Katharina Weise hat eine klare Meinung: „Energydrinks sind schon lecker, aber es gibt bessere Getränke.“ Sie ist 13 Jahre alt und besucht die achte Klasse der Realschule in Überlingen. In der Schule darf sie die koffein- und zuckerreichen Getränke nicht trinken. Cola sei ihr ohnehin lieber, sagt sie.

Viele ihrer Mitschüler trinken die aufputschende Flüssigkeit allerdings auch in der Schule – trotz des Verbots. Das hänge weniger mit der Wirkung zusammen, als vielmehr damit, dass die Energydrinks eben schmecken, schildert Weise. Doch der vermeintlich belebende Effekt, die Zusammenstellung und Vermarktung der Getränke ist für Schulen und Mediziner ein Problem – und kann für die Jugendlichen schwerwiegende Folgen haben.

Schulsprecherin Katharina Weise ist 13 Jahre alt und hat schon Energydrinks probiert – Schüler trinken die aufputschende ...
Schulsprecherin Katharina Weise ist 13 Jahre alt und hat schon Energydrinks probiert – Schüler trinken die aufputschende Zucker-Koffein-Mischung, weil sie schmeckt, sagt sie. | Bild: Rasmus Peters

Der Bürgerrat empfiehlt dem Bundestag deshalb sogar eine Altersgrenze von mindestens 16 Jahren für die Erfrischungsgetränke. „Nach Überprüfung eines unabhängigen wissenschaftlichen Beirats sollte die Altersgrenze auf 18 Jahre erhöht werden“, heißt es im Vorschlag. Schülerin Weise sagt dazu: „Eine Altersbeschränkung fänden sicher nicht viele gut.“ 16 Jahre wäre ihr zufolge eine hohe Grenze dafür.

Schulleiter: Schüler werden hibbelig

Für den kommissarischen Schulleiter und frühere Konrektor, Sascha Ziegelbauer, wäre ein Vorstoß dieser Art eine Unterstützung. „Eine allgemeine Regel würde den Schulen die Arbeit erleichtern und einige Diskussionen ersparen“, sagt er. An der Realschule sind die Getränke schon seit mehreren Jahren verboten. Viele bringen sie trotzdem mit, sagt Weise. Dass gerade Jugendliche danach verlangen, liegt daran, dass Zucker und Koffein ihre Wirkung voll entfalten. Das Resultat sei stark, aber halte nicht lange an. „Es ist nichts, was Kinder in dem Alter brauchen“, sagt Ziegelbauer.

Realschulleiter Sascha Ziegelbauer will keine aufputschen Getränke in den Händen seiner Schüler sehen. Dennoch werden sie vereinzelt auf ...
Realschulleiter Sascha Ziegelbauer will keine aufputschen Getränke in den Händen seiner Schüler sehen. Dennoch werden sie vereinzelt auf dem Schulgelände konsumiert. | Bild: Rasmus Peters

Auch die milderen Variationen wie Cola und Eistee sind an seiner Schule ebenfalls ungern gesehen. „Die Schüler sind im Unterricht hibbelig und unaufmerksam“, schildert Ziegelbauer. Der Konsum nehme ab der 8. Klasse zu, schildert der Schulleiter. „Wir hatten aber auch schon Fünftklässler mit Dosen in der Hand.“

Verbot von Energydrinks

Von 2010 bis 2012 führte die Realschule erstmals das Siegel „Gesunde Schule“, dann wieder von 2015 bis 2018. Für den nächstmöglichen Turnus plant Ziegelbauer, das Siegel erneut zu beantragen. Das Prädikat können Einrichtungen beim Landratsamt Bodenseekreis beantragen und erhalten, wenn diese Maßnahmen für gute Ernährung treffen. In der Realschule bieten Lehrer in Projektwochen Kochkurse an und klären die Schüler über Nebenwirkungen von Energydrinks auf. Für Ziegelbauer ist klar, dass Energydrinks nichts mit gesunder Ernährung zu tun haben.

Softgetränke mit stimulierender Wirkung wie Energydrinks, Cola und Eistee sind an der Realschule Überlingen verboten. Die Schüler ...
Softgetränke mit stimulierender Wirkung wie Energydrinks, Cola und Eistee sind an der Realschule Überlingen verboten. Die Schüler bringen sie hin und wieder dennoch mit. | Bild: Rasmus Peters

Wie Cola, nur noch höher dosiert

Warum das so ist, erläutern Roland Simeoni und Grit Wildemann vom Helios-Spital Überlingen. „Eine Halbliter-Dose enthält etwa so viel Zucker wie ein halbes Glas Nutella“, sagt Simeoni. Er ist Chefarzt für Kardiologie am Helios-Spital in Überlingen. „Diese Menge entspricht etwa 60 Gramm Zucker“, ergänzt Ernährungsberaterin Wildemann.

Kardiologe Roland Simeoni und Ernährungsberaterin Grit Wildemann.
Kardiologe Roland Simeoni und Ernährungsberaterin Grit Wildemann. | Bild: Rasmus Peters

Was den Koffeingehalt angeht, kratzen die Hersteller an den Grenzen der Legalität. Es ist je nach Hersteller in der höchsten, gesetzlich zugelassenen Menge enthalten. Laut Simeoni beinhalten gängige Energiegetränke circa 330 Milligramm Koffein je Liter. Sie folgen demselben Prinzip wie Cola, sind aber noch höher dosiert – sowohl beim Zucker als auch beim Koffein.

Überdosierung mit Folgen

Gegen einen Espresso habe niemand etwas einzuwenden, im Gegenteil, der sei tatsächlich kreislauffördernd, sagt der Kardiologe. Überhaupt seien bis zu vier Tassen Kaffee am Tag noch unbedenklich. Zumindest, wenn man mit 100 Milligramm Koffein je Becher rechne. Bis zu 400 Milligramm seien für einen gesunden Erwachsenen verträglich. Die Grenze bei Kindern und Jugendlichen bei drei Milligramm, schreibt die Deutsche Herzstiftung auf ihrer Webseite.

Die Inhaltsstoffe wirken abhängig vom Körpergewicht. „Kinder haben ohnehin schon einen höheren Herzschlag als Erwachsene“, sagt Simeoni, und sie seien anfälliger auf saure Milieus im Mund. Diese werden unter anderem von Zucker ausgelöst und stärke die Bakterienvermehrung. Das wirkt sich auf den Zahnschmelz aus und fördert Karies.

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„Geht der Wirkstoff in die Überdosierung, kann er mit teils fatalen Folgen wie Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck einhergehen“, sagt der Kardiologe. Hinzu kommen Schlaflosigkeit, Nervosität, Übelkeit – die Liste ist lang. Und sie setzt sich beim Zucker fort: Diabetes Typ 2, Karies, Studien zeigen gar einen Zusammenhang zwischen Energydrinks und Haarausfall, sagt Ernährungsberaterin Wildemann.

Gewöhnung, keine Abhängigkeit

Simeoni: „Es ist schlicht ein Getränk, das die Welt nicht braucht.“ Und die einzigen, die für solche Mengen Kohlenhydrate Verwendung hätten, nämlich Ausdauersportler, haben bessere Alternativen. Immerhin: Eine Abhängigkeit ist laut dem Kardiologen nicht zu erwarten, aber der Körper könne eben daran gewöhnt werden, sodass er immer wieder danach verlangt.

Roland Simeoni, Kardiologe am Helios Spital in Überlingen.
Roland Simeoni, Kardiologe am Helios Spital in Überlingen. | Bild: Rasmus Peters

Hinzu komme laut Wildemann, die Vermarktung als modernes Getränk. Nicht nur die Hersteller bewerben ihre Produkte, auch Influencer preise ihre eigenen Energydrinks an.