Die Hospizgruppe Überlingen hat ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert. Seit 1994 sind ehrenamtliche Hospizbegleiter in der Stadt unterwegs, leisten schwerkranken und sterbenden Menschen wertvollen Beistand – ob zu Hause, im Altenheim oder im Krankenhaus.
Und so ging es denn auch bei der Feier im evangelischen Gemeindesaal am See, beim anschließenden Grillen im Garten und beim Gottesdienst in der Auferstehungskirche vor allem ums Sterben – „die zutiefst existenzielle Situation des Lebens“, wie die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan in ihrer Laudatio für die Ehrenamtlichen sagte.
Hospizarbeit trägt „ganz unmittelbar“ zur Humanität bei
Schavan, Schirmherrin des Vereins, brachte dabei einen interessanten Aspekt ein: Gerade erst seien wieder die lebenswertesten Städte Deutschlands gekürt worden – mit Ulm an der Spitze. Doch neben Parametern wie Wohnen, Kultur oder Mobilität vermisse sie dort eine wichtige Kategorie: „Die Humanität, die in einer Stadt gelebt wird.“
Denn die Erfahrungen von Menschen mit Menschen sorgten „für eine ganz bestimmte Prägung“. Und wer in der Hospizarbeit tätig sei, trage ganz unmittelbar zu dieser Humanität bei, mache wertvolle Erfahrungen für das eigene Leben und lasse diese „einfließen in das, was an menschlichem Miteinander, an Solidarität, an Empathie gelebt wird“.

Für Andreas Kruse, in Überlingen lebender Professor für Alterswissenschaft, geht es eben genau darum – eine „Kultur des Sterbens“ für unsere heutige Zeit zu entwickeln, um Menschen „aus der Einsamkeit des Sterbens“ herauszuholen. „Es gibt ein Leben zwischen Leben und Sterben“, sagt Kruse, der viel zum Thema geforscht hat. Oft zögen sich Sterbende sukzessive immer tiefer zurück, um gleichzeitig immer wieder für Momente zurückzukommen ins Leben – „ein Wechselspiel zwischen Introversion und Extroversion“. Kruse zieht die Parallele zur Musik von Mozart, den Wechseln von Dur nach Moll und zurück. „So sehr ist der Tod vom Leben durchdrungen und das Leben vom Tod.“
Richtige Worte zu finden als „große Aufgabe“
Wie könne eine Hospizarbeit aussehen, „die uns in diesem Übergang sprechfähig macht“, fragt der Professor, „die uns in die Lage versetzt, mit Sterbenden zu reden und die richtigen Worte zu finden – das ist eine große Aufgabe.“ Man dürfe denn auch nicht zu früh von einem sterbenden Menschen sprechen, mahnt der Experte, und zitiert Rose Ausländer mit ihrem berühmten Gedicht „Noch bist du da“. Für Kruse ist Sterben ein „Entwicklungsschritt“, bei dem der individuelle Geist wieder in den universellen Geist zurückkehre. „Durch eine solche Grenzsituation können wir nicht ohne Begleitung schreiten.“
Auch wenn es beim Jubiläum der Hospizgruppe um ein ernstes Thema ging, durfte auch reichlich gelacht werden an diesem Nachmittag. Dazu trug nicht zuletzt der Vorsitzende der Hospizgruppe, Willi Rinderer, mit seiner humorvollen Art bei, oder auch Liedermacher Andreas Bücklein, der mit einer Reihe unterhaltsamer Stücke aus eigener Feder den Lebensweg „von pränatal bis postmortal“ nachzeichnete.
Rinderer konfrontierte die Redner auch mit persönlichen Fragen. Oberbürgermeister Jan Zeitler etwa erzählte, warum ihm die Hospizarbeit viel bedeute. Als seine Mutter im Hospiz gestorben sei, habe er „diese wertvolle Betreuung sehr schätzen gelernt“.
42 ehrenamtliche Hospizbegleiter in Überlingen
Für die Hospizgruppe Überlingen sind aktuell 42 ehrenamtliche Begleiter aktiv. „Damit sind wir ganz gut aufgestellt“, sagt Ortwin Engel-Klemm, seit Oktober 2023 Koordinator des Vereins. Interessierte seien aber jederzeit willkommen. Sie werden in einer umfangreichen Fortbildung zu Hospizbegleitern geschult.
Für das Thema sensibilisieren will die Hospizgruppe auch mit drei Filmen, die in der Cinegreth am Landungsplatz gezeigt werden: „Halt auf freier Strecke“ am 7. Oktober, „Wolke unterm Dach“ am 4. November und „Alles ist gut gegangen“ am 2. Dezember. Zum Welthospiztag am 12. Oktober gibt es zudem eine Veranstaltung am Münster vor der Münstertreppe.