Wer früher wissen wollte „was geht“, der traf sich auf dem Spielplatz oder an der Bushaltestelle mit seinen Freunden. In Zeiten der Messenger-Dienste funktioniert das anders: „Wir verabreden uns kurzfristig, sagen eventuell aber ebenso kurzfristig auch wieder ab“, sagt Richard Jung, seit Juni Vorsitzender der Landesschülervertretung und Mitglied des Überlinger Jugendgemeinderates (JGR). Er nutzt dazu – wie alle seiner Freunde – digitale Dienste wie WhatsApp auf dem Smartphone.

Übersicht über Angebote für Jugendliche fehlt

Die mobilen Endgeräte machen es möglich, sich jederzeit an jedem Ort zu verabreden. Was fehlt, ist eine aktuelle Übersicht über Angebote für Jugendliche in Überlingen. Auch hier könnte das Smartphone weiterhelfen, wenn es eine entsprechende App gäbe. Victor Kliewer, Schriftführer des JGR, hatte deshalb schon vor seiner Wahl in den Jugendgemeinderat vorgeschlagen: „Lasst uns eine Jugend-App entwickeln.“ Sie solle junge Menschen darüber informieren, an welchen Orten in der Stadt für sie etwas geboten wird. Kurzfristig und immer aktuell. Der Schüler erzählt im Gespräch mit dem SÜDKURIER, dass er auf der Suche nach Angeboten auf viele Vereine gestoßen sei, von deren Existenz er überhaupt nichts gewusst habe. „Die könnten in einer Jugend-App alle gelistet sein“, sagt er. Und Richard Jung zückt sein Smartphone, um den digitalen Stundenplan seiner Schule aufzurufen: „Wenn eine Unterrichtsstunde ausfällt oder verschoben wird, kriegen wir das via App sofort mitgeteilt. Wieso sollte so etwas nicht auch im Freizeitbereich möglich sein?“

Ihr Ziel: die Suche nach Angeboten und Vereine erleichtern (von links): Richard Braun, beratender Informatikstudent aus Zürich, Richard ...
Ihr Ziel: die Suche nach Angeboten und Vereine erleichtern (von links): Richard Braun, beratender Informatikstudent aus Zürich, Richard Jung, Mitglied des JGR, Victor Kliewer, Schriftführer des JGR und Espen Rechtsteiner, Vorsitzender des JGR. | Bild: Michael Schnurr

Der Realitätscheck

Die Idee hat Freunde gefunden, auch im Überlinger Gemeinderat. Dort wurde einhellig begrüßt, dass sich der Jugendgemeinderat an die Entwicklung einer Jugend-App setzen wollte. Nach einer ersten Erkundungsphase, was Jugendliche sich alles von einer Jugend-App für Überlingen erwarten würden, unterzog ein Arbeitskreis „die lange Liste der Wünsche einem Realitätscheck“, sagt Espen Rechtsteiner, Vorsitzender des JGR. Dabei war schnell klar, dass es beispielsweise zu aufwendig wäre, Informationen über die Fahrzeiten des öffentlichen Personennahverkehrs in die App zu integrieren. Aber eine Übersicht über alle Vereine und deren Angebote ist machbar. Fest im Plan ist auch eine Ferienjob-, Ausbildungs- und Praktikumsbörse für regionale Unternehmen. Gewünscht vom Gemeinderat: ein Diskussionsforum für Jugendliche. „Das benötigt einen Moderator“, sagt Victor Kliewer, der damit die Aufgabe der jederzeitigen Überwachung und der finanziellen Ressourcen anspricht.

Noch ist nichts entschieden

Die Kosten für die Entwicklung der App schätzte Richard Braun, fachlicher Beirat des JGR, auf 25 000 bis 30 000 Euro. Der Züricher Informatikstudent entwickelt seit 2018 Software im Auftrag. Zusammen mit Stadtjugendpfleger Tobias Linder begleitet er das Projekt. Diese Zahl schreckte den Überlinger Gemeinderat auf. Espen Rechtsteiner: „Die App wird nun wohl weniger aufwendig und preislich dadurch deutlich günstiger werden.“ Noch sei aber nichts entschieden. Der JGR musste lernen, dass die Stadt jede Investition über 1000 Euro ausschreiben muss, außerdem geriet das Vorhaben durch die Corona-Pandemie ins Stocken. Jetzt sagte die Initiative „Demokratie Leben“ des Bundesministeriums für Familie zu, das Vorhaben mit 3000 Euro zu unterstützen.