Fastnacht, das Schwellenfest vor der Fastenzeit, ist vorbei. Zum Aschermittwoch stellte der SÜDKURIER die Frage, inwieweit Fastnacht und christlicher Glaube heutzutage noch eine Beziehung zueinander haben.
Doch, die Verbindung zeige sich noch, meinen Überlingens Münsterpfarrer Bernd Walter und der Meersburger Stadtpfarrer Matthias Schneider. Beide verweisen auf die vollen Kirchen bei den Narrenmessen, die auch die aktiven Fastnachter als Beweis für die weiter lebende Verbindung ins Feld führen.
Er freue sich über die gut besuchten Gottesdienste an den Hochfesten wie Weihnachten und Ostern – und eben auch über das Interesse an der Messe zum Narrentag, sagt Überlingern Münsterpfarrer Bernd Walter. Denn längst spiele das dritte Gebot „Du sollst den Feiertag heiligen“ leider keine Rolle mehr. Dieser Gedanke sei in den letzten Jahren total weggebrochen. So seien Narrenmessen „eine Chance, um Menschen zu erreichen und zu zeigen wie Kirche ist“. Schließlich liegt in jedem Menschen eine „ungeheure Sehnsucht nach Angenommensein“, die letztlich nur Gott selbst stillen könne. „Gott ist die Antwort auf all unser Suchen und Fragen, wie christlicher Glaube die Antwort auf den Ursprung der Fasnet ist“, sagt der Münsterpfarrer.

Narren haben guten Kontakt zur Kirche
Alle befragten aktiven Narren sind überzeugt, einen guten Kontakt zu den Kirchen zu haben, wie es Karl-Heinz Rimmele von der Narrengesellschaft Sipplingen ausdrückt. Narrenmessen gebe es im Dorf regelmäßig, aber auch dort geht man, wie andernorts, als Zunft nicht geschlossen in die heutige Aschermittwochsmesse. Das erwarten die Pfarrer auch nicht, dass sich am heutigen Aschermittwoch ihre Kirchen mit bußfertigen Narren in Zunftstärke füllen.

Glaube und Gottesdienstbesuch sind etwas ganz individuelles, sind sich die befragten Narrenfunktionäre einig – und im Gegensatz zu früher holt heute die meisten ihr Arbeitsalltag wieder ein. „Wir schaffen das von der Zeit her gar nicht mehr, heute noch in einen Gottesdienst zu gehen“, meint Überlingens Narrenmutter Wolfgang Lechler. Heute sehe der Glaube anders aus als im Mittelalter, in dem die Fastnacht entstand.

„Und jeder Narr hat sicher seinen ganz eigenen Glauben.“ Gemeinsam mit Narrenvater Thomas Pross ist er aber sicher, dass für die meisten Narren heute eine bewusste Zeit der Enthaltsamkeit beginnt. „Ob man nun den Alkohol weglässt oder eine Handy-Diät macht“, sagt Pross, für den das Christentum unsere Kultur geprägt hat. Das Verhältnis zwischen Fastnacht und Kirche habe sich aber seit dem Mittelalter gewandelt. „Wir leihen heute ja auch kein Teufelshäs mehr in der Kirche aus“, spielt er auf die Fastnachtsordnung von 1496 an.

Aschermittwoch „Kontrapunkt“
In Meersburg lädt Pfarrer Stadtpfarrer Matthias Schneider immer am Sonntag vor Fasnacht, wenn der Narrenbaum gestellt wird, zu einem besonderen Gottesdienst ein. Aus einem Versuch 2011, als er neu in Meersburg gewesen sei, habe sich ein Selbstläufer entwickelt. „Im Gottesdienst erlebten alle zusammen eine Stimmung, die die Menschen anspreche und berühre – ganz echt und authentisch, ohne aufgesetzt oder künstlich zu sein. „Wir hören das Wort Gottes, feiern den Gott des Lebens – ganz selbstverständlich in fasnachtlicher Freude.“ Für ihn persönlich gehöre nach der umtriebigen Fasnacht der Aschermittwoch als Kontrapunkt dazu, mit der Auflegung des Aschenkreuzes und dem Zuspruch: „Gedenke Mensch, Staub bist du und zum Staub wirst du zurückkehren. Bekehre dich und glaube an das Evangelium.“ Er kenne Fasnachtsaktive, denen es ebenso gehe und die auch ganz bewusst diesen Gottesdienst besuchten. „Die große Masse würde ich aber nach den Erfahrungen früherer Jahre nicht direkt erwarten, zumal am Aschermittwoch als Werktag der Alltag für die Leute wieder einzieht.“ Die Fastnacht biete mehr das „Gemeinschaftsevent“, während die Fastenzeit mehr jeden einzelnen persönlich anfrage. So kommt Schneider zum Schluss: „Beides gehört ganz sicher zusammen, Fasnacht und Fastenzeit, und das hat seine Wurzel im Glauben.“

Fastnacht teils „fehlinterpretiert“
Kein Wunder, dass Meersburgs Zunftmeister Norbert Wassmer sagt, dass Fastnacht und christlicher Glaube auch heute noch „eindeutig“ eine Beziehung zueinander haben. Er verweist auf die Narrenmesse, in der die 500 bis 600 Hästräger miteinander nicht nur das Schnabelgierelied, sondern auch „Großer Gott wir loben Dich“ intonieren. Dass die Fastnachtszünfte seit rund 100 Jahren exponentiell wachsen, selbst in protestantischen Gebieten, der Glaube und die Fastenzeit in ihrem ursprünglichen christlichen Sinn aber eine immer geringere Rolle spielen, ist für Wassmer durchaus ein Widerspruch. „Weil Fastnacht heute teilweise auch fehlinterpretiert wird. Fastnacht ist nichts Grenzenloses, nichts Unendliches. Auch hier ist Hirn, Herz und Rücksicht gefragt. Und wen teilweise der Kommerz, die Gastronomiebewirtung und Nebengeschäfte wichtiger sind wie das eigentliche Maskentreiben auf der Straße, stimmt zwar die Kasse, aber nicht die Narretei.“

Grundsätzlich erlebe man in Hagnau vermehrt einen Wandel in der Bevölkerung, dem auch die Dorffasnacht unterliege, sagt Michael Heitele vom Narrenverein Eule. Der Stellenwert des Aschermittwoch sein nicht mehr vergleichbar mit dem zurückliegender Generationen. Auch die persönlichen Prioritäten hätten sich verschoben, man nehme schon nicht mehr wie früher Urlaub für die Fastnacht und spätestens am Aschermittwoch kehre der Arbeitsalltag ein. Dann gibt Heitele zu bedenken: „Viele nehmen überregional die Fastnacht als Chance, ein Miteinander zu schaffen. Das dies nicht überall im ursprünglichen Sinne der (katholischen) Kirche entstehen kann, ist nur logisch. Dennoch versuchen hierüber Gemeinden und Vereine, auch aktuelle Herausforderungen zu lösen – bspw. als Mittel für mehr Integration und Toleranz in der Gemeinde/Gesellschaft.“

Fasnet sei für die veranstaltenden Narrenvereine ein „hartes Geschäft“, meint Dieter Kelm von den Mimmenhausener Goldkäfern. Der Aufwand, diese tollen Tage für den Verein und die Gemeinschaft zu stemmen, ist nicht unerheblich. Im Umkehrschluss sei der Aschermittwoch ein willkommener Ruhetag. Messen für Narren oder der Besuch des Pfarrers als Ehrengast bei Veranstaltungen gehöre einfach dazu. Den tiefen Sinn im christlichen Glauben zu verorten, ist für Kelm dabei eher eine akademische Frage. „Ich denke für die Menschen ist die christliche Kirche einer der Anker für ein Gemeinschaftsgefühl, so wie die Region Bodensee, der alemannische Dialekt und unsere Traditionen wie die Fasnacht.“

Persönlich hätte Helga Boonekamp, Vizepräsidentin der Narrengesellschaft Oberuhldingen, kein Problem mit Kirchgang am Aschermittwoch, erklärt sie. „Ich denke aber, da würden wir keine große Mehrheit mit ansprechen können.“ Nicht nur bei der Fastnacht regiere in unserer heutigen Gesellschaft der „Spaßdrang“; in unserer Spaßgesellschaft ginge der tiefere Hintergrund für Feste allgemein verloren. Und: „Fasten hat heute einen anderen Stellenwert für viele Menschen und nur noch selten und wenig mit dem Hintergrund Kirche zu tun.“ Wenn es darum gehe, Wurzeln, Ursprung und Geschichte bezüglich Fastnacht und Kirche wieder mehr in unser Bewusstsein zu rücken, sagt Boonekamp, da möge Professor Metzger recht haben. „Für die christliche Gemeinden allgemein sehe ich bei der Institution Kirche selber größeren Handlungsbedarf.“