Bevor Fritz Krefeld im Café International loslegen und den Gästen die Überlinger Fasnacht erklären kann, geben Nika und Otto schon einmal bereitwillig Auskunft, was man als Hästräger zu beachten hat. Die beiden Jungs genießen ihren Auftritt an diesem Nachmittag sichtlich. Maria Gratia Rinderer und ihr Team haben wie jeden Freitag im Kolpingsaal Kaffee und Kuchen angerichtet und den Raum mit Luftschlangen und Ballons geschmückt. Es ist bereits Tradition, dass sie jeweils am Fasnachts-Freitag den Überlinger Neubürgern, egal welcher Nationalität, näherbringen, was es mit den Bräuchen und Feiern zu dieser Jahreszeit auf sich hat.
Aza Kaloyan, Mutter von Nika und Otto, kommt seit Gründung des Café International vor mehr als acht Jahren, regelmäßig hierher. Die Familie emigrierte 2013 aus Georgien nach Deutschland und fand in dem Angebot eine hilfreiche Stütze. Migranten können hier Leute kennenlernen, die neue Sprache üben oder bekommen Unterstützung beim Ausfüllen von Dokumenten. Für die Kinder stehen immer Spiele und Bastelmaterial bereit. Mittlerweile gehört Aza Kaloyan selber zu den Helfern im Café International.
Otto hat Spaß als Hänsele
Ihre beiden Söhne haben die Fasnacht bereits verinnerlicht. Nika sagt, er wäre als Hänsele unterwegs, weil es Spaß mache. Und was macht daran Spaß? „Vor allem die Leute zu ärgern“, grinst der 12-Jährige, der zur besseren Verständigung kurz die Maske angehoben hat. Dann zeigen die beiden Jungs, der jüngere Otto ist stolz darauf in Überlingen geboren zu sein, was man als Hästräger beachten muss.
Die Details sind ihnen sehr wichtig. Bei der Frage des Schuhwerks wollten sie sich auf keine Kompromisse einlassen, berichtet Mutter Aza Kalyon. Also hat sie den beiden schwarze Halbschuhe gekauft und natürlich auch ein weißes Hemd mit besticktem Kragen. Den Rest kann man zum Glück ausleihen. So ausgestattet waren sie auch beim Narrentreffen in Oberndorf dabei.
Wie der Hänsele-Rüssel zum Einsatz kommt
Dann ist es Zeit für den Vortrag von Fritz Krefeld. Dabei lernt die internationale Zuhörerschaft, dass Hänsele auch auf Arabisch Hänsele heißt. Neben dem Überlinger Fastnachts-Experten steht Shanaz Gallo aus Syrien. Sie übersetzt die wichtigsten Dinge. Eine nicht ganz einfache Aufgabe, da an manchen Stellen allein der Transfer ins Hochdeutsche für Zugereiste eine Herausforderung wäre. Die Gäste hören jedenfalls aufmerksam zu, wie Krefeld die fünfte Jahreszeit als fünftes Leben beschreibt. Er erläutert die katholische Tradition und dass es in der alemannischen Fastnacht viel um Geister geht.
Ob der Fuchsschwanz echt sei, möchte ein Zuhörer wissen. „Natürlich“ betont Krefeld, das sei ein Zeichen der Männlichkeit. Dann beschreibt er, wie der Rüssel der Maske zum Einsatz kommt. Damit könne der Narr den Damen unter der Nase kitzeln oder wahlweise die Frisur ruinieren. Auch das Schnellen der Karbatsche, einer ehemaligen Hirtenpeitsche, kommt zur Sprache. Dann geht er noch auf die Kostüme der Damen an der Fasnet ein.
Der Überlinger Narrenmarsch wird angestimmt
Monika Neumann ist im Outfit der Alten Wieber gekommen, was auf die vornehmen Kaufmannsfrauen zurückgehe, so Krefeld. Zum Schluss gibt er noch einen Überblick, welche Umzüge und Feiern es bis zur Beerdigung und Hexenverbrennung am Dienstag gibt.
Den Praxis-Teil untermalen Musiker aus Hödingen und Nesselwangen. Auch sie kommen schon seit acht Jahren ins Café International, um den Neubürgern die Fastnacht näherzubringen und den Narrenmarsch anzustimmen. Musik funktioniert über Sprachgrenzen hinweg – es wird geschunkelt, getanzt und die Polonaise macht vor allem den Kindern viel Spaß.

Internationaler Chor als nächstes Projekt
„Ich bin ganz stolz, dass wir mittlerweile zwei Hänsele haben!“, sagt Maria Gratia Rinderer ein bisschen außer Atem nach den Runden durch den Saal. Sie kennt Nika und Otto seit Kleinkind-Zeiten beziehungsweise Geburt. Sie freut sich, dass die beiden heute die Überlinger Tradition demonstrieren und so viele Gäste gekommen sind. Maria Gratia Rinderer und ihr Team, ehrenamtliche Helferinnen, die fast alle schon von Anfang an dabei sind, haben bereits viel erreicht mit ihrem Engagement für Geflüchtete. Aber die Initiatorin würde das gerne noch ausbauen. „Ich möchte einen internationalen Chor ins Leben rufen“, sagt Rinderer. Leider sei die Suche nach einem Chorleiter, der bereit wäre, diese Aufgabe zu übernehmen, bisher nicht erfolgreich gewesen. Vielleicht geht der Wunsch ja in diesem Jahr in Erfüllung.