Ob man es als Wunder bezeichnen kann, mag dahingestellt sein. Aber eine Überraschung war es allemal, was Pfarrer Bernd Walter bei einer Aufräumaktion in einem wenig genutzten Schrank der Sakristei des Münsters in Überlingen in die Hände fiel: ein holzgeschnitztes Jesuskind im Renaissancestil, ein auferstandener Christus aus der Barockzeit, ein spätgotischer Wettersegen und weitere wertvolle Altar-Utensilien, die allesamt zur Ausstattung der St.-Jodok-Kirche im Überlinger „Dorf“ gehört haben.

Verpackt waren die Figuren in einer Ausgabe des SÜDKURIER von Samstag, 17. September 2011, begleitet von einem handschriftlichen Brief an den damaligen Münsterpfarrer Weber, der zwei Tage später datiert war. Offensichtlich sollte den wertvollen Devotionalien das Schicksal von zwei gestohlenen Figuren erspart bleiben.

Figuren 1965 aus der St.-Jodok-Kirche gestohlen

Verwunderlich war es, dass und wie diese beiden Figuren, die 1965 aus der St.-Jodok-Kirche entwendet worden waren, im Sommer ihren Weg an den Bodensee fanden. Pfarrer Walter erinnert sich, dass schon bald nach seinem Amtsantritt ein mysteriöser Brief aus Hamburg bei ihm eingetrudelt war, der später zur Rückkehr der beiden Skulpturen des heiligen Ambrosius und des heiligen Augustinus geführt hatte.

Vor zwei Jahren kam ein Brief aus Hamburg

„Vor etwa zwei Jahren hatte ich den ersten Brief mit einer Kontaktaufnahme aus Hamburg erhalten“, erinnert sich Pfarrer Bernd Walter. Der Verwalter eines Erbes hatte zwei geschnitzte Holzfiguren in diesem Nachlass entdeckt. Wie er zu Kenntnissen über den Ursprung der beiden Heiligen gekommen war, weiß keiner der Beteiligten ganz genau.

Die beiden Heiligenfiguren von St. Ambrosius und St. Augustinus waren 1965 gestohlen worden und sind im Vorjahr überraschend in Hamburg ...
Die beiden Heiligenfiguren von St. Ambrosius und St. Augustinus waren 1965 gestohlen worden und sind im Vorjahr überraschend in Hamburg wieder aufgetaucht. | Bild: Hanspeter Walter Journalist-Texte-Bilder

Auf jeden Fall hatte die Spur der Recherchen in Hamburg an den Bodensee geführt und nach einem längeren Briefwechsel und Informationsaustausch schien Klarheit zu bestehen: Es können tatsächlich nur die beiden Figuren aus der Jodokkirche sein, die ursprünglich ihren Platz in einer Nische von Zunftstangen hatten.

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Figuren komplettieren Zunftstangen, die 2016 wieder in der Kirche aufgestellt wurden

„Sie müssen wohl 1965 bei helllichtem Tag gestohlen worden sein“, weiß Ulrich Köberle, der sich mit seiner Konzertreihe und dem gemeinnützigen Verein schon seit vielen Jahren um das Wohl der äußerlich unauffälligen Kirche in der Aufkircher Straße kümmert. Dabei hat er schon die Restauration mancher historischen Figuren und Kleinodien ermöglicht. Auch der Zunftstangen, die im Münster ausgelagert waren und 2016 wieder an den angestammten Platz zurückgekehrt waren. Was noch fehlte, waren die Heiligenfiguren, die nun auf ganz wundersame Weise wieder zurückkamen.

Schon vor vier Jahren waren zwei Zunftstangen in die Jodok-Kirche zurückgekehrt. In der Nische am oberen Ende der Stangen hatten die ...
Schon vor vier Jahren waren zwei Zunftstangen in die Jodok-Kirche zurückgekehrt. In der Nische am oberen Ende der Stangen hatten die Heiligenfiguren ihren Platz. Im Bild Restaurator Axel Heberle (links) mit Ulrich Köberle, der sich mit seinem Verein und der Konzertreihe seit gut zehn Jahren für den Erhalt des Gotteshauses engagiert. | Bild: Hanspeter Walter

Wert der knapp 40 Zentimeter großen Figuren nicht bekannt

Der Diebstahl war vor 56 Jahren nie aufgeklärt worden. Um so erstaunlicher, dass die Figuren nun in Hamburg wieder aufgetaucht waren. Wie viel die knapp 40 Zentimeter großen Figuren wert sein könnten, vermag niemand zu sagen. Teuer genug war allerdings schon die Transportversicherung, die der Münstergemeinde eine Gebühr von 800 Euro in Rechnung stellte. Doch die Verantwortlichen stellten eine Rückkehr der Skulpturen nie in Frage, die im Sommer wieder wohlbehalten in Überlingen eingetroffen waren.

Frohe Botschaft am Weihnachtsfest verkündet

Das Weihnachtsfest schien allen Beteiligten nun der beste Zeitpunkt, die frohe Botschaft zu verkünden. Schließlich gehörte auch der Fund des verschollen geglaubten Christuskinds in das gleiche Umfeld. Für den Verein Konzertreihe St. Jodok um Ulrich Köberle stellen die beiden Ereignisse nun eine ganz besondere Herausforderung dar.

Verein will Figuren restaurieren lassen

Sowohl die heimgekehrten beiden Heiligenfiguren aus Hamburg als auch wieder aufgefundene Preziosen bedürfen einer Restaurierung, um für die Nachwelt in gutem Zustand erhalten zu bleiben. In Wahrnehmung seines Satzungszwecks, der „Bewahrung des historischen Erbes von St. Jodok“, will der Verein die anfallenden Restaurierungskosten übernehmen. Damit setzt er seine gute Tradition fort, in der in Zusammenarbeit mit Restaurator Heberle schon manche Figuren überarbeitet werden konnten.

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Die Jodok-Kirche war von dem wohlhabenden Bürger Burkhart Hipp 1424 gestiftet worden. Auf dem Höhepunkt der Jakobsbewegung wurde sie 1462 als Kirche der Bruderschaft St. Jodok geweiht. Rechts vom Eingangsportal ist eine Statue des St. Jodokus zu sehen, der an seinen Attributen Pilgerstab und Pilgerhut mit Muschel zu erkennen ist.