Es geht im Grunde nur um die logische Fortsetzung der Bemühungen um eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt und einen Anschluss an die aufgewertete Hafenstraße. Wie sensibel das Thema allerdings ist, wurde in der aktuellen Ratssitzung schnell deutlich. Helmut Köberlein von der Abteilung Tiefbau hatte noch keine Minute zum Thema gesprochen, da fuhr ihm Günter Hornstein (CDU) in die Parade. Nicht weil er gegen die Planung wäre, die auch seine Fraktion mehrheitlich befürwortet, sondern weil Köberlein auf eine alte Präsentation zurückgegriffen hatte, auf der am Rande noch – oder: schon – die Polleröffnungszeiten vermerkt waren.

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Es ging erst mal nur um Straßenrecht

Doch um diese strittige Frage sollte es noch gar nicht gehen, versuchte Oberbürgermeister Jan Zeitler zu besänftigen. Sondern lediglich um die straßenrechtliche Voraussetzung zur Schaffung eines neuen verkehrsberuhigten Bereiches in Kloster-, Kessenring- und Grabenstraße. Mehr stelle die erforderliche „Teileinziehung“ nicht dar, die der Rat am Ende bei vier Gegenstimmen beschloss. Völlig offen sei noch, ob später einmal 2000 oder 4000 motorisierte Fahrzeuge pro Tag als Zielvorgabe in diesem Bereich gewünscht würden, legte der OB später nach. Die Weichenstellung dazu, erklärte er, werde erst am 13. März getroffen.

Über 100 Einwände mit identischer Begründung

Unterdessen hatte Helmut Köberlein, Abteilungsleiter Tiefbau in der Stadtverwaltung, versucht, die 163 Stellungnahmen gegen die Teileinziehung darzulegen, von denen sich allein mehr als 100 der exakt gleichen Begründung eines Wortführers bedient hatten, einige andere aus dem Umland oder ganz ohne Unterzeichner waren. Das angestrebte Ziel einer Belebung der Innenstadt werde nicht erreicht, waren Argumente, ja der Handel werde geschädigt.

Die Jakob-Kessenring-Straße wird zurzeit saniert. Die Innenstadt soll verkehrsberuhigt werden mit Poller. Darüber gibt es geteilte ...
Die Jakob-Kessenring-Straße wird zurzeit saniert. Die Innenstadt soll verkehrsberuhigt werden mit Poller. Darüber gibt es geteilte Meinungen. | Bild: Lisa Sperlich

Köberlein hielt Erkenntnisse von Stadtmarketing-Experten dagegen. Zudem betonte der Tiefbauer noch einmal, dass es sich bei der Teileinziehung nicht um eine „straßenverkehrsrechtliche“, sondern lediglich um eine „straßenrechtliche“ Maßnahme handle. Die ganzen 17 Seiten vorzutragen, ersparte Ulf Janicke (LBU/Grüne) dem Referenten und dem Gremium auch deshalb mit einem Geschäftsordnungsantrag, der mit zehn zu neun Stimmen angenommen wurde. Zumal im Gemeinderat „bis auf die Poller-Diskussion“ (Janicke) Einigkeit über die Teileinziehung herrsche.

Ingo Wörner (FDP) wurde grundsätzlich

Doch in Sachen Einigkeit hatte Janicke die Rechnung ohne Stadtrat Ingo Wörner (FDP) gemacht, der zu Beginn der Diskussion dennoch ins Grundsätzliche ging und die Frage stellte, um „welches Allgemeinwohl“ es gehe. Gerne mag diese Skepsis das halbe dutzend Gastronomen und Einzelhändler im Publikum vernommen haben.

Ja, es brauche „eine ‚Überlinger Idee‘, wie wir damit umgehen“, erklärte Wörner und brachte die in der Vergangenheit bereits mehrfach diskutierte Shared-Space-Lösung mit Tempo 20, also gleiches Recht für alle Verkehrsteilnehmer, als Alternative ins Gespräch. Dies gehe auch, ohne etwas „teileinzuziehen“, spekulierte er. Und da war er wieder, der Poller, um den es (noch) nicht gehen sollte. Natürlich sei es denkbar, eine ungehinderte West-Ost-Durchfahrt an Sommerwochenenden damit zu unterbinden. Doch müsse die Lösung flexibel bleiben.

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Hornstein: Keiner will Durchgangsverkehr

„Ich glaube, wir alle wollen eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität“, erklärte Günter Hornstein (CDU). Zumindest „ein Teil von uns“ wolle die Erreichbarkeit der Innenstadt sicherstellen „für Bürgerinnen und Bürger, die meinen, die Innenstadt mit dem Fahrzeug erreichen zu müssen.“ Was alle nicht wollten, sei der Durchfahrtsverkehr durch die Innenstadt. Dazu bedürfe es einer „intelligenten Lösung“, sagte Hornstein, für die man jedoch die Rahmenbedingungen schaffen müsse und die Teileinziehung sei der richtige Schritt, um den erforderlichen Gestaltungsspielraum zu haben. Viele dieser Überlegungen seien auch mit dem Wirtschaftsverbund Überlingen abgestimmt.

Auf der Zielgeraden ist die Baustelle in der Jakob-Kessenring-Straße, die bis zum 15. März abgeschlossen werden soll. Am 16. März könnte ...
Auf der Zielgeraden ist die Baustelle in der Jakob-Kessenring-Straße, die bis zum 15. März abgeschlossen werden soll. Am 16. März könnte eine erste Freigabe erfolgen, wenn alles planmäßig läuft. Drei Tage zuvor soll vom Gemeinderat über Details zur künftigen Verkehrsregelung beraten und entschieden werden. | Bild: Hanspeter Walter

„Auf dem richtigen Weg“ sah Bettina Dreiseitl-Wanschura die Stadt. Bereits seit den 1970er-Jahren seien kontroverse Diskussionen um die Entwicklung der Innenstädte geführt worden. „Immer wenn sich etwas verändern soll, wird es schwierig“, sagte sie. „Doch wir brauchen eine Veränderung.“ Diesen Transformationsprozess gelte es, sinnvoll zu gestalten. Überall hätten die Menschen und die Geschäfte profitiert.

Planspiel mit Mauer

Vieles werde gerade hochgespielt, hielt Ralf Mittelmeier (FWV/ÜfA) Kritikern entgegen. Nie sei es um eine Sperrung der Innenstadt gegangen, lediglich um eine Beschränkung des Durchgangsverkehrs. Selbst wenn man an der Kapuzinerkirche eine Mauer bauen würde, formulierte er ein Szenario, „wäre jeder Quadratmeter der Innenstadt anfahrbar“.

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Manches erinnere ihn an die 1990er-Jahre und die Einrichtung der Fußgängerzone in der Münsterstraße, sagte Udo Pursche (SPD). „Die Stadt gehe pleite, der Einzelhandel stirbt“, habe es damals geheißen. Nun habe man eine wunderschön neu gestaltete Straße, für die die Stadt viel Geld investiert habe. Die Teileinziehung bedeute lediglich: „Langsam fahren – und sonst gar nichts.“ Er verstehe die Bedenken nicht. Er freue sich, so Pursche, auf einen weiteren Schritt zur Verbesserung der Attraktivität der Altstadt „für alle – die Einheimischen, die Einkäufer und die Touristen.“