Die Grundschulempfehlung hat keine bindende Wirkung mehr. Ist sie dennoch ein guter Anhaltspunkt für die Eltern, weil die Lehrer die Schüler und ihr Lernverhalten beurteilen können?
Seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung fällt es Eltern schwerer, die richtige Schulart für ihr Kind zu finden. Natürlich wollen Kinder zunächst mit ihren bisherigen Klassenkameraden aus der Grundschule weiterhin zur Schule gehen. Für sie bedeutet es oftmals die erste Trennung von Freunden und sie können noch nicht absehen, dass auch an einer neuen Schule bald neue Freundschaften geknüpft werden. Häufig verkennen gerade Eltern, dass unterschiedliche Kinder unterschiedliche Lernwege brauchen. Letzteres bildet sich in den unterschiedlichen Schularten ab. Deswegen sind die pädagogischen Empfehlungen der Fachleute, nämlich der Grundschullehrkräfte, welche die Kinder vier Jahre lang begleitet und mit ihnen gearbeitet haben, so enorm wichtig. Gerade für die Kinder in ihrer Entwicklung bedauere ich es sehr, dass Grundschulempfehlungen keinen bindenden Charakter mehr haben.
Kann ein Kind auf eine andere Schulart wechseln, wenn es unter- oder überfordert ist?
Grundsätzlich sind Übergänge bei entsprechender Befähigung oder bei Problemen möglich. Die Schulen in Überlingen arbeiten hier gut zusammen. Allerdings hatten wir an der Realschule in manchen Stufen so viele Schülerinnen und Schüler, dass wir keine Übergänge von extern mehr aufnehmen konnten und auf andere Schulen verweisen mussten.
Der Kardinalpunkt ist, möglichst schon vorgelagert in der Grundschule zu erkennen, wie ein Kind lernt, um die Schulart danach zu wählen. Braucht es viel Unterstützung und Förderung, ist es eher der Praxis zugewandt oder ist es mehr abstrakt denkend veranlagt? Wählt man vorausschauend die richtige Schulart, erspart man dem Kind Misserfolge und einen erneuten Schulwechsel. Grundsätzlich wird oft verkannt, wie wichtig für die Motivation und die Freude an der Schule ein gesunder Wettbewerb, ein sich Messen und Erfolgserlebnisse sind, die das Kind in der Klassengruppe haben darf.
Sollte man seine Kinder eher überfordern als unterfordern? Oder kommt es auf den Charakter an?
Da sind Kinder glücklicherweise tatsächlich sehr unterschiedlich und dieser Diversität müssen wir mit dem Angebot unterschiedlicher Wege beziehungsweise unterschiedlicher Schularten gerecht werden. Ein Kind, das eher praxisbezogen lernt, hingegen Schwierigkeiten hat, sich bei komplex-abstrakten Aufgaben zu konzentrieren, wird sich auf dem Gymnasium schwertun.
Prinzipiell wollen ja alle Heranwachsenden etwas lernen und leisten. Als Erwachsene wissen wir aber, dass Lernen nicht immer mit Spaß verbunden ist. Es kostet nicht selten viel Kraft und innere Überwindung. Und auch mit Rückschlägen umzugehen, will gelernt sein, bis man am Ziel ankommt. Die Hürden sollten idealerweise je nach Kind weder zu hoch, noch zu niedrig liegen, um ihm seinen eigenen optimalen Erfolg zu ermöglichen.
Welche schulischen Möglichkeiten bieten sich nach einem Haupt- oder Realschulabschluss?
Überlingen ist eine hervorragende Schulstadt. Hier bietet man Schülerinnen und Schülern aller weiterführenden Schulen eine Vielzahl von zusätzlichen Bildungswegen nach einem Übergang oder Abschluss. Das Zusammenspiel von Abstraktion und Praxisorientierung in der Realschule eröffnet unseren Realschulabgängern ein weites schulisches und berufliches Feld.
Besonders möchte ich an dieser Stelle die Kooperation der Realschule mit den beruflichen Schulen hervorheben, der Constantin-Vanotti-Schule, Jörg-Zürn-Schule und Justus-von-Liebig-Schule. Mehr als 70 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler wechseln in eine der drei Schulen in direkter Nachbarschaft. Sehr viele machen dort ihr Abitur.
In den vergangenen Jahren haben wir in Überlingen die Zusammenarbeit durch gemeinsame Projekte verstärkt und im Januar 2019 einen Kooperationsvertrag unterschrieben, der unseren Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften ein unkompliziertes und unbürokratisches Hospitieren in beide Richtungen erlaubt. Diese enge Verzahnung ist etwas Besonderes und ich finde, Überlingen kann sehr stolz darauf sein.
Viele Eltern meinen, ohne Abitur kann man heute beruflich nicht mehr erfolgreich sein. Was denken Sie?
Wenn man in die Statistiken schaut, fehlen uns in Deutschland eher Facharbeiter als Akademiker. Und so ist es drängend wichtig, dass die Attraktivität der Ausbildungsberufe gesteigert wird. Auch dafür nutzen wir als Realschule die Kooperation mit den beruflichen Schulen. Es gibt immer wieder Schülerinnen und Schüler, die sich geradezu zum Abitur quälen, obwohl sie in einem praktischen Beruf vielleicht um einiges erfolgreicher und glücklicher wären. Hier sollte endlich grundsätzlich ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden. Der Mensch beginnt selbstverständlich nicht beim Abitur.
Zur Person und Schule
- Karin Broszat ist seit 2013 Rektorin an Realschule Überlingen. Zuvor war sie Rektorin an der Mädchenrealschule St. Elisabeth in Friedrichshafen. Seit Oktober 2016 ist sie zudem Landesvorsitzende des Realschullehrerverbands Baden-Württemberg (RLV). Karin Broszat ist verheiratet, Mutter zweier Kinder und lebt in Meersburg.
- Die Realschule Überlingen liegt in der Trägerschaft der Stadt Überlingen. Im vergangenen Jahr feierte die Schule ihr 50-jähriges Bestehen. Im aktuellen Schuljahr besuchen 693 Schüler die Realschule.
.Wie die Realschule ihr 50-jähriges Bestehen feierte, lesen Sie unter: http://www.sk.de/9323439
Informationstermine der Schulen
- Das Gymnasium Überlingen startet am Montag, 11. Februar um 18 Uhr mit dem Infoabend für Eltern und Schüler. Nach einem gemeinsamen Auftakt erleben die Schüler an verschiedenen Stationen erste Eindrücke vom Unterrichtsgeschehen am Gymnasium. Parallel erfahren die Eltern alles Wichtige zu Klasse 5 sowie den Chancen und vielfältigen Angeboten am Gymnasium. Die Veranstaltung ist auf „Erleben, Information und Gesprächsangebote“ ausgerichtet, beschreibt das Lehrerkollegium mit Schulleiter Hans Weber.
- Die Sommertalschule Meersburg bietet am Mittwoch, 13. Februar von 17 bis 19 Uhr einen Infonachmittag für Schüler und Eltern an. Die mit rund 350 Schülern kleine Gemeinschaftsschule eröffnet zum nächsten Schuljahr eine neu gebaute Mensa, informiert Schulleiterin Tanja Fäßler.
- Die Wiestorschule Überlingen informiert am Dienstag, 19. Februar ab 18 Uhr in der Schulmensa über ihr pädagogisches Konzept. Schulleiter Jürgen Mattmann und sein Lehrerteam laden zu einer Schulhausrallye ein. Die Schüler können erste Erfahrungen in den unterschiedlichen Fachbereichen machen. Sport sowie Naturwissenschaft und Technik können an der zweizügigen Gemeinschaftsschule als Profilfächer gewählt werden.
- Die Realschule Überlingen, die fünfzügig zum Abschluss führt, lädt am Donnerstag, 21. Februar um 17 Uhr zur Informationsveranstaltung. Dabei werden die Profilbereiche, einzelne Fächer, die Stundentafel sowie andere Angebote präsentiert. Schulleiterin Karin Broszat und ihr Team freuen sich, ihren Schülern ab 2020 wieder vielfältige Sportangebote in der neuen Turnhalle anbieten zu können.