Eine 45-Jährige aus der Bodenseeregion stand wegen des Vorwurfs des Betrugs und vorsätzlichen Fahrens ohne Führerschein vor dem Amtsgericht in Überlingen. Gemeinsam mit ihrem Neffen soll sie einen 34-Jährigen, der einen Hausmeisterservice führt, um 5000 Euro gebracht haben. Ihr Neffe ist bereits rechtskräftig für die Tat verurteilt. Bei ihr kam es allerdings nicht zu einem Urteil. Das Strafverfahren wurde gegen 100 Arbeitsstunden eingestellt.

So kam es zu dieser Entscheidung: Der Staatsanwalt legte der 45-Jährigen zur Last, im Oktober 2022 in einem Internetportal eine Anzeige für die Übernahme eines Winterdienstauftrages eingestellt zu haben. Konkret ging es um die Betreuung von Bahnhöfen im Auftrag der Deutschen Bahn. Laut Staatsanwalt sollte als Vermittlungsgebühr ein mittlerer fünfstelliger Betrag fällig werden. In der Branche ist es üblich, dass Subunternehmer Aufträge weitergeben. Hier trat der Neffe mit seiner Firma als Verbindungsmann auf.

„Ich habe Herzrasen bekommen“

5000 Euro wechselten als Anzahlung den Besitzer. Danach passierte für den Geschädigten jedoch nichts mehr. Es herrschte Funkstille, obwohl es ein Treffen im Lager des 30-jährigen Neffen hätte geben sollen, um Streugut abzuholen. „Ich selbst habe Herzrasen bekommen, weil der Winter angefangen hat“, sagte der selbstständige Hausmeister und Gebäudereiniger vor Gericht. Der 34-Jährige hatte Angst, die Bahnhöfe nicht wie vereinbart bedienen zu können. Mit dem verurteilten 30-Jährigen hatte er einen Vertrag über fünf Jahre geschlossen. Dass die ursprüngliche Absprache mit der Deutschen Bahn gar nicht zustande gekommen war, wusste der Geschädigte zu dem Zeitpunkt nicht.

Die Angeklagte, die von Beruf Bilanzbuchhalterin ist, bestätigte zwar, die Anzeige im Internet erstellt und den Vertrag abgetippt zu haben. Die Schuld für den Betrug schob sie aber ihrem Neffen zu. Davon, verhandelt und Geld angenommen zu haben, wollte die 45-Jährige nichts wissen – obwohl der Geschädigte und ihr Neffe, der vor Gericht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht wegen Verwandtschaft verzichtete, Gegensätzliches behaupteten. „Sie hat das Geld entgegengenommen und gezählt“, sagte der betrogene Hausmeister. Sein Vertragspartner erklärte, dass er sich die 5000 Euro im Auto mit seiner Tante geteilt habe. Die Angeklagte quittierte diese Aussagen mit Kopfschütteln. Dass ihr Neffe den Auftrag der Deutschen Bahn gar nicht hatte, war ihr nach eigenen Angaben unbekannt.

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Nach Burnout zurück ins Leben

Ihren Versuch, den 34-jährigen Geschädigten in der Verhandlung anzusprechen, wehrte Richter Alexander von Kennel energisch ab: „Sie sind jetzt ruhig.“ Auf der Anklagebank trug die 45-Jährige Kopfbedeckung und Sonnenbrille. Gebracht worden war sie von einer Polizeistreife, da sie einen ersten Termin versäumt hatte. Über lange Zeit hatte sie keine Post mehr geöffnet. Ihr Smartphone musste sie an der Richterbank abgeben, nachdem sie immer wieder darauf herumgetippt hatte. Von sich selbst zeichnete sie das Bild einer erschöpften Frau, die sich nach einem Burn-out langsam zurück ins Leben kämpft. Ihr Neffe habe sie immer wieder um Geld gebracht und verstecke sich hinter seiner Drogensucht. Über Monate hatten Tante und Neffe keinen Kontakt, ehe es zu der Tat kam. „Es war ein schreckliches Jahr“, erklärte die Anwältin der 45-Jährigen.

Zu großes Vertrauen in den Neffen?

„Was sie gedacht hat, ob etwas an den Aufträgen dran ist, dazu kann man viel sagen“, resümierte Richter von Kennel. Sowohl Tante als auch Neffe beharrten vor dem Amtsgericht auf ihren subjektiven Ansichten. Gegenprobe bildete lediglich die Aussage des Geschädigten. Der 34-Jährige sagte: „Sie wirkte auf mich, als ob sie alles kontrolliert.“ Die Angeklagte erklärte: „Die Zwei haben kommuniziert.“ Und meinte damit angebliche Absprachen vor den Zeugenaussagen. Ihre Anwältin betonte: „Das Einzige, was man ihr vorwerfen kann, ist, dass sie ihrem Neffen so sehr vertraut hat nach der ganzen Vorgeschichte.“ Der Richter hielt dagegen: „Der Geschädigte hat das genauso wiedergegeben wie bei der Polizei.“

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Aufgrund ihrer Schulden wurde eine Zahlung über 2500 Euro an das Opfer ausgeschlossen. Stattdessen muss sie die Arbeitsauflage von 100 Stunden erfüllen. Organisiert wird diese über den Bezirksverein für soziale Rechtspflege in Konstanz. Richter Alexander von Kennel forderte: „Sie müssen bitte den Brief aufmachen. Es muss vorangehen. Die Probleme werden nicht geringer.“ Die Kosten für das nun eingestellte Verfahren trägt die Staatskasse, sagte von Kennel.