„Diesen Blickwinkel haben Sie nur heute“, sagt Mathias Walther, als er 16 neugierige Gäste auf eine etwa zweistündige Tour durch den ehemaligen Telekomturm mitnimmt. Denn acht Abonnentinnen und Abonnenten hatten Glück bei der Auslosung von „Der SÜDKURIER öffnet Türen“ und dürfen zur Führung je eine Begleitperson mitbringen.
Mathias Walther ist zuständig für den Vertrieb der 98 Ode Lofts, wie die Wohnungen unterschiedlicher Größe im ehemaligen Telekomturm heißen. Er führt die Gruppe an der Stirnseite des schmalen Hochhauses vorbei, das inzwischen mit einer silber-grauen Fassade aus recyceltem Aluminiumblech verkleidet ist. Die Besucher legen den Kopf in den Nacken, blicken an den Drei- und Vierecken des Fassadenmusters vorbei, 16 Stockwerke hoch in den Himmel.
Das ist tatsächlich eine ungewohnte Perspektive, und es sollte nicht die einzige bleiben, die die Gäste an diesem Nachmittag bestaunen. Schon in der Tiefgarage wartet die erste Besonderheit. „Die Decke ist nur 1,93 Meter hoch“, sagt Walther. „Der Turm hatte vorher keine Stellplätze unter der Erde und das hier ist schon ein Meisterwerk der Technik. Es wurde an Platz herausgeholt, was ging.“
Das alte Fernmeldeamt hat Tücken
Dass es für die Verantwortlichen an vielen Stellen eine Herausforderung ist, das alte Gebäude einer neuen Nutzung zuzuführen, wird an diesem Nachmittag deutlich. Vor allem die Statik war zu beachten.
So erklärt Steffen Nußbaum, Technischer Leiter des Projektentwicklers BPD in Stuttgart: „Die Fenster sind wegen des Gewichts nur zweifach verglast. Auch in die vorgehängten Balkone wurden Hohlräume einbetoniert, damit sie nicht zu schwer werden.“

Begeistert erzählt er, wie viel Platz gewonnen werden konnte, indem die alte Fassade abgebrochen wurde und das Gebäude auf zwei Seiten um rund einen Meter nach außen vergrößert wurde. Davor sind noch die Balkone angebaut. Die ganze Konstruktion ruht auf vielen Mikropfählen, die mühsam in den Untergrund gerammt werden mussten.
„An Abriss und Neubau wurde nie gedacht?“, will Abonnent Marcus Frey wissen. Nein, erläutert Steffen Nußbaum: „Ein Gebäude dieser Höhe wäre heute nicht mehr genehmigt worden. Damals aber gab es noch keine Bebauungspläne. Die Post hat gesagt, sie wolle ein 16-stöckiges Gebäude, und die Stadt sagte: Okay!“

Erste „Ahs“ und „Ohs“ beim Ausblick von der Musterwohnung
Um der interessierten Gruppe zu zeigen, wie es sich in dem ehemaligen Postgebäude wohnen lässt, fahren die Gäste mit dem Aufzug in den sechsten Stock. Dort ist inzwischen eine Musterwohnung eingerichtet. Im Zwei-Zimmer-Loft mit 75 Quadratmetern ist unverkennbar, dass die Ode Lofts Elemente früherer Zeiten tragen.
Eine dicke Säule ragt in den Raum hinein, und oben ist die Rippendeckenkonstruktion von 1971 zu sehen. „Bis zu den Balken ist der Raum 2,65 Meter hoch, bis zur oberen Decke sogar 3,15 Meter“, sagt Mathias Walther.

Die Wohnung ist voll eingerichtet, doch in der Küche stutzt Leser Joachim Kuhne-Velte. „Die Schubladen lassen sich nur schwer öffnen“, sagt er und lacht. Denn die Küche ist eine Attrappe aus Pappe. Zu umständlich wäre es, hier echte Geräte und Schränke einzubauen, die der spätere Wohnungseigentümer vielleicht gar nicht haben möchte.
Als die Besucher auf den Balkon hinaustreten, ertönen erste „Ahs“ und „Ohs“. Schon auf dieser Höhe ist der Blick eindrucksvoll. „Die Balkone sind durch die Glas-Schiebe-Elemente zu 60 Prozent vor Wind schützbar“, erläutert Steffen Nußbaum. Tatsächlich sind die Windeinflüsse bei diesem Hochhaus so groß, dass sie genauso berechnet werden mussten wie in Norddeutschland.

Wie wird die Glasverkleidung eigentlich geputzt?
Besucherin Nicole Frey schaut sich interessiert um und hat dann ganz praktische Fragen: „Wie werden die Glaselemente von außen geputzt? Und gibt es auf den Balkonen einen Wasseranschluss?“ Für guten Durchblick sorgten von Zeit zu Zeit Sportkletterer, sagt Mathias Günther. Und nein, aus technischen Gründen gebe es keinen Wasseranschluss draußen. Blumen müssten mit Gießkannen gegossen werden.
Auch die Frage nach der Zielgruppe kommt auf, als die Gäste durch einen langen Flur gehen, um noch eine Maisonnette-Wohnung anzuschauen. „Ein-Zimmer-Appartements kommen für Wochenendpendler in Frage. Zwei-Zimmer-Lofts sind unter anderem für Menschen gedacht, die zeitweise mit ihrem Schiff auf den See gehen und hier übernachten statt im Hotel“, so Mathias Walther.
In den größeren Einheiten könnten beispielsweise Familien dauerhaft wohnen. Auf SÜDKURIER-Nachfrage sagt der Vertriebs-Experte, es sei rund ein Drittel der Wohnungen verkauft, vor allem in den unteren Etagen. Joachim Kuhne-Velte ist einer von denen, die sich weiter oben eine Einheit reserviert haben.

Mit Wein auf dem Balkon den Sonnenuntergang genießen
„Meine Frau und ich leben seit 38 Jahren in Konstanz, aber wir ziehen wahrscheinlich noch einmal um“, verrät der 82-Jährige. Die Wahl fiel auf eine Wohnung mit Blick auf die Gebhardskirche. „Wäre ich noch berufstätig, hätte ich die andere Seite genommen, mich nach Feierabend mit einem Glas Rotwein auf den Balkon gesetzt und in den Sonnenuntergang geschaut“, sagt er und lacht.
Genau das kommt vielleicht für Nicole und Marcus Frey in Frage. „Wir wollen uns verkleinern, die Kinder sind aus dem Haus“, sagt Frey. Als gebürtiger Konstanzer kenne er den Turm als „hässlichstes Wahrzeichen“ schon seit Kindertagen. Nach der Führung staunt er: „Toll, was daraus gemacht wurde!“

Als der Rundgang auf der Dachterrasse ausklingt, ist allgemeine Bewunderung für den Ausblick zu hören. „Da sieht man seine Stadt und den Bodensee nochmal aus einer ganz anderen Perspektive“, sagt Marcus Frey.
Auch dem gebürtigen Konstanzer Ralf Tritschler und seiner Frau Marcena gefallen die Räume und der Ausblick. Dass die Lofts teilweise sehr stolze Preise haben, stört Marcena Tritschler nicht. „Es braucht auch den Luxus“, sagt sie. „Eine Stadt ist lebendig, wenn sie gut durchmischt ist.“