Nebel liegt auf dem See. Der Dunst umringt ihn und nimmt ihm seine Grenzen. Als um 8 Uhr die ersten Taucher in den Bodensee steigen, dringt nur wenig Licht durch die kaum durchlässigen Schwaden. Die Taucher haben schwere Flaschen geschultert und stapfen immer tiefer in diese andere Welt – eben das macht den Reiz des Tauchens aus.
Anfangs sind nur vereinzelt Taucher im Wasser. 20 bis 25 etwa, schätzt Dirk Diestel. Er ist Vorsitzender der Überlinger Tauchgruppe, zusammen mit dem Bodensee Aquanauten Team Veranstalter des ihrer Einschätzung nach größten winterlichen Tauchevents in Europa. 185 Besucher kommen bis 13 Uhr, ähnlich wie im vergangenen Jahr.

Wasser anfangs wärmer als die Luft
Wo sich Taucher bewegen, dehnen sich kleine Kreise im Wasser aus. Wie bei einer Quelle schlagen Blasen nach oben. „Je größer die sind, desto tiefer ist der Taucher“, erklärt Diestel. Das Wasser ist wärmer als die Luft. Fünf Grad misst der Bodensee an diesem Morgen, die Lufttemperatur liegt noch nahe null. Bei dem Nebel ist eine Lampe unerlässlich. „Ohne Lampe sieht man nichts, in einem tropischen Gewässer ist das anders“, erklärt Diestel die Besonderheit des Tauchens am Bodensee.
Eintauchen in eine andere Welt
Marco Schönfelder aus Heiligenberg ist gemeinsam mit Nicole Rinderle zum dritten Mal beim Dreikönigstauchen. Ihnen geht es weniger um die Suche nach dem versteckten Schatz, sondern mehr um das Tauchen selbst. Für sie gleicht ihr Sport buchstäblich dem Abtauchen in eine andere Welt. Sie entgleiten dem Alltag, lassen ihn sozusagen an der Oberfläche.

Unter Wasser schwimmen sie mit den Fischen, beobachten Krebse und Hechte. Sie geben sich ganz der Schwerelosigkeit hin, erzählt Schönfelder. 30 Minuten bleiben sie etwa unter Wasser, dann wird es im Nassanzug zu frisch. Doch bis dahin bewegen sie sich in außerhalb der Gravitation in der Zeitlosigkeit außerhalb der Erreichbarkeit, schwärmt der Taucher. „Es ist harmonisch, still, im Einklang – wie in einer anderen Welt“, beschreibt Schönfelder.
„Ich möchte durchs Wasser schweben“
Diese Schwerelosigkeit hängt mit dem Archimedischen Prinzip zusammen, erklärt Alexander Ruhnow. Als er ankommt, tragen Taucher aus Kressbronn gerade die Schatztruhe aus dem See. Ein wenig enttäuscht sei er, dass sie schon gefunden wurde, sagt er.

Dennoch halte ihn das nicht davon ab, Spaß zu haben. Auch ihn zieht die Schwerelosigkeit an. „Ich möchte Fische sehen und durchs Wasser schweben“, sagt der Taucher.
Viel Gepäck, hohes Gewicht
Angesichts des enormen Gewichts der Tauchausrüstung wirkt die Gravitationsfreiheit überraschend. Wie die Könige, die dem Stern von Bethlehem folgen, haben auch die Taucher Gepäck – und nicht zu knapp. Eine 20-Liter-Flasche wiegt etwa 23 Kilogramm, sagt Diestel. Mit einem Kompressor bei 230 Bar Druck befüllt, enthält eine Flasche 4600 Liter Luft.

Der Luftverbrauch steigt, je tiefer der Taucher unter Wasser ist. Denn damit steige auch der Druck, der auf den Taucher einwirkt, so Diestel. Im Flachwasser halte ein Behälter drei Stunden, je tiefer der Taucher kommt, umso schneller verbrauche er die Luft.
Zwölf Kilo Blei etwa trägt Rainer Bohnenstengel zudem an seinem Anzug. „Um den Auftrieb des Anzugs und des Körpers auszugleichen“, erklärt der Ettlinger. Bohnenstengel ist mit einem Trockenanzug unter Wasser. Wie Dirk Diestel erklärt, besteht der aus einem mehrlagigen Nylongewebe, Mehrschichtlaminat, und hat einen warmen Unterzieher, der den Körper vor dem kalten Wasser schützt und trocken bleibt. Bei einem Nassanzug sei es anders: Der sei in der Regel aus Neopren. „Zwischen dem Stoff und der Haut bildet sich ein Wasserfilm“, erläutert Diestel. Dieser Film sei erst recht kalt, dann erwärme ihn die Körpertemperatur. Füße und Hände werden jedoch zuerst kalt, sie sind am empfindlichsten, sodass selten mehr als 30 Minuten unter Wasser möglich seien.
Die geborgene Schatzkiste
Die Schatzkiste wird nach etwas weniger als 40 Minuten gefunden. Um 8.45 Uhr tragen die Taucher des Tauchsport-Clubs Kressbronn die Kiste aus dem Wasser. „Es war mehr ein Zufallsfund“, sagt Marcus Voigt. Seit 40 Jahren taucht er und kommt seit den 1990er-Jahren zum Dreikönigstauchen. Den Schatz konnte er bereits einmal bergen. Dieses Mal lag er in etwa 23 Meter Tiefe auf einer Halde zwischen Mantelhafen und Minigolfplatz.

Für ihn und sein Team mit Jörg Posen, Alexander Gottwald, Adrian Grbac, Julian Sinsel und Torsten Sonntag sei es immer etwas Besonderes, sagt Voigt. Vor allem, weil nur an diesem Tag Tauchgänge entlang der Uferpromenade erlaubt seien.

Sicherheit geht vor
Mitglieder der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) überwachen das Geschehen. Die Taucher werden einzeln registriert. Oliver Kramp trägt in ein Buch ein, wer gekommen ist und wann der jeweilige Tauchgang begann. Passiert sei in über 50 Jahren jedoch noch nie etwas, sagt Dirk Diestel.