werden wir natürlich auch mehr Personal brauchen", so Sommer.
OB Zeitler will Medizincampus
Oberbürgermeister Jan Zeitler freut sich über den Ausbau des Krankenhauses. Es sei wichtig, dass der Gesundheitsstandort Überlingen gesichert und zukunftsfähig gemacht werde. Dass es am Helios-Spital ein derart großes medizinisches Angebot gebe, sei bei der Größenordnung einer Stadt wie Überlingen nicht selbstverständlich. Er freue sich darauf, den Standort gemeinsam mit dem Krankenhauskonzern weiter zu entwickeln. "Ich möchte einen Gesundheitscampus, und zwar für den ganzen Bodenseeraum". Der Bau der Geriatrie-Station sei ein wichtiger Schritt. "Das ist ein glücklicher Tag für Überlingen."
Die Bauarbeiten sollen schon in fünf Monaten fertiggestellt sein: "Wir werden am 30.11. fertig sein. Punkt", sagt Projektleiter Stefan Bauer selbstbewusst. Möglich ist das durch die Bauweise: Für die neue Station werden nach Fertigstellung der Betonbodenplatte Ende September mehrere fertigproduzierte Baumodule geliefert. Diese Bauweise sei zwar um 10 bis 15 Prozent teurer als ein konventioneller Bau, dafür aber wesentlich effektiver. Statt 15 Monaten brauche man nur fünf Monate, erklärt Bauer. Dadurch leiden der Krankenhausbetrieb und die Patienten nicht so unter dem Baulärm. "Es wird jetzt zwar etwas staubig, aber in fünf Monaten schieben wir die Betten einfach rüber", sagt Geschäftsführer Sommer. "Das ist doch Luxus."
Für wen ist die Station?
In der Regel dient die Geriatrie-Station Patienten ab einem Alter von 69 Jahren. In Ausnahmefällen können die Patienten auch jünger sein. Ziel der Geriatrie ist es, den älteren Menschen nach einem Krankheitsfall oder Unfall möglichst schnell zur Genesung und zur gewohnten Lebensqualität zu verhelfen, indem die notwendige Akutbehandlung gleich mit Rehabilitationsmaßnahmen verzahnt und so wertvolle Zeit eingespart wird. Ob eine geriatrische Behandlung angezeigt ist, hängt allerdings nicht nur vom Geburtstag ab. Um den Gesundheitszustand einschätzen zu können, nutzen die Überlinger Mediziner, Pflege- und Therapiekräfte ein geriatrisches Beurteilungsverfahren. Dabei handelt es sich um ein vorgegebenes Schema, mit dem analysiert wird, in welchen Bereichen ein Aufenthalt in der Geriatrie helfen kann. In der Regel dauert ein Aufenenthalt 14 Tage und beinhaltet 20 Therapie-Einheiten.