Die Frage nach dem Sinn oder Unsinn des Pollers erhitzt die Gemüter der Stadt. Kaum steht das Thema auf der Tagesordnung des Gemeinderats, brodelt es im Gremium. So auch Mitte Oktober, als die Räte mehrheitlich entschieden, die Testphase des Pfostens um ein Jahr zu verlängern.
Einige Ratsmitglieder äußerten sich kritisch zu der Entscheidung. Zum einen beeinträchtige die Verkehrsregelung die Ruhe der Kliniken in Überlingen-West. Zum anderen wurde die Sorge laut, der Poller könnte dem Einzelhandel im Stadtzentrum schaden. Genau dort hat der SÜDKURIER nachgefragt.

Normalität kehrt wieder ein
Hansjörg Schäfer findet es gut, dass die Maßnahme verlängert wird. Seit 25 Jahren betreibt er in Überlingen den Blumenladen „Flowerpower“, davon knapp zehn Jahre in der Klosterstraße. Aktuell ist der Poller zwischen 5.30 und 11 Uhr sowie 18 und 19 Uhr für Lieferverkehr und Anlieger abgesenkt.
Das sei zwar eine Herausforderung, aber machbar, sagt Schäfer: „Da mein Laden um 18 Uhr schließt, habe ich eine Stunde, um mein Auto aus dem Parkhaus zu holen und das Wichtigste zu erledigen.“

Schäfer erinnert sich noch gut an die chaotische Umbauphase in der Kessenring-Straße, die viele Kunden verunsicherte. Doch nun kehre langsam Normalität ein. „Samstags war früher immer mein bester Tag“, sagt der Betreiber. An die alten Zahlen komme er zwar noch nicht ganz ran – „aber wir können uns nicht beklagen.“
Händlerin: „Wir wollen den Poller“
Einige Häuser weiter, an der Ecke Zeughausgasse, findet Katharina Bergelt noch deutlichere Worte: „Wir brauchen keinen Verkehr, wir wollen den Poller“, sagt die Betreiberin des Second-Hand-Ladens „Bei Kathi“. Ihre Kunden hätten sich inzwischen an die Maßnahme gewöhnt und ihr Geschäft im Sommer zahlreich besucht, sagt die Händlerin.
Obwohl laut Bergelt trotz der Kennzeichnung „Anlieger frei“ weiterhin viele Autos mit auswärtigen Kennzeichen über die Grabenstraße in die Jakob-Kessenring-Straße einfahren, schwärmt sie von der neuen Aufenthaltsqualität. „Es ist schön, einen Kaffee zu trinken, ohne von Autos umgeben zu sein“, sagt Bergelt und fügt an: „Es wäre der größte Fehler, das jetzt abzuschaffen.“

Ermäßigtes Parken für Einheimische?
Eine Sache liegt der Überlingerin dennoch am Herzen: „Es wäre schön, wenn man den Einheimischen im Winter mit den Parkgebühren entgegenkommen könnte.“ Besonders in der kalten Jahreszeit, von Oktober bis Februar, sei der Einzelhandel in der Innenstadt auf die einheimische Kundschaft angewiesen. Daher schlägt Bergelt eine Ermäßigung der Parkhausgebühren um 20 Prozent oder eine Stunde kostenloses Parken vor. Einige Kunden, welche die Diskussion verfolgen, stimmen der Händlerin zu.
Verlängerung und fehlende Zahlen
Ein Blick zurück: Im März 2024 hatte der Gemeinderat nach hitziger Debatte die Installation des Pollers beschlossen, um die Verkehrsflut in der Innenstadt einzudämmen und für mehr Ruhe in der verkehrsberuhigten Jakob-Kessenring-Straße/Klosterstraße zu sorgen. Die Entscheidung stieß auch auf Widerstände – vor allem aus Sorge um den Einzelhandel.
Die Testphase sollte zunächst bis Ende Oktober 2024 laufen. Um die Wirksamkeit der Maßnahme bewerten zu können, wollte die Stadtverwaltung in diesem Zeitraum Verkehrszahlen dokumentieren. „Aufgrund von Personal- und Infrastrukturausfällen“ sei dies jedoch nicht gelungen, wie Manfred Schlenker von der Verwaltung im Gemeinderat bedauerte. Weil die Zahlen eine wichtige Grundlage für weitere Entscheidungen bilden, sollen sie nun in der verlängerten Probezeit erhoben werden.
Gutes Geschäft im Sommer
Johanna Hermann, Betreiberin eines Afro-Shops in der Jakob-Kessenring-Straße, ist etwas skeptischer: „Ich weiß nicht, was der Poller bringt.“ Sie verweist ebenfalls auf die vielen Autos, die über die Grabenstraße in die verkehrsberuhigte Zone einfahren. „Für mich als Geschäftsfrau ist es okay“, räumt sie ein. „Ich bin kein Mensch, der meckert.“
Trotz ihrer Skepsis betont Hermann: „Im Sommer ist das Geschäft richtig gut gelaufen. Besser als letztes Jahr.“ Seit der Eröffnung ihres Ladens im Juni 2023 konnte sich die Händlerin über viele neue Kunden freuen.
Ihr Mann Gerhard Hermann, seit 25 Jahren in Überlingen zu Hause, lobt die verbesserte Atmosphäre durch die Verkehrsberuhigung: „Es ist sehr schön geworden, ich finde es gut.“
Was allerdings auch ihm auffällt: „Alle Kennzeichen der Welt fahren hier durch“ – trotz der Kennzeichnung als Anliegerstraße. Für ihn ist die Maßnahme zwar nicht perfekt, aber immerhin „besser als nichts“, so Hermann.