Die Stadtapotheke schließt. Nach der Pflummern-Apotheke gibt damit ein weiterer Apotheker in der Überlinger Kernstadt seine Profession auf. „Apotheken-Schließungen sind heute an der Tagesordnung“, sagt Inhaber Josef Fuchs im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Den Hauptgrund dafür sieht er in der mangelhaften Grundvergütung. „Egal, welches Medikament ich verkaufe, ich bekomme nur 6,58 Euro“. Seit dem Jahr 2004 habe sich die Entlohnung nicht mehr verändert – trotz gestiegener Personal und Unterhaltskosten.

Die Stadt-Apotheke schließt Ende Juni. Die Münster-Apotheke ist damit die letzte verbleibende Apotheke in der Überlinger Innenstadt.
Die Stadt-Apotheke schließt Ende Juni. Die Münster-Apotheke ist damit die letzte verbleibende Apotheke in der Überlinger Innenstadt. | Bild: Rasmus Peters

„Das verhindert, dass kleine Apotheken wirtschaftlich geführt werden können“, sagt Fuchs. Sein Erlös betrage etwa 4 Prozent seines Umsatzes, gibt Fuchs an. Die rechnerische Durchschnittsapotheke habe mit 3,7 Millionen Euro Umsatz weit mehr als das Doppelte. Hinzu kommt: „Apotheken in der Nähe einer Arztpraxis haben es grundsätzlich leichter“, sagt Fuchs. Doch über die vergangenen Jahre habe die Kernstadt stetig Praxen in die Peripherie verloren.

„Wir starren nur noch in den Computer“

Genauso spielte sein Alter in die Überlegungen hinein, wie es mit ihm und seiner Apotheke weitergeht. 65 Jahre alt ist er jetzt. Da sagte er sich: „Ich will auch schließen. Ich will noch mehr vom Leben.“ Von dem Beruf, den er gelernt hat, ist nicht mehr viel geblieben. „Das E-Rezept hat dazu geführt, dass wir nur noch in den Computer starren“, sagt der Apotheker. Es mache in der Stadt-Apotheke bestimmt 90 Prozent des Rezeptanteils aus, schätzt Fuchs. Da außerdem die Unterstützung für sein Betriebssystem ablaufe, hätte er in eine neue Computeranlage investieren müssen, wie er sagt.

Apotheker erklären, was beim Arzt zu kurz kommt

Wenn er ab Juli seine Betriebserlaubnis verliert, gehe vor allem das Soziale verloren, meint Fuchs. „Die meisten Apotheken haben ihre Stammkunden“, erzählt der Pharmazeut. Mit dem Austausch über das Rezept oder den Krankheitsverlauf entwickelt sich auch eine Vertrauensbeziehung, schildert er. Nichts, das eine Online-Apotheke leisten könne. Auch Erklärungen, die ein Arzt in seiner kurz bemessenen Zeit nicht leisten kann, erfragen viele beim Apotheker. „Hier trauen sich die Leute zu fragen“, schon deshalb sei es Fuchs zufolge mehr als eine Kunden-Verkäufer-Beziehung. Der Apotheker wird so zum Wegbegleiter.

Apotheker Josef Fuchs und seine Angestellte Ute Schröder im Gespräch mit einer Kundin.
Apotheker Josef Fuchs und seine Angestellte Ute Schröder im Gespräch mit einer Kundin. | Bild: Rasmus Peters

Viel Arbeit, wenig Urlaub

Dennoch denkt er mit Vorfreude daran, nach so vielen Jahrzehnten wieder Herr über seine Zeit zu sein. Als er das Geschäft übernahm, verzichtete er auf Ferien. Selten hatte er mehr als zwei Wochen Auszeit, sagt er. Seit 40 Jahren arbeitet er als Apotheker, 35 davon als Selbstständiger. 1986 begann er in der Apotheke zu arbeiten. 1990 hat er sie dann übernommen. Aus Memmingen kam er an den See. „Nach der Probearbeit in der Stadt-Apotheke habe ich mich schnell in die Lebensart am See verliebt“, sagt der Pharmazeut. Damals hatte er sie noch gepachtet, heute ist er der Eigentümer des Gebäudes.

Der Garten des Apothekers

Die neue Freizeit will Fuchs daher dem Haus und seinem Garten widmen. In einem Quadrat angelegt sind Lavendel, Buxbaum, Kräuter, Rosen und andere Blumen. Wie gemalt sieht es aus: blaue Blüten abgelöst von orangenen und weißen Tupfen, gesprenkelt mit grünen Halmen. Über den Garten wurde 2006 sogar schon in einer Sparten-Zeitschrift berichtet. Dass er so aussieht, schreibt sich der Apotheker selbst zu: „Davor war es ein Hinterhof“.

Der Garten im Hinterhof der Stadt-Apotheke. Mit seinem Garten war Apotheker Fuchs sogar schon in einer Sparten-Zeitschrift.
Der Garten im Hinterhof der Stadt-Apotheke. Mit seinem Garten war Apotheker Fuchs sogar schon in einer Sparten-Zeitschrift. | Bild: Rasmus Peters

Als er in den Beruf startete, war es das Herstellen von Arzneien und Anrühren von Salben und Tinkturen, das seine Faszination für den Beruf weckte. Apotheken rochen nach Kampferspiritus, schildert er. Viele Apotheken hatten einen eigenen Raum für Teemischungen. Wer heute im Supermarkt beispielsweise einen Blasen-Nieren-Tee ersteht, konnte den früher von einem Apotheker zusammenstellen lassen.

Vermutlich wurde diese Eisen-Mangan-Essenz zur Stärkung bei Eisenmangel verabreicht, sagt Apotheker Josef Fuchs. Hergestellt wurde sie ...
Vermutlich wurde diese Eisen-Mangan-Essenz zur Stärkung bei Eisenmangel verabreicht, sagt Apotheker Josef Fuchs. Hergestellt wurde sie von Albert Staab, der die Stadt-Apotheke um 1900 herum führte. | Bild: Rasmus Peters

Die Stadt-Apotheke enthält noch zahlreiche Relikte aus dieser Zeit. Voraussichtlich ab Herbst würde er die Räume vermieten. Zuvor müsse er sie noch freiräumen. Für seine Kleinode habe er glücklicherweise auf dem Dachboden des Hauses noch ausreichend Platz.

Nur die Münster-Apotheke bleibt in der Kernstadt

Er habe versucht, Nachfolger zu finden, wusste aber von vornherein, dass das aussichtslos sei: „Apotheken dieser Umsatzklasse finden keine Nachfolger“, sagt er. Die Münster-Apotheke ist damit die letzte verbleibende Apotheke in der Kernstadt.

Was das für den Betrieb bedeutet, sagt Inhaberin Annette Munck-Holl: „Es werden mehr Kunden werden, das haben wir schon nach dem Schließen der Pflummern-Apotheke gemerkt.“ Zwei Mitarbeiterinnen von dort arbeiten nun in der Münster-Apotheke. Auch aus der Stadt-Apotheke wechselt eine Mitarbeiterin sozusagen auf die andere Straßenseite.

Annette Munck-Holl, Inhaberin der Münster-Apotheke
Annette Munck-Holl, Inhaberin der Münster-Apotheke | Bild: Rasmus Peters

„Für die Kunden ist es schön, wenn sie die Gesichter hier wiederentdecken“, sagt die Apothekerin. Gesucht habe sie keine weiteren Mitarbeiter. Da sie jedoch wusste, dass nach der Pflummern-Apotheke auch die Stadt-Apotheke schließt, und damit mehr Arbeit auf sie zukommt, stellte sie sie ein. Es sei eine große Verantwortung, die einzige Apotheke in der Innenstadt zu sein, sagt Munck-Holl. Dass sie nun der Platzhirsch sei, weist sie von sich: „Es ist kein Selbstläufer. Ich muss mich um meine Kunden mehr bemühen als eine Online-Apotheke.“