Über einen Leserbrief wurden wir auf ihn aufmerksam: Aloys Jaskolski, 69-jähriger Rentner aus Überlingen-Goldbach. Er wohnt in Sicht- und vor allem Hörweite zur Landesgartenschau. 250 Meter Luftlinie zur Seebühne. Und es nervt ihn, was von dort zu ihm herüberschallt.
So schrieb er einen Leserbrief. „Die Landesgartenschau in Überlingen ist ja gut und schön“, beginnt sein Brief. Aloys Jaskolski spießt darin eine Veranstaltung Mitte Juni auf. Hunderte Besucher kamen, froh, dass endlich wieder Begegnungen möglich sind. Jaskolski veranlasste der Termin dazu, seinem Unmut Luft zu geben. Denn es handle sich dabei ja nur um „die Spitze eines Eisbergs“.

Schallspitzen in Goldbach, lauter als ein Düsenflugzeug?
Jaskolski beruft sich in seinem Leserbrief auf eigene Schallmessungen. „135 Dezibel in der Spitze und 117 Dezibel durchschnittlich“ habe er gemessen. Das ist ein Wort. Bei der Marke von 120 Dezibel liegt bereits die Schmerzgrenze. Erst Recht die 135 Dezibel. Das wäre lauter als ein Düsenflugzeug beim Starten.
Diesen Mann und sein Messgerät wollten wir kennenlernen. Zunächst also ein Telefonat mit ihm. Naja, sagt Aloys Jaskolski, über ein geeichtes Messinstrument verfüge er nicht. Er habe sein Handy und eine entsprechende App für die Messung verwendet. Wir dürften uns die räumliche Nähe zur LGS-Bühne aber gerne selbst einmal anschauen.
Eigentlich eine top Wohnlage mit Blick aufs Gartenschaugrün
Gesagt, getan: Am 30. Juni erfolgt der Besuch auf Jaskolskis Balkon in Goldbach. Ingeborg Borowski ist auch mit dabei, seine Frau. Sie wohnen an der Ecke ehemalige Bundesstraße/Goldbach, das Haus steht auf einer Anhöhe. Von hier aus blickt man auf die Goldbacher Kapelle, den Uferpark der Landesgartenschau, sowie den Bodensee. Viele würden sagen: beneidenswerte Wohnlage.

„Die Landesgartenschau in Überlingen ist ja gut und schön“, schrieb Aloys Jaskolski in seinem Leserbrief, „wenn auch nicht jeder sie haben wollte.“ Im Gespräch lassen er und Ingeborg Borowski erkennen, dass sie nicht finden, dass die Gartenschau den Wert ihrer Immobilie verbesserte. Es handelt sich um das Elternhaus von Ingeborg Borowski, hier wuchs sie auf, was man nicht hört, weil ihr Dialekt Berlinerisch klingt, nach „Schnauze mit Herz“, wie man dort sagen würde.
Nach langer Zeit in Berlin kamen die beiden 2003 an den See zurück
Die 82-jährige Ingeborg Borowski berichtet, dass sie im Bodenseewerk ihren damaligen Mann kennenlernte, der über die Berliner Askania nach Überlingen gekommen war und sich hier nicht wohlfühlte. Mit 21 Jahren zog sie mit ihm nach Berlin. „Komm bald zurück“, habe ihre Mutter sie damals angefleht, „die Russen kommen“. Was ja auch nicht von der Hand zu weisen war. Sie war im Dezember 1960 in Berlin angekommen, im August 1961 wurde die Mauer gebaut. Ingeborg Borowski wurde eine West-Berlinerin, wurde Mutter, und arbeitete als kaufmännische Angestellte. Im Jahr 2003 kam sie mit ihrem jetzigen Mann zurück ins Elternhaus nach Goldbach. Ihr Mann, Aloys Jaskolski, war in der ganzen Welt daheim. Der 69-Jährige berichtete, dass er für Siemens als Turbinenbauer arbeitete. „Ich war weltweit im Einsatz.“
„Die können ja spielen, was sie wollen, aber nicht so laut.“Ingeborg Borowski, Anwohnerin
Für einen schönen Ruhestand – die Betonung liegt auf Ruhe – wäre eigentlich alles vorbereitet. Schönes Haus, Blick auf den See, die Stadt gut mit dem Fahrrad erreichbar. Gäbe es da nicht das eine oder andere Haar in der Suppe zu entdecken.

„Die Landesgartenschau findet nun mal statt und gut ist es“, schreibt Jaskolski in seinem Leserbrief. „Aber müssen denn wirklich Musikveranstaltungen auf der Seebühne sein, die in cirka 400 Metern Entfernung an der Goldbacher Kapelle noch mit gemessenen 135 Dezibel in der Spitze und 117 Dezibel durchschnittlich über zwei Stunden aufgeführt werden und dort so wahrgenommen werden?“
Der Auftritt von Unojah bringt das Fass zum Überlaufen
Auslöser für den Leserbrief war eine Veranstaltung im Juni. „Von 18 bis 21 Uhr“, wie Jaskolski betont. Dort trat die Gruppe Unojah auf. Schon der Soundcheck sei eine Zumutung gewesen.
Besser sei schon der Auftritt von Hans-Joachim Heist gewesen. Heist, besser bekannt als „Gernot Hassknecht“, dem Wutbürger aus der ZDF-Satire-Sendung „heute-show“, war ebenfalls schon Gast auf der Seebühne. Hassknecht ist ein Vorzeige-Choleriker, dem auch mal der Speichel überläuft. 135 Dezibel? Hassknecht wäre stolz wie Bolle, wenn er in dieser Lautstärke beim Publikum ankäme. Doch in diesem Fall, lobte Jaskolski, sei die Lautstärke „normal“ gewesen.

Gartenschau betont: Wir halten uns an die Regeln
LGS-Geschäftsführer Roland Leitner bestätigte, dass man mit Herrn Jaskolski in Kontakt sei und ihn darauf hinwies, dass Veranstaltungen nun einmal zu einer Landesgartenschau dazu gehören. „Wir halten uns an die rechtlichen Vorgaben und beenden wie vorgeschrieben alle Konzerte spätestens um 22 Uhr, von wenigen Veranstaltungen, für die uns eine entsprechende Sondergenehmigung vorliegt, abgesehen.“

Nun bildete der Auftritt der Musikgruppe nur „die Spitze des Eisbergs“, berichtete Jaskolski. Somit wollten wir wissen: Woraus besteht der Berg darunter? Im Gespräch auf dem Balkon zeigt sich, dass das Rentnerehepaar einfach nicht zur Ruhe kommt. Ärger mit Fahrradfahrern, mit Bauarbeitern, mit dem falsch programmierten Navigationsgerät, mit dem Jägerzaun an ihrem Grundstück. Und immer melden sie sich bei einer Behörde, und nie fühle sich jemand zuständig.
Sorgenvoller Blick auf die Straße vor der Haustüre
Ständig müssen sie beobachten, wie sich Fahrradfahrer auf der alten Bundesstraße mit Autofahrern in die Wolle kriegen. Da fielen Schimpfwörter, die allenfalls ins Vokabular von Hassknecht passen, hier aber nicht gedruckt werden können. Der Grund für den Unmut: Direkt vor ihrem Haus endet ein Radweg, und beim Hinüberwechseln auf die Straße komme es fast täglich zu Beinahe-Unfällen. Jaskolski sagte, dass er sich ständig beim Ordnungsamt und bei der Polizei melde. „Aber es fühlt sich ja niemand zuständig.“

Sie hätten dem Ordnungsamt schon öfter angeboten, sich einfach mal auf ihren Balkon zu setzen und zu beobachten, was sich abspielt. Aber es komme ja keiner. Auch nicht, um die rasenden Autofahrer auszubremsen. „Die Stadt könnte viel Geld verdienen, wenn sie hier vor Goldbach einen Blitzer aufstellen würde.“
Schon beim Bau des Uferparks gab es Unmut zu bekunden
Und dann der Bau des Uferparks. Auf die Frage, ob ihnen denn das neue Grün vor der Haustüre nicht gut gefalle, antwortete Ingeborg Borowski, dass es ganz schlimm staubte, als die schweren Baumaschinen den Park anlegten. Sie sei mit Putzen kaum hinterhergekommen.
Aloys Jaskolski beobachtete, dass die Bauarbeiter keinen Gehörschutz getragen hätten, aber einen Höllenlärm verursachten. „Und wenn man dann mal runter ging, um sich zu beschweren, fühlte sich niemand zuständig.“ Statt eines Bürgerparks würde er sich wünschen, dass es nach der LGS wieder einen Campingplatz gibt. „Der hätte dann eine Ordnungsfunktion.“
Gegen Ende des Balkongesprächs sagt Jaskolski: „Jetzt bin ich gespannt, was Sie daraus machen.“ Und er gibt dem Reporter noch mit auf den Weg: „Manchmal tut es einem ja hinterher leid, wenn man etwas sagt, weil man belastet sich irgendwie damit ja auch selbst. Aber trotzdem: Man muss sich manchmal einfach auch Luft verschaffen.“
Noch zwei Themen: Jägerzaun und Navigationsgerät
Die Sache mit dem Jägerzaun würde jetzt zu weit führen. Auch die Sache mit dem Navi. Deshalb nur zwei Sätze: Es geht im Behördenstreit darum, wer dem Zaun entlang ihres Grundstücks einen neuen Anstrich verpassen muss. „Sie mal sicher nicht“, sagt Ingeborg Borowski. Doch wer dann? Und wer bitte kümmere sich behördlicherseits endlich darum, dass Google auf dem Navi die Leute nicht mehr falsch um Goldbach leitet?
Und es ist ja nicht so, dass die Beschwerden niemand hört. Als morgens um 5 Uhr der Rasen auf dem Gartenschaugelände gemäht wurde, habe sich ihre Familie erst bei der Polizei gemeldet, die hätten sich aber nicht zuständig gefühlt, und dann klingelten sie bei der LGS. Darauf kehrte Ruhe ein.
„Wir haben ja auch einen Rasenmäher.“Aloys Jaskolski
Roland Leitner bestätigt: „Wir haben darauf reagiert und die Firma darauf hingewiesen, dass sie selbstverständlich die Nachtruhe einhalten müssen und nicht um fünf den Rasen mähen dürfen.“ Jaskolski ist froh, dass die Rasenmäher jetzt später starten: „Das ist so laut, wie wenn man eine 474 starten ließe.“ Borowski: „Man denkt, die fällen Bäume.“ Jaskolski: „Wir haben ja auch einen Rasenmäher, starten aber später.“
Mit Gernot Hassknecht, sagt Aloys Jaskolski, könne er nichts anfangen. „Früher fanden wir das ja mal gut, aber so langsam ist es ein bisschen viel.“ Die Besucher hätten wohl ähnlich empfunden. Es sei „wenig geklatscht“ worden. Hörte er.