Fastnachtsdienstag. Während sich die Fastnacht in Überlingen mit großen Schritten dem Ende neigt – im Grunde nahezu vorbei ist – geht es für Christine Meßmer erst so richtig los. Die Überlingerin feiert nämlich in Oberndorf weiter – und hat auch ein entsprechendes Häs oder „Kleidle“, wie es in der Stadt am Neckar korrekt heißt. Und Überlingen nimmt sie mit, wenn sie dort feiern geht. Auf den Beinen ihres „Narro“ befinden sich nämlich die (gemalten) Narreneltern. Und jucken auf diese Weise in Oberndorf mit.

Mitten in der Fasnet geboren

Christine Meßmer ist ein Überlinger Urgestein – mit Fernweh und gehörig viel Fasnet im Blut. Kein Wunder, schließlich ist sie mitten in der Fastnacht geboren. Ebenso wie ihr Bruder und ihre Mutter. Die Fastnacht wurde der Familie also buchstäblich in die Wiege gelegt.

„Als ich noch ein Kind war, haben wir in der Franziskanerstraße gewohnt, in dem Haus, in dem jetzt der Holzer sein Geschäft hat“, sagt sie. Damals habe man beim Hänselejuck noch ein riesiges Holztor ins Franziskanertor eingehängt. „Und das ging dann auf und alle Hänsele kamen heraus“, erinnert sich Meßmer mit leuchtenden Augen. Am Fenster stand nicht nur die kleine Christine – sondern auch der Rest der Familie, zumindest der Teil, der nicht beim Umzug dabei war.

Wie sie zum närrischen Kleid kam

Ihr Großvater war Narrenmutter, ihr Bruder Klaus Meßmer lange Chef der Zimmermannsgilde, eine Funktion, die jetzt von ihrem Neffen Florian ausgeübt wird. Kein Wunder, nennt die Familie Meßmer doch eine Zimmerei ihr Eigen. Christine selbst lief früher beim Sonntagsumzug mit. Und dann, 1992, zog sie der Liebe wegen nach Oberndorf. „Und weil dort auch Frauen ins Kleid dürfen, war für mich sofort klar, dass ich ein Häs haben will.“ Meßmer kaufte Stoff und Schnittmuster, baute ihre Nähmaschine auf und legte los.

Als das gute Stück fertig war, ließ sie es von Künstler Michael Meier bemalen. Das Besondere sind die Beinrückseiten: ein Mann mit Frack und Zylinder und eine Frau in Tracht. Unschwer und sofort zu erkennen: die Überlinger Narreneltern. Doch etwas ist anders. Die Frau ist eine Frau und nicht, wie bei den Überlinger Narren üblich, ein Mann. „Ich hatte Sorge, dass das mit einem Mann nicht abgenommen wird vom Elferrat“, sagt Christine Meßmer. „Deshalb habe ich vorsichtshalber ein Frauengesicht malen lassen.“ Die Überlinger Narreneltern jucken also in Oberdorf mit, dem Ort, der für Meßmer für 28 Jahre lang Heimat war.

Bild 1: Im besonderen Häs: Christine Meßmer läuft beim Historischen Narrensprung mit
Bild: Bast, Eva-Maria
Bild 2: Im besonderen Häs: Christine Meßmer läuft beim Historischen Narrensprung mit
Bild: Bast, Eva-Maria

Zurück zur närrischen Hochburg an den Bodensee

Seit der Pandemie wohnt sie wieder in Überlingen: Im Jahr 2020 befand sie sich auf einer zweijährigen Reise mit dem Wohnmobil durch Südamerika. Aber eine Närrin ist eine Närrin. Vor allem, wenn sie in gleich zwei närrischen Hochburgen eine Heimat gefunden hat. „Ich wollte unbedingt beim Narrentreffen in Überlingen dabei sein – und habe dafür meine Südamerikareise unterbrochen“, erzählt Meßmer. Doch dann kam die Corona-Pandemie und sie ist buchstäblich in ihrer alten Heimat gestrandet. Und ist glücklich mit dieser Wendung des Schicksals.

Ihre Wohnung schmücken nun die Dinge, die ihr wichtig sind: Die Masken aus Oberndorf mit den jeweiligen Utensilien, Brezele und Orangen, liebevoll aus einer Modelliermasse geknetet. Kleine Hänselefiguren. Und ein thailändischer Tempel nebst Ganesha, dem Elefantengott. Wie passt der da rein? Die reiselustige Christine Meßmer arbeitete eine Zeitlang immer im Winter in Thailand – und erlebte dort 2004 den Tsunami mit. „Wir waren weit draußen auf einem Boot und die Welle ging unter uns durch“, berichtet sie. Gemerkt davon haben wir nichts, die Welle hat sich erst am flachen Strand aufgebaut.“ Erst nach und nach habe man dann begriffen, was passiert sei. „Niemand von uns hatte je zuvor von einem Tsunami gehört.“

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Beim historischen Narrensprung in Oberndorf dabei

Die Saison in Thailand ging immer bis April. Für Meßmer bedeutete das bittererweise: Verzicht auf Fastnacht. Umso begeisterter feiert sie in diesem Jahr. Ihre Überlinger Höhepunkte sind der Frauenkaffee, der Schmotzige, der Kindergartenumzug, der Hänselejuck und natürlich der Sonntagsumzug. Dieses Jahr gab es für sie am Sonntag sogar zwei Umzüge: Als der in Überlingen zu Ende war, fuhr sie noch nach Elzach zum Schuttigumzug. „Der ist einfach genial.“ Am Montag gings dann weiter nach Oberndorf, wo am Nachmittag beim Schantle-Umzug traditionell Orangen und Würste verteilt werden.

Und am Dienstag steht sie schon ab 8.30 Uhr für den Historischen Narrensprung in Oberndorf bereit. „Und danach geht‘s in die Wasserfallturnhalle. Da sind alle Narren zusammen, das ist ein Highlight“, sagt sie mit leuchtenden Augen. „Das ist einfach grandios. Da bin ich jedes Jahr total aufgeregt und in Hochform.“