Mit der Feststellung, schwanger zu sein, ändert sich für die werdenden Eltern alles. Die Gedanken kreisen um das neue Leben, eine Beziehung entsteht. Oft warten die Paare die erste Zeit der Schwangerschaft ab, bevor sie davon berichten. Es könnte ja noch etwas schief laufen. Doch was ist, wenn etwas schief läuft?

Als Sternenkinder werden früh- und tot geborene Kinder bezeichnet, die mit einem Gewicht von unter 500 Gramm zur Welt kommen. Mit dem Schicksal einer Fehlgeburt werden viele Eltern alleine gelassen. Oft, weil sie als einzige davon wissen, oft aber auch, weil ihr Umfeld nicht die richtigen Worte findet. Zu lange wurde das Thema tabuisiert. In Baden-Württemberg haben die Eltern der Sternenkinder erst seit 2009 ein Recht darauf, ihr Kind wie jedes andere beerdigen zu lassen. Und erst 2013 beschloss der Deutsche Bundestag eine Änderung des Personenstandsrechts, das den Eltern von Sternenkindern die Möglichkeit gibt, die Geburt ihres Kindes beim Standesamt dokumentieren lassen, auch wenn keine Sterbeurkunde ausgestellt worden ist. Waren die tot geborenen allerkleinsten Frühchen vor dem Gesetz früher gar nicht existent, können sie seit der Novellierung nun wenigstens einen Namen erhalten. Das Geschlecht muss dafür nicht erkennbar gewesen sein.

Diese Gesetzesänderung ist noch keine vier Jahre alt. In Überlingen dagegen erhalten die Betroffenen schon viel länger Unterstützung, was auch als Beitrag zur Enttabuisierung des Themas gewertet werden kann: Seit zehn Jahren findet auf dem städtischen Friedhof regelmäßig eine ökumenische Bestattung und Trauerfeier für Sternenkinder statt, zweimal jährlich. In der Trauerfeier finden betroffene Eltern untereinander Halt, werden aber auch von der Gesellschaft mitgetragen.

Die evangelische Klinikseelsorgerin Kathleen Morrison-Schilffarth sprach bei der vergangenen Trauerfeier den Eltern Trost zu, als sie sagte: "Ihr Kind hat in dieser viel zu kurzen Zeit schon deutliche Spuren hinterlassen. Für diese Kinder sind Sie Mutter, Vater, Großeltern geworden, auch wenn für andere Ihre Elternschaft unsichtbar geblieben ist." Aus theologischer Sicht gebe es die Hoffnung, dass es eine Macht gibt, "die die willkommen heißt, von denen wir heute Abschied nehmen". In einem Trauerzug wurde ein kleiner weißer Sarg mit der Asche der Kinder zur Grabstätte auf dem Friedhof begleitet. Der katholische Pastoralreferent Alexander Mayer segnete den Sarg, auf dem vier Rosenblätter lagen.

Das Gräberfeld für eine Frühchenbestattung existiert auf dem städtischen Friedhof Überlingen seit zehn Jahren und wird getragen von der evangelischen und katholischen Kirche, vom städtischen Friedhof und vom Pathologischen Institut in Überlingen. Ein Engel an der Grabstätte trägt die Inschrift: "Spuren von Euch werden bleiben. Zur Erinnerung an die Kleinsten der Kleinen."

Die Anlegung des Gräberfeldes geht auf die Initiative eines Ehepaares zurück, dessen Tochter kurz nach der Geburt verstarb. Alle Kosten für das Gräberfeld und die Bestattungen werden seit zehn Jahren stillschweigend von den verschiedenen Trägern wie Stadt, Kirche oder Helios-Spital und Pathologie beglichen, beziehungsweise gespendet. Morrison-Schilffarth: "Es ist uns Seelsorgern ein wichtiges Anliegen aufzuzeigen, dass der Verlust eines ungeborenen Kindes kein Tabu ist, sondern ein Trauerfall. Früher wurde nur darüber geschwiegen."

Weltweiter Gedenktag

Die Advents- und Weihnachtszeit kann für Trauernde, die ein Kind verloren haben, zur schlimmsten Zeit des Jahres werden. Ein Gedenktag, der weltweit begangen wird, versucht, Hinterbliebenen Halt zu geben. Er findet seit Mitte der 90-er Jahre statt, jeweils am zweiten Sonntag im Dezember. Entstanden in den USA, wird an diesem Tag zu einem "WorldwideCandlelighting" ermuntert. Die Betroffenen stellen im Gedenken an ihre verstorbenen Kinder um 19 Uhr Kerzen ins Fenster, weltweit. (shi)