Kein betrunkener Chef, kein Schrottwichteln und auch kein Glühwein mit Kollegen: Die Betriebsweihnachtsfeiern könnten im Corona-Jahr 2020 anders aussehen – oder gar ausfallen. Denn bei steigenden Infektionszahlen und Pandemiestufe drei in Baden-Württemberg wissen derzeit weder Betriebe noch Gastronomen, ob und wie Betriebsweihnachtsfeiern am Jahresende stattfinden werden.
Diese Entwicklung stellt nicht nur das Weihnachtsritual in Unternehmen in Frage, sondern bringt auch die bereits angeschlagene Gastronomiebranche noch weiter in Bedrängnis.
Pandemiestufe drei stellt Gastronomen vor neue Herausforderungen
„Bisher sind für dieses Jahr nur eine Handvoll Weihnachtsfeiern vorbestellt“, sagt Lukas Waldschütz, Inhaber des Überlinger Hotel-Restaurants Ochsen. „Üblicherweise haben wir in der Vorweihnachtszeit rund 50 Weihnachtsfeiern unterschiedlichster Größe, von etwa fünf bis 50 Personen.“
Weihnachtsfeiern machten etwa die Hälfte des Monatsumsatzes im Dezember aus – ein „sehr guter und arbeitsintensiver Monat“, umschreibt Waldschütz. Dazu trügen Weihnachtsfeiern aller Art bei.

Die meisten der Feiern dürften im Rahmen der aktuellen Regelungen jedoch nicht stattfinden, erklärt Waldschütz. „Sollte bis Anfang Dezember keine Verbesserung der Situation eintreten, werden diese entsprechend nicht durchgeführt werden können.“
Viele Feiern wurden dieses Jahr erst gar nicht gebucht
Auch Horst Müller, Inhaber des Hotel-Restaurants „Zur Winterstube“ in Hagnau und Vorsitzender der Kreisstelle Bodenseekreis des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), berichtet von Gaststätten im Bodenseekreis, die nur vereinzelt Buchungen für Weihnachtsfeiern haben. „Es gibt kaum eine Nachfrage nach Weihnachtsfeiern.“ Stattdessen gebe es erhebliche Absagen, viele Feiern seien erst gar nicht gebucht worden. Vor allem die Pandemiestufe drei mit verringerten Gästezahlen sorge für Verunsicherung.
„Viele Mitarbeiter können die traditionelle Weihnachtsfeier teilweise gar nicht mehr ertragen.“Jutta Boenig, Karrierecoach aus Überlingen
Firmen zögerten bislang, ob sie überhaupt eine Buchung abschließen. „Die Firmen haben keine Lust, kein Geld und sind unsicher“, interpretiert er das Verhalten.
Gespaltene Meinungen zum Ausfall von Betriebsweihnachtsfeiern
„In vielen Betrieben reagieren Mitarbeiter wütend über den Ausfall und sind sehr gespalten“, erklärt die Überlinger Karriereberaterin Jutta Boenig. Sie berät bundesweit Führungskräfte und hat Einblick in mittelständische Firmen und Dax-Unternehmen. Ursprünglich seien Betriebsweihnachtsfeiern veranstaltet worden, damit sich die Geschäftsführung bei den Arbeitnehmern für deren Arbeit bedanken konnte. „Aber viele Mitarbeiter können die traditionelle Weihnachtsfeier teilweise gar nicht mehr ertragen“, berichtet sie.

Diese Entwicklung habe bereits vor der Corona-Krise eingesetzt, doch die Pandemie lege sie nun offen. Es gebe in diesen Zeiten Anregungen, ein virtuelles Weihnachtsquiz oder Wohltätigkeitsaktionen zu organisieren. Dies finde vielerorts Zuspruch und sei „nicht mehr so gestelzt“, sagt Boenig.
Noch nicht alle Betriebe haben ihre Weihnachtsfeier abgesagt
Bereits mehrere regionale Unternehmen haben ihre Weihnachtsfeier in diesem Jahr abgesagt. Zu ihnen gehören der Überlinger Zulieferbetrieb Allweier Präzisionsteile und der Technologiedienstleister Rafi Eltec.

Anders ist die Lage bei einem großen Lebensmittelproduzenten aus dem Bodenseekreis. Aus Sorge vor einer negativen Stimmung in der Öffentlichkeit gegen den Betrieb möchte man aber in diesem Zusammenhang nicht namentlich genannt werden. Der Pressereferent sagt: „Für Anfang Dezember haben wir eine Unternehmung geplant, ein Mitmachevent.“ Dabei seien lediglich ein halbes Dutzend Mitarbeiter mit Partnern eingeladen. „Einen Plan B haben wir nicht“, sagt er. „Ich halte aber Gutscheine für die lokale Gastronomie für eine gute Idee.“

Retten Gutscheine für die lokale Gastronomie das Weihnachtsgeschäft?
Mit Gutscheinen für das hauseigene Restaurant möchte das Überlinger Romantik-Hotel und Restaurant Johanniter Kreuz das Weihnachtsgeschäft retten. „Wir versuchen da ein bisschen kreativ zu sein“, sagt Inhaber Andreas Liebich. Bislang habe es eher verhaltene Nachfrage gegeben, doch er bleibe optimistisch.
Auch Lukas Waldschütz, Inhaber des Hotel-Restaurant Ochsen, hat die Hoffnungen für Dezember noch nicht aufgegeben. „Durch eine Entzerrung und Nutzung aller Räume sehe ich auch für das normale Weihnachtsgeschäft gute Chancen, sofern sich die Situation nicht deutlich verschlechtert“, meint er. „Insgesamt ist es aber natürlich eine sehr herausfordernde Situation, die kurzfristige Reaktionen auf die Entwicklung erfordern.“